Vergangenen Freitag ging die Nachricht durch die Medien und zog einige Häme nach sich: US-Präsident Donald Trump, der die Krankheit lange heruntergespielt und nicht wirklich ernst genommen hatte, ist an Corona erkrankt. Angeblich soll er bereits am vergangenen Mittwoch positiv auf das Virus getestet worden sein.
Trump war daraufhin in das Walter-Reed-Militärkrankenhaus im US-Bundesstaat Maryland eingeliefert und stationär aufgenommen worden. Am Sonntagabend überraschte er seine Unterstützer vor der Klinik mit einem skurrilen Auftritt. Umgeben von zwei Bodyguards vom Secret Service, der für den Personenschutz des Präsidenten zuständig ist, ließ sich der infizierte US-Präsident vor der Klinik in seiner Limousine herumkutschieren. Und das zu einem Zeitpunkt, zu dem Trump immer noch infektiös sein könnte.
Danach verließ er am Montagabend US-Ostküsten-Zeit das Krankenhaus und kehrte ins Weiße Haus zurück.
Wie es dem Präsidenten wirklich geht, ist aber nach wie vor nicht wirklich bekannt. Auf Videos von Trump nach seiner Entlassung ist zu sehen, wie er offenbar Schwierigkeiten beim Atmen hat.
Sein behandelnder Leibarzt, Sean Conley, gibt nur spärliche Informationen preis – die sich teils so sehr widersprechen, dass er sie im Nachgang wieder relativieren oder einkassieren muss. Die Informationen betreffen vor allem die Behandlung des US-Präsidenten. Trumps Arzt Conley wird so selbst immer mehr zum Politikum. Viele Spekulationen ranken sich um ihn.
Wer ist der Arzt, dem der mächtigste Mann der Welt in dieser schwierigen Situation sein Leben anvertraut?
Sean Conley ist vierzig Jahre alt und stammt aus Pennsylvania. Er ist verheiratet mit Kristin Conley, die ebenfalls Ärztin ist, und hat mit ihr zwei Söhne und eine Tochter. Seit März 2018 ist Conley Donald Trumps Leibarzt. Er war zuvor mehrere Jahre bei der US-Marine tätig und hält den Rang eines Fregattenkapitäns.
Anschließend war Conley Notarzt bei der International Security Assistance Force am internationalen Flughafen im afghanischen Kandahar. Aufgrund seiner Erfahrung als Militärarzt wurde er für das Amt des Leibarztes des US-Präsidenten empfohlen, da es in den USA üblich ist, dass jemand mit Militärerfahrung die Behandlung des Staatschefs übernimmt.
Interessanterweise ist Conley kein Spezialist für eine Infektionskrankheit wie Covid-19. Genau genommen ist er noch nicht mal Arzt im Sinne der amerikanischen Bezeichnung M.D. (Medicinae Doctor). Conley machte seinen Doktor am Philadelphia College of Osteopathic Medicine und ist damit ausgebildeter Osteopath.
Osteopathie ist eine alternative Heilkunde, die aus den USA stammt und unter anderem davon ausgeht, dass Krankheiten durch die Hände ertastet und behandelt werden können. Die Methodik geht auf den US-amerikanischen Arzt Andrew Taylor Still zurück und steht in der Kritik, zumindest teilweise den modernen Naturwissenschaften zu widersprechen und unwissenschaftlich zu sein.
In den USA ist der Titel Doctor of Osteopathy (D.O.) dem medizinischen Doktor (M.D.) faktisch gleichgestellt. Trotzdem ist die Ausbildung zum Osteopathen in den USA häufig eine Möglichkeit für Studenten, die es nicht in einen Medizin-Studiengang geschafft haben, doch noch als Arzt tätig zu werden.
Nils Hennig ist deutsch-amerikanischer Arzt am New Yorker Mount-Sinai-Krankenhaus und kennt das US-Gesundheitssystem gut. Er erklärt: "Ein medizinischer Doktor (M.D.) und ein D.O. erhalten eine ähnliche medizinische Ausbildung und haben die gleichen Rechte und Pflichten in Bezug auf die Gesundheitsversorgung. Allerdings wird ein M.D.-Abschluss im Allgemeinen mehr respektiert als ein D.O", erklärt er. Für D.O.s wie Trumps Leibarzt könne es daher schwieriger sein, bestimmte Facharztausbildungsplätze zu erhalten oder außerhalb der USA zu praktizieren. "Aber ich würde seine Qualifikation deshalb nicht infrage stellen", so Hennig über Conley.
Im Gegensatz zu Sean Conley sind jedoch die behandelnden Ärzte im Walter Reed Military Medical Center, in das der Präsident vergangene Woche eingeliefert wurde, Experten für Covid-19. Laut dem New Yorker Arzt Nils Hennig ist insbesondere Dr. Brian Garibaldi eine Koryphäe:
Garibaldi ist Experte für Lungenkrankheiten und hat bereits Erfahrung in der Behandlung von Ebola-Patienten. Er machte seinen Doktor – im Gegensatz zu Conley einen medizinischen (M.D.) – an der renommierten Johns-Hopkins-Universität, die in den letzten Monaten dafür bekannt geworden ist, auf ihrer Webseite die weltweiten Corona-Fallzahlen zu dokumentieren.
Heute leitet er die Biocontainment-Einrichtung der Universitätsklinik, die speziell für hochinfektiöse Patienten gegründet wurde. Außerdem hat Garibaldi in Harvard biologische Anthropologie studiert und mit der höchsten Auszeichnung, summa cum laude, abgeschlossen.
Ob es an seiner Ausbildung liegt, ist unklar, aber Trumps Leibarzt Sean Conley ist bekannt dafür, gerne experimentelle Medizin zu testen. So hatte er Donald Trump bereits vor dessen Corona-Erkrankung im Mai dieses Jahres prophylaktisch das Malariamittel Hydroxychloroquin verabreicht, nachdem Mitarbeiter im Weißen Haus erkrankt waren.
Die Wirkung von Hydroxychloroquin gegen Covid-19 ist allerdings umstritten. Mehrere Studien zeigten keine Wirkung des Mittels gegen das Coronavirus. Stattdessen hat das Mittel starke Nebenwirkungen und kann unter anderem das Risiko von lebensgefährlichen Herzrhythmusstörungen erhöhen und die Sehfähigkeit beinträchtigen.
Wolfgang Kreischer ist Allgemeinmediziner in Berlin und hat Erfahrung mit der Behandlung von Covid-19-Patienten. Von der Behandlung mit dem Malaria-Mittel Hydroxychloroquin hält er wenig. Gegenüber watson erklärt er, das Medikament würde zwar die Symptome reduzieren, sei aber nicht wirklich wirksam gegen das Virus:
Genauso sieht es beim Antihistaminikum Fomatidin aus, mit dem Trump zusätzlich behandelt wird. Das Medikament ist eigentlich dafür gedacht, die Säurebildung im Magen zu regulieren und Magengeschwüren vorzubeugen. Es wird derzeit auf seine Wirkung gegen Corona getestet. Kreischer hält nichts von dem Mittel:
Zusätzlich hat Sean Conley noch ein weiteres seiner angeblichen Wundermittel parat: einen bisher nicht zugelassenen Antikörper-Cocktail des US-Pharmakonzerns Regeneron. Der Wirkstoff wird derzeit noch getestet, seine Wirkung ist wissenschaftlich jedoch bisher nicht nachweisbar.
Dass ausgerechnet der US-Präsident mit einem solchen experimentellen Wirkstoff behandelt wird, stößt auf einige Kritik: "Es ist schlechte Wissenschaft, schlechte Medizin und schlechte Ethik, mächtigen Leuten unerprobte Dinge zu geben, die man normalen Leuten nicht gibt", kritisierte der Medizindozent Vinay Prasad von der University of California in San Francisco.
Stutzig macht Arzt Nils Hennig, der selbst einige Corona-Patienten im New Yorker Mount Sinai Hospital behandelt hat, außerdem die frühe Entlassung des US-Präsidenten. Er findet die "recht schnelle Entlassung" während einer experimentellen Behandlung "ungewöhnlich."
Ob Conleys Therapie dafür verantwortlich ist und Wirkung zeigt, werden die kommenden Wochen erweisen.