Politik
Analyse

USA gegen China: Kommt es zum Krieg um Taiwan?

News Themen der Woche KW46 News Bilder des Tages US President Joe Biden R and China s President Xi Jinping L shake hands as they meet on the sidelines of the G20 Summit in Nusa Dua on the Indonesian r ...
Chinas Staatspräsident Xi Jinping und US-Präsident Joe Biden machen gute Miene zum bösen Spiel: Ihre Länder rivalisieren um Macht und könnten sich dabei in die Quere kommen. Bild: IMAGO/UPI Photo / Chinese Foreign Ministry Presse
Analyse

China vs. USA: Hybrider Krieg der Giganten um Taiwan und die Welt

22.03.2023, 18:3919.04.2023, 14:36
Mehr «Politik»

Seit Jahrzehnten schwelt der Konflikt zwischen China und Taiwan. Die Volksrepublik sieht den demokratischen Inselstaat nicht als autonomes Land an, sondern als abtrünnige Provinz und will ihn sich wieder einverleiben. Taiwans größter Freund und Unterstützer: die USA.

Immer wieder ploppt der Konflikt auf und droht zu eskalieren. Etwa, wenn China Militärmanöver vor der Küste Taiwans durchführt oder in taiwanesisches Hoheitsgebiet eindringt. Seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine häufen sich die sorgenvollen Stimmen: Was, wenn sich China Russland zum Vorbild nimmt und die Insel angreift?

21.03.2023, Russland, Moskau: Der russische Präsident Wladimir Putin (r) und der chinesische Präsident Xi Jinping stoßen während ihres Abendessens im Facettenpalast an, einem Gebäude im Kreml. Putin u ...
Xi Jinping besuchte Wladimir Putin in Russland. Könnte er sich Putin zum Vorbild für Taiwan nehmen? Bild: Sputnik Kremlin Pool via AP / Pavel Byrkin

Der Militärexperte Ralph Thiele vom Institut für Strategie-, Politik-, Sicherheits- und Wirtschaftsberatung (ISPSW) beschäftigt sich seit Jahren mit der Gefahr, die von Peking ausgeht. Im Gespräch mit watson sagt er: "China denkt strategisch."

Ist es realistisch, dass China in Taiwan einmarschiert?

Laut Thiele plant die Volksrepublik langfristig, bereitet selbst militärische Schritte Dekaden im Voraus vor. "Die Vereinigung mit Taiwan ist – wie in Korea oder früher auch Deutschland – ein langfristiges, aber selbstverständliches Ziel für China." Zwar rücke die Realisierung dieses Zieles näher, "aber man hat strategische Geduld".

China nehme eine Beobachter-Rolle ein und prüfe sorgfältig, was es aus der Auseinandersetzung des Westens mit Russland in der Ukraine lernen kann. Bislang gibt es aus dieser Beobachtung wenig Anreize, die Wiedervereinigung Taiwans kurzfristig ins Auge zu fassen. Thiele meint: "Das Getöse ist größer als die reale Gefahr einer kurzfristigen bewaffneten Auseinandersetzung."

Und außerdem:

"Taiwan-Krisen gibt es seit Jahrzehnten. Die jetzige wird nicht die letzte sein. Es wird allerdings immer gefährlicher, weil China weiter aufrüstet, aber es wird bis zu einer gewaltsamen Wiedervereinigung noch einige Krisen geben."

Kommt die Auseinander-setzung zwischen China und Taiwan?

Grundsätzlich gehen Expert:innen davon aus, dass es irgendwann zu einer Invasion Chinas in Taiwan und damit auch zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen wird. Allerdings glaubt Thiele nicht an einen großen Knall. Er sagt: "Das wird kein rein militärischer Überfall sein. China arbeitet hybrid."

Damit meint er, dass die Volksrepublik auf den unterschiedlichsten Ebenen an ihrem Ziel, die Insel einzunehmen, arbeitet. Etwa werden Menschen mit großem Einfluss bestochen; der Regierungsapparat und die Öffentlichkeit werden zermürbt; politische Parteien, die aus Taiwan heraus eine Wiedervereinigung anstreben, werden unterstützt.

