Donald Trump warf am Donnerstag Europa vor, das Virus in die USA zu schleppen. Dabei ist das Coronavirus in den USA bereits weit verbreitet.Bild: Getty Images North America / Mark Wilson
Analyse
Karl Lauterbach ist nicht nur SPD-Politiker, sondern auch Professor für Epidemiologie, also genau der Wissenschaft, die sich mit Seuchenbekämpfung beschäftigt. Erst vergangene Woche noch war er in den USA, um Kollegen an der Uni Havard zu besuchen, wo er als Professor unter anderem lehrt. Im Podcast "Steingarts Morning Briefing" berichtet Lauterbach von seinen Erfahrungen dort und macht Donald Trump schwere Vorwürfe.
SPD-Politiker, Arzt und Professor für Epidemiologie Karl LauterbachBild: imago images / Gerhard Leber
Einreisestopps medizinisch unsinnig
Ab Samstag werden Flugreisende aus Europa nicht mehr in die USA gelassen. In Polen werden derweil Reisende an der Grenze auf Corona getestet. Diese Art Grenzkontrollen hält Lauterbach für "medizinisch unsinnig", da die Tests unzuverlässig seien und man daher nicht wirklich sagen könne, wer infiziert sei und wer nicht.
Auch Grenzschließungen und Einreisestopps hätten nur den Zweck, zu vermitteln, "man handelt, man ist stark", kritisiert Lauterbach.
Man wolle so den Eindruck erwecken, "die Europäer hätten das Virus nach Amerika gebracht. Das sind Übersprungshandlungen, die keinen medizinischen Wert haben".
"Die Amerikaner haben wahrscheinlich eine riesige Dunkelziffer von Infizierten und brauchen keine Europäer, damit die Seuche sich dort weiter ausbreitet."
Karl Lauterbach in "Steingarts Morning Briefing".
Amerikanisches Gesundheitssystem nicht vorbereitet
Auch sei das amerikanische Gesundheitsystem laut Lauterbach nicht gut vorbereitet auf das Virus. In Deutschland könne der Hausarzt Tests genehmigen und durchführen, was zu schnellen Ergebnissen und einer hohen Quote an Tests führe. In den USA sei das Testwesen anders als in Deutschland, weil es zentral durchgeführt und genehmigt wird. Dadurch würde sehr wenig getestet werden.
Viele Amerikaner seien zudem unwillig, sich testen zu lassen, da bei einer positiven Diagnose Verdienstausfall drohe, so Lauterbach. Zusätzlich kann eine Behandlung teuer werden: In den USA gibt es keine allgemeine Krankenversicherung, Corona-Patienten müssen die Behandlungskosten selbst zahlen.
"Viele haben Symptome, aber gehen nicht zum Arzt, da sie befürchten, erkrankt zu sein. Wenn man positiv getestet wird, wird man gegen seinen Willen mit einem Helikopter abgeholt und hat eine fünfstellige Rechnung an der Backe."
Karl Lauterbach in "Steingarts Morning Briefing".
Umgang mit Coronavirus könnte Trump das Amt kosten
Viele von Lauterbachs Kollegen an der Harvard University in den USA seien darüber informiert, dass die Tests in den USA unzureichend seien und würden sich Sorgen machen. Die Verantwortung für die unzureichenden Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus sieht er beim US-Präsidenten:
"Das kann Trump das Amt kosten, davon wird er auch nicht ablenken können, indem er die Europäer nicht mehr reinlässt."
Karl Lauterbach in "Steingarts Morning Briefing".
Auch Virologe Christian Drosten von der Charité ist der Meinung, dass in den USA noch eine hohe Dunkelziffer von Fällen von Corona herrsche und das Gesundheitssystem der USA unzureichend auf die Ausbreitung von mehreren Infektionsherden vorbereitet sei.
Lauterbach: Deutsches Gesundheitssystem gut vorbereitet
Darüber hinaus hat sich Lauterbach dafür ausgesprochen, Schulen und Kitas weiterhin zu betreiben, weil sonst das System zusammenbreche. Insbesondere Frauen, die sich im Zweifel immer noch oft um die Kinder zuhause kümmern müssten, würden in vielen Pflegeberufen arbeiten: "Wir können nicht alles unterbinden, aber alles, was soziale Kontakte betrifft, die nicht notwendig sind."
Insgesamt sei das deutsche Gesundheitssystem allerdings gut vorbereitet und man hätte rechtzeitig ausreichende Maßnahmen ergriffen, um die Verbreitung des Virus einzudämmen, sagt Lauterbach. Härtere Maßnahmen müsste man sich vorbehalten für den Fall, dass die Situation sich weiter verschlechtert.
Lauterbach steht selbst noch bis Sonntag unter selbst gewählter Quarantäne, da ein Mitarbeiter aus seinem Umfeld positiv auf Corona getestet wurde. Es sei zwar medizinisch nicht verordnet, aber "man kann nicht Wasser predigen und Wein konsumieren". Er könne noch nach wie vor Interviews geben, an Abstimmungen im Bundestag jedoch nicht teilnehmen, wie er im Podcast sagt.
Trumps Einreisestopp
Am Donnerstag hatte Donald Trump großspurig angekündigt, die Einreise aus Europa ab Samstag zu verbieten. Ausgenommen seien US-Bürger und Greencard-Inhaber sowie deren Familien, wie im Nachhinein richtiggestellt wurde. Auch seien Güter nicht betroffen. Diesen radikalen Schritt begründete Trump damit, dass in Europa seiner Meinung nach zu wenig Gegenmaßnahmen gegen das Coronavirus getroffen würden.
Die EU hatte die Kritik entschieden zurückgewiesen und auf die weitreichenden Quarantäne-Maßnahmen in Italien verwiesen. Abschottung sei nicht die richtige Antwort auf eine Epidemie, die sich nicht nur auf einen Kontinent beschränke, ließen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel mitteilen.
(lw)
Der Druck auf die Ampel-Regierung steigt. Es rappelt mächtig im Karton. Zunächst gab es eine ordentliche Ohrfeige für die Regierungsparteien bei den Ostwahlen. In Sachsen und Thüringen bilden sie so gut wie das Schlusslicht – bei der FDP ist das Licht so gut wie komplett aus.