Stadtbild-Debatte: Wie Merz Migranten zum Sündenbock macht
Merz sagte mal wieder etwas Dummes und die Analysemotoren laufen heiß. Bei einem Termin in Brandenburg sprach der Bundeskanzler von einem Problem mit dem Stadtbild und Rückführungen als Mittel dagegen. Auf Social Media gab es (verständlicherweise) Empörung, in den regulären Medien wiederum allerlei Deutungsversuche.
Dass gerade konservative Politiker:innen Aussagen mit Rechtsdrall feuern, diese dann Personen mit Migrationsgeschichte oder Armutsbetroffene treffen, ist nicht neu. Stadtbild-Reinigungsfantasien ebenfalls nicht. Ex-AfD-Politiker Jörg Meuthen (heute Werteunion), äußerte sie vor Jahren, CSU-Chef Markus Söder vor wenigen Wochen.
Die Wut macht das nicht weniger berechtigt. Aber es wäre zu leicht, sich nur zu empören, Merz Rassismus vorzuhalten und die Aussage auf ein rein identitätspolitisches Thema runterzudampfen. Aber das Problem liegt nicht bei den Menschen, über die Merz spricht – sondern bei den Städten, in denen sie leben.
Viele Städte sind wirklich furchtbar
Die Menschen sind unzufrieden mit ihren Städten, darauf verweisen diverse Umfragen. Die Menschen beschweren sich über fehlende Angebote für Freizeit, über fehlende Grünflächen, zeigt eine Auswertung der TU Darmstadt; in einer anderen bemängeln die Befragten vor allem Leerstände und Schließungen. Überraschen dürfte das kaum jemanden.
Wer schon mal in einer Stadt wie Hagen, Bochum oder Castrop-Rauxel unterwegs war, dürfte sich an die deprimierenden Betonschluchten erinnern; an die Ladenzeilen, angereiht nach dem immer selben Tedi-H&M-Douglas-Sparkasse-Muster. Große Freizeitangebote gibt es nicht, Gründe zum Verweilen ebenso wenig. Es mangelt an Kulturangeboten, an sozialen Begegnungsorten.
Die Probleme gibt es aber nicht ausschließlich in den Zentren. Auch außerhalb dünnt es sich vielerorts aus. Viele, vor allem junge Menschen, haben so kaum Möglichkeiten, etwas zu erleben. Kommunen sparen an Sozialarbeiter:innen, an Jugendzentren, zeigt die Studie "Jugend in Deutschland 2024". Viele junge Menschen lungern in Großstädten rum, weil es dort zumindest ein bisschen Bewegung gibt.
Es ist bereits für Menschen, die Deutsch sprechen und keine Fluchtgeschichte haben, schwierig, überhaupt Beschäftigung zu finden. Noch schwieriger ist es für Menschen mit Fluchtgeschichte – für jene, die die Sprache erst lernen, sich erst zurechtfinden müssen. Zumal die Regierung, welche sich in Teilen über fehlende Integrationsbereitschaft beschwert, an Integrationskursen spart. Die Mittel für 2025 halbierte sie.
Dazu kommt, dass viele Menschen, besonders mit Fluchtgeschichte, in viel zu engen Wohnungen leben, schlicht, weil Städte nicht bereit sind, ihnen etwas Platz zuzugestehen. Natürlich zieht es die Menschen dann raus. Und natürlich suchen sich Leute, die noch keinerlei Bezugspunkt zu ihrem Standort haben, Leute, die dieselbe Sprache sprechen. Merz genießt es doch auch, wenn er beim politischen Aschermittwoch unter weißen, Gleichgesinnten gegen das ach so bunte Kreuzberg poltert.
Weiße Städte – und dann?
All die Probleme, seien es die immer selben Ladenzeilen, die fehlenden Angebote, die fehlenden Begegnungsorte, der unzureichende Wohnraum, die eine Stadt eigentlich nicht lebenswert machen, gehen Merz, aber auch die Bundesregierung nicht an. Da ist auch kein Interesse. Stattdessen wählt er Hetzerei als Ausweg.
Nehmen wir aber mal an, die Städte werden so weiß, wie sich Konservative das herbeifabulieren. Wären sie dann gemütlicher? Oder würden Meckerfritzen dann über die lungernde Jugend jammern? Wahrscheinlich eher letzteres. Dabei sollte es doch eigentlich klar sein: Das Stadtbild braucht keine Rückführungen, sondern Rückgewinnung – von öffentlichem Raum, von Begegnung, von Würde.