"Und durch diese Mischung aus hybrider Einflussnahme, Korruption und politischer Bewegung wird dann das Narrativ einer 'Befreiung' verbreitet. Im Sinne von: In Taiwan wird das Volk unterdrückt, bitte China, helft uns", erklärt der Experte.

Neu: dein Watson-Update
Jetzt nur auf Instagram: dein watson-Update! Hier findest du unseren Broadcast-Channel, in dem wir dich mit den watson-Highlights versorgen. Und zwar nur einmal pro Tag – kein Spam und kein Blabla, versprochen! Probiert es jetzt aus. Und folgt uns natürlich gerne hier auch auf Instagram.

Greifen die USA ein?

"Nichts ist 100-prozentig." Das sagt der US-amerikanische Politikwissenschaftler Andrew Denison vom "Transatlantic Networks" auf watson-Anfrage. "Manchmal ist Unklarheit ein wirksames Abschreckungsmittel." Die Chinesen seien sich demnach nicht sicher, dass die USA keinen militärischen Beitrag leisten werden.

US-Präsident Joe Biden wurde von einem Journalisten gefragt, ob amerikanische Soldat:innen die Taiwaner:innen im Falle einer Invasion verteidigen würden. Bidens Antwort: "Ja". So klar hat noch kein Präsident auf eine solche Frage geantwortet. Denison meint: "Die Formulierung ist klarer als zuvor, weil auch die chinesischen Drohungen klarer sind als zuvor."

Thiele meint: "Abschreckung beruht auf Glaubwürdigkeit." In der Weltpolitik gehe es um Macht und Prosperität, also Wohlstand und wirtschaftlichen Aufschwung. Letzterer werde zurzeit in Asien zwischen China und den USA entschieden. Und die Vereinigten Staaten haben im Zuge ihrer nationalen und insbesondere auch ihrer wirtschaftlichen Interessen ein sicherheitspolitisches Versprechen gegeben: Länder wie Südkorea, Japan, Australien, Neuseeland und viele andere vor einer etwaigen chinesischen Aggression zu schützen.

"Die USA sind hier Gefangene ihrer eigenen Ziele: Sie müssen Taiwan unterstützen – auch militärisch – um gegenüber ihren pazifischen Verbündeten nicht ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren", sagt Thiele. Laut Denison haben die Vereinigten Staaten außerdem jahrzehntelang in die Sicherheit und Unabhängigkeit des Inselstaats investiert. Die Bindungen und Verpflichtungen mit Taiwan seien demnach breiter und tiefer als etwa mit der Ukraine.

Wenn sich die USA einmischten – wäre das ein Nato-Bündnisfall?

Eigentlich nicht. Aber – wie immer - hänge es auch davon ab, wie die realen Geschehnisse interpretiert werden, meint Thiele. Sollten die Chinesen einen US-Flugzeugträger versenken, könnte das unterschiedlich aufgefasst werden: Zu einem als ein regionaler Konflikt, mit dem man in Europa nichts zu tun habe. Zum anderen als ein Angriff auf den freien Westen.

13.10.2022, Belgien, Br�ssel: Jens Stoltenberg (vorne l-r), NATO-Generalsekret�r, Lloyd J. Austin, Verteidigungsminister der USA, Ben Wallace, Verteidigungsminister von Gro�britannien, und Hulusi Akar ...
Gruppenfoto der NATO-Verteidigungsminister:innen im NATO-Hauptquartier.Bild: AP / Olivier Matthys

Laut Thiele versuchen die USA derzeit, den Westen gegenüber China politisch hinter sich zu versammeln. Damit könne man ein Narrativ bauen: Hier kämpft eine Autokratie gegen den freien Westen. Demnach könnte ein Angriff auf ein US-Flugzeugträger als Angriff auf den Westen gedeutet werden.

Was ist der Nato-Bündnisfall?
Im Nato-Artikel 5 heißt es: Ein Angriff auf ein Nato-Mitglied ist de facto ein Angriff auf die gesamte Nato. Die Feststellung des Bündnisfalls löst jedoch keinen Automatismus aus. Wie konkret die Hilfe der Bündnispartner aussieht, ist nicht festgelegt. Der Nato-Rat stellt den Bündnisfall fest, erklärt wurde er bisher erst einmal: nach den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001.

"Sprich, je nach Interpretation der Lage könnte das zu einem Nato-Fall werden, obwohl es vordergründig erst einmal keiner ist", erklärt Thiele.

Droht der Dritte Weltkrieg?

In einer weltweiten hybriden Auseinandersetzung sind wir bereits, meint Thiele. Das heißt aber zunächst nicht, dass wir einen Dritten Weltkrieg im Sinne von einem globalen Schlachtfeld fürchten müssen. Der Sicherheitsbegriff habe sich ausgedehnt.

Technologie, Wirtschaft, Gesellschaft – all diese Bereiche werden bereits in einem aggressiven Systemwettbewerb angegriffen und verteidigt, erklärt Thiele. "Cyberraum, Weltraum, kritische Infrastrukturen oder auch Mikrochips, von denen die Weltwirtschaft abhängig ist" seien etwa Bereiche, in denen bereits "Kämpfe" stattfänden.

FILE - In this photo provided by China's Xinhua News Agency, a People's Liberation Army member looks through binoculars during military exercises as Taiwan's frigate Lan Yang is seen at ...
Könnte durch den Krisenherd Taiwan ein Dritter Weltkrieg ausgelöst werden?Bild: Xinhua / Lin Jian

Hauptproduzent der Mikrochips ist Taiwan. Würde ein bewaffneter Konflikt aus- und die Produktion zusammenbrechen, würde die gesamte Weltwirtschaft darunter leiden. "Inzwischen beginnt Taiwan, in Europa und in Amerika Fabriken aufzubauen. Für den Fall, dass es zu dieser Aggression seitens China kommt", sagt Thiele. All solche Faktoren werden in diese Auseinandersetzung mit einbezogen. Daher müsse sich auch die Unterstützung der USA entsprechend ausweiten.

Thiele meint auch:

"Der Krieg der Zukunft wird ein hybrider Krieg sein, der auch vor unserem Unterbewusstsein nicht Halt macht. Über soziale Medien werden wir attackiert und beeinflusst. Plattformen wie Amazon werden von Geheimdiensten genutzt, um Menschen auszuspähen."
ARCHIV - 14.11.2022, Indonesien, Bali: US-Pr�sident Joe Biden (r), sch�ttelt dem chinesischen Pr�sidenten Xi Jinping bei ihrem Treffen vor dem G20-Gipfel die Hand. Es ist das erste pers�nliche Treffen ...
Eskalationspotenzial zwischen China und USA sei vorhanden, führe aber nicht zu einem Dritten Weltkrieg. Bild: AP / Alex Brandon

Der Kampf werde sich über Wirtschaft, Likes und Technologien abspielen. Laut Thiele sind die entscheidenden Weltmächte China und die USA. Taiwan sei in der Hinsicht – nach der Ukraine – ein möglicher nächster Frontstaat. Experte Denison hält die Eskalationsgefahr für eine direkte Konfrontation aber für gering.

Denn: China sei militärisch abgeschreckt und könne es sich nicht leisten, sich vom Westen abzukoppeln. "Ohne Energie- und Agrarimporte, ohne westliche Märkte und Technologien wären die Chinesen aufgeschmissen", sagt Denison.

Ihm zufolge muss China gerade jetzt Vorsicht walten lassen. Durch den Krieg in der Ukraine sei der Westen geeint und mobilisiert. Das heißt aber nicht, dass die USA die Gefahr einer Eskalation ignorieren dürfen. "Kommunikation und Krisenmanagement müssen stets auf Hochtouren laufen", sagt Denison.

Robert Habeck über Markus Söder: "Er hat einen Crush auf mich"

Für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) muss letzte Woche im Bundestag wohl eine große Enttäuschung gewesen sein. Er hatte sich auf eine Debatte mit seinem Erzfeind und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eingestellt. Dieser fehlte aber spontan aufgrund eines Defekts an einem Regierungsflugzeug und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) musste für ihn einspringen.

Zur Story