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Gerhard Schröder: Bittere Konsequenzen, weil er sich nicht von Putin distanziert

Italy Eurasian Economic Forum 6683776 28.10.2021 Former German chancellor and chairman of the Rosneft board Gerhard Schroeder attends a session of the 14th Eurasian Economic Forum in Verona, Italy. Al ...
Gerhard Schröder wird momentan von vielen Seiten kritisiert. Bild: www.imago-images.de / Alexey Vitvitsky
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Gerhard Schröder: Ein Altkanzler auf der falschen Seite der Geschichte

02.03.2022, 19:1508.06.2022, 18:39
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Russland hat die Ukraine angegriffen. Oft hört und liest man in den Nachrichten jedoch die eher ungewöhnlich klingende Formulierung "Putins Krieg". Wohl, um zu verdeