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Als erster Monarch überhaupt hält Charles eine Rede im Bundestag. Mit tosendem Applaus wird er von den Abgeordneten begrüßt. An seiner Seite mit dabei ist seine Gattin Camilla. Sie nimmt neben dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier Platz, während ihr Mann – König des Vereinigten Königreiches – vor das Rednerpult tritt. Gleich zu Beginn sorgt er für einen Überraschungsmoment.
Charles beginnt seine Rede auf Deutsch. "Es ist eine große Ehre, heute bei Ihnen zu sein", sagt er mit leichtem Akzent. In den Händen hält er einen dünnen Stapel Papier. Er wirkt extrem gut vorbereitet. Seine Rede hält er abwechselnd auf Deutsch und in seiner Muttersprache Englisch.
Mehrmals fallen die Worte: "Die Freundschaft zwischen Großbritannien und Deutschland erneuern." Heißt das, diese war unterkühlt? Darauf geht er nicht direkt ein, doch auch diese Andeutung ist schon viel. Was weiter überrascht: Für einen König äußert sich Charles sichtlich politisch – auch wenn er gekonnt durch die Blume spricht. Normalerweise verstößt es strikt gegen das royale Protokoll, dass die Königsfamilie ihre Nase in politische Angelegenheiten steckt. Doch bei seiner Rede tippt Charles zumindest die Nasenspitze hinein.
Die Andeutung, die Freundschaft wieder zu erneuern, könnte ein Hinweis auf den Brexit sein. Schließlich ist der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union nicht folgenlos an der deutsch-britischen Beziehung vorbeigegangen. Charles hebt jedoch hervor, wie sehr Deutschland und Großbritannien miteinander verflochten seien – und auch voneinander abhängig seien. Er betont, wie wichtig die europäische Zusammenarbeit sei, vor allem jetzt angesichts des Krieges in Europa.
Auch beim Thema Ukraine versteckt Charles seinen politischen Standpunkt nicht. Er lobt ausdrücklich die gemeinsame militärische Unterstützung Deutschlands und Großbritanniens für die Ukraine. Charles zufolge kann man aus dieser Einigkeit Mut für die Zukunft schöpfen.
Aus der Vergangenheit zu lernen, sei unsere Pflicht, meint das britische Staatsoberhaupt. Er erwähnt zudem seine Mutter – die verstorbene Queen Elizabeth. Laut Charles gehörte sie der Kriegsgeneration an und wollte ihren Beitrag leisten, Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf Kurs zu bringen. "Vielleicht hat sie daher so einen besonderen Platz in den Herzen der Deutschen", sagt er, worauf das Publikum mit Applaus reagiert.
Zusammen müsse man die gemeinsamen Werte schützen und deren Bedrohungen entschlossen entgegentreten, führt er fort. Charles könne kaum in Worte fassen, wie stolz er auf die starke Partnerschaft zwischen Deutschland und Großbritannien sei. Auch beim Klimaschutz könne man viel voneinander lernen und gemeinsam neue Technologien vorantreiben.
Er erzählt weiter, wie er mit 13 Jahren zum ersten Mal nach Deutschland gereist sei. Das Land habe einen tiefen Eindruck bei ihm hinterlassen. "Was uns alle verbindet, sind die unzähligen Berührungspunkte der deutsch-britischen Geschichte", meint er. "Wir teilen eine gegenseitige Begeisterung für unsere Literatur und Kultur. Die erste Sprache, in die Shakespeare übersetzt wurde, war Deutsch". Im Westminster Palace werde etwa traditionell Georg Friedrich Händel gespielt.
Die Briten genießen das Nachtleben in Berlin, sagt er mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Ob Kraftwerk oder Beatles – kulturell seien Großbritannien und Deutschland eng vernetzt. Beide Völker genießen die jeweilige Kultur des anderen.
In all den vergangenen Jahren wurde viel gemeinsam gelacht –übereinander sowie miteinander, meint Charles, worauf die Zuhörer:innen sichtlich amüsiert applaudieren. Und dann kommt sein britischer Humor zum Vorschein. Erneut mit einem Schmunzeln erinnert er auch an die Rivalität der Fußball-Nationalmannschaften und das Finale der Europameisterschaft der Frauen im vergangenen Sommer. Das Spiel gewann England mit 2:1.
Die lange und besondere Geschichte der deutsch-britischen Partnerschaft enthalte noch viele unbeschriebene Kapitel. Seine Rede endet der britische König, wie er sie begann: auf Deutsch. "Danke für die Aufmerksamkeit." Er schüttelt der ersten Reihe die Hand und verlässt unter stehenden Ovationen den Plenarsaal.
Es ist nicht die erste Rede des britischen Staatsoberhaupts im Reichstagsgebäude. Bereits vor fast drei Jahren, am 15. November 2020, hielt Charles als Prince of Wales in seiner Eigenschaft als Thronfolger eine Rede zur zentralen Gedenkveranstaltung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Die Gedenkstunde zu Ehren der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft hatte im Zeichen der deutsch-britischen Freundschaft 75 Jahre nach dem Kriegsende gestanden, heißt es vom Bundestag.
Mitglieder der Königsfamilie äußern sich nie explizit politisch, dennoch gilt nun auch der Besuch von Charles sehr wohl wieder als politisches Zeichen – für eine Annäherung nach dem Brexit. Immerhin ist Deutschland auch das erste Reiseziel des neuen britischen Königs vor seiner Krönung am 6. Mai.
(mit Material der dpa)
