Die großen Waldbrände auf der griechischen Insel Euböa lodern weiterhin. In der Nacht zum Dienstag gelang es Feuerwehr, Anwohnern und Freiwilligen erneut, mehrere Orte vor den Flammen zu schützen. Allerdings seien Wald und landwirtschaftlich genutzte Flächen rund um die Dörfer verbrannt, berichteten griechische Medien. Trotzdem besteht allmählich so etwas wie Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation auf der zweitgrößten griechischen Insel.
Zum einen ist so viel verbrannt, dass das Feuer stellenweise von allein erlischt, weil die Flammen keine Nahrung mehr finden. Zum anderen sind die meisten anderen Brände im Rest Griechenlands mittlerweile unter Kontrolle – und die Einsatzkräfte können sich auf Euböa konzentrieren. Als weiterer positiver Faktor gilt, dass es am Dienstag in der Region keinen starken Wind gab, der die Flammen zusätzlich hätte anheizen können.
In Griechenland gibt es erste Untersuchungen zum Ausmaß der Schäden. Das geologische Institut der Universität Athen geht aktuell von 90.000 Hektar verbrannter Fläche im ganzen Land aus. "Die Daten ändern sich ständig, weil die Ereignisse noch im Gange sind", sagte Niki Evelpidou, an der Athener Uni Professorin für Geologie und Geo-Umwelt am Dienstag der Tageszeitung "Kathimerini". Und selbst wenn die Brände gelöscht seien, sei damit die Gefahr noch nicht gebannt. Oft folgten "Überschwemmungen, Schlammlawinen und Erdrutsche, die bei starken Regenfällen katastrophal sein können, was in den letzten Jahren sehr häufig vorkam."
Vor allem auf der griechischen Insel Euböa sind in den vergangenen Tagen immer wieder Vorwürfe gegen die Regierung lautgeworden. Die Einsatzkräfte der griechischen Feuerwehr hatten sich, um Menschenleben zu retten, zunächst auf die dicht besiedelten Gebiete nördlich von Athen fokussiert. Auf der Insel brannten vor allem Wälder.
So berichtet unter anderem die "Tagesschau" über den Facebookpost des für Euböa zuständigen Gouverneurs von Mittelgriechenland, Fanis Spanos: "Das Feuer geht unvermindert weiter, es verbrennt Wälder und zerstört Häuser, es bedroht Menschenleben! Wir wollen endlich eine ernsthafte Anzahl von Löschflugzeugen, die wir seit dem ersten Tag fordern! Und mehr Löschzüge!", wird dieser übersetzt.
Die "taz" berichtet beispielsweise von einer Suppenküche in Athen und diagnostiziert einen Vertrauensverlust innerhalb der griechischen Bevölkerung gegenüber der Regierung. Außerdem berichtet sie über den Vorwurf der Gleichgültigkeit seitens der Regierung. Sie bemängelt weiterhin, dass die Feuerwehr nicht hinreichend ausgestattet sei.
Gegenüber watson machte die Griechin Demi B., die in Berlin lebt, aber ihre Familie in Athen besucht, ihrem Ärger Luft: "Ich bin momentan eher wütend als ängstlich. Wütend, weil die Regierung doch inzwischen wissen müsste, dass es zu Bränden kommen kann, wenn eine Hitzewelle in Athen herrscht", erklärte sie. Und fügte an, dass die Regierung besser vorbereitet sein müsse.
Positiver bewertet der gebürtige Nürnberger und Griechenland-Experte Jens Bastian das Handeln der Regierung. Bastian ist Ökonom und Mitglied des unabhängigen und gemeinnützigen griechischen Instituts "Hellenic Foundation for European and Foreign Policy". Von 2011 bis 2013 war er außerdem Mitglied der Task Force for Greece der Europäischen Kommission. Gegenüber watson erklärt er:
Ihm zufolge sei ein effektives Katastrophenmanagement eine enorme Herausforderung – gerade dann, wenn es an allen Ecken brenne. "Das sehen wir dieser Tage nicht nur in Griechenland, sondern auch in der Türkei, Italien, Bulgarien und mit Blick auf die Flutkatastrophe ebenso in Deutschland", zieht Bastian den Vergleich. "Die Regierung in Athen hat aus den Brandkatastrophen der vergangenen Jahre gelernt", sagt Bastian. Deshalb werde sich zuerst auf die Rettung von Menschen fokussiert. Bisher seien die Opferzahlen mit insgesamt vier Menschen (Stand Dienstag, der 10.08.2021) sehr niedrig. Gegenüber watson kritisiert Bastian:
Von Gleichgültigkeit kann aus Sicht Bastians nicht gesprochen werden. "Wir bekommen regelmäßig SMS-Warnungen zur Lage, die digitale Kommunikation und das Warnsystem funktionieren gut", erklärt er. Das sei bei der Brandkatastrophe 2018 noch anders gewesen. Damals waren in Mati, unweit von Athen, mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen.
Die heutige Regierung in Athen habe die Lage besser in Griff, als das Bündnis um Alexis Tsipras damals: "Die damalige Linksregierung des Premierministers Tsipras hatte sogar versucht, die tatsächliche Opferzahl zu unterdrücken und den Opfern eine Teilschuld an ihrem Leid gegeben", erinnert Bastian. Er findet: "Dieser Zynismus sollte nicht vergessen werden, wenn heute manche aus nah und fern allzu schnell von Gleichgültigkeit sprechen!"
Er sagt:
Die griechische Regierung hat mittlerweile erklärt, den Zivilschutz in Folge der schweren Brände im Land vollständig umorganisieren zu wollen. "Künftig wird die Prävention im Mittelpunkt stehen, nicht die Reaktion", sagte Premier Kyriakos Mitsotakis am Montagabend in einer Fernsehansprache. Der Aufbauplan – auch für die Aufforstung, die nach neusten Erkenntnissen erfolgen soll – werde direkt dem Ministerpräsidenten unterstellt.
Den schnellen Wiederaufbau verbrannter Wohnhäuser und Industriegebäude sowie die Hilfe für andere Brandschäden bei den Bürgern will Athen mit einem Sonderhaushalt von 500 Millionen Euro bewältigen. Die Hilfe für die Menschen soll unbürokratisch über eine Online-Plattform erfolgen. Der Premier bat die Bürgern um Entschuldigung für alle Schwachstellen, die die Brandbekämpfung möglicherweise aufgewiesen habe.
"Aber wir dürfen nicht planlos agieren", stellte er gleichzeitig klar. Löschflugzeuge könnten die Brände unter bestimmten schweren Bedingungen nicht anfliegen. Das Klima wolle er nicht als Entschuldigung für den Verlauf der Brände nehmen, sagte der Premier. Es sei aber sehr wohl der Grund für die schweren Brände: "Es ist offensichtlich, dass die Klimakrise an die Tür des Planeten klopft."
Ausländische Helfer aus 20 Nationen unterstützten die griechischen Kräfte bei der Brandbekämpfung (Stand Montagmorgen). Auch aus Deutschland ist Hilfe unterwegs.
Knapp 170 Katastrophenschützer aus Hessen sollen in Griechenland bei der Bekämpfung der schweren Waldbrände helfen. Nach Angaben des Wiesbadener Innenministeriums brachen sie am Montag mit ihren 35 Fahrzeugen vom fränkischen Hösbach bei Aschaffenburg in die Region Attica auf. Dort werden sie am Donnerstag erwartet. Staatssekretär Stefan Heck aus dem hessischen Innenministerium würdigte den Einsatz als Zeugnis "gelebter europäischer Solidarität".
Neben den hessischen Helfern werden aus Deutschland auch 50 Katastrophenschützer aus Bonn sowie Kräfte des Technischen Hilfswerks (THW) nach Griechenland geschickt. Griechenland hatte ein entsprechendes Hilfeleistungsersuchen gestellt.
Wie das THW am Montagabend auf Nachfrage mitteilte, seien die Helfer gerade auf der Anfahrt. Bisher sei nicht klar, mit welcher Fähre sie von Italien aus nach Griechenland übersetzen könnten.
Aber nicht nur Griechenland kämpft weiterhin gegen die Flammen. In der Türkei entspannte sich die Gesamtlage zwar, Wind fachte einen Großbrand im Südwesten des Landes im Bezirk Köycegizaber weiter an. Durch das gebirgige Gelände konnten die Einsatzkräfte den Brand schlecht vom Land aus bekämpfen. Helikopter und Löschflugzeuge waren im Einsatz. Die Gesamtlage hat sich in der Türkei aber entspannt. Die meisten Brände sind nach offiziellen Angaben unter Kontrolle.
Auch in Italien konnten laut Zivilschutzbehörde in den vergangenen Tagen immer wieder Brände gelöscht oder unter Kontrolle gebracht werden. Kritisch ist die Lage dagegen noch in Süditalien. Der Präsident des Nationalparks Aspromonte bat dort zum wiederholten Mal um Luftunterstützung für das Naturschutzgebiet in Kalabrien. Das Gebiet um das Bergmassiv Aspromonte ist wegen seiner einzigartigen Lage und Landschaft unter den Global Geoparks der UN-Kulturbehörde Unesco gelistet.
Auch in Algerien brachen mehrere Waldbrände aus. Mindestens sieben Menschen kamen dabei nach Angaben der Zivilschutzbehörde ums Leben. Häuser wurden lokalen Medien zufolge in Schutt und Asche gelegt. Insgesamt wüteten derzeit 19 Feuer in 14 Regionen im Osten und Westen des Landes.
Im Kampf gegen die verheerenden Waldbrände in Russland ist die Zahl der Einsatzkräfte verstärkt worden. In der besonders betroffenen Region Jakutien (Republik Sacha) im Osten des Landes seien 500 weiterer Helfer hinzugekommen, teilten die Behörden am Montag mit. Mehr als 4000 Menschen sind damit vor Ort, um etwa zu verhindern, dass ganze Dörfer abbrennen. Im Einsatz seien auch mehrere Löschflugzeuge. Zwar können dort immer mal wieder einzelne Feuer gelöscht werden, aber die Situation sei sehr schwierig, hieß es.
(Mit Material von dpa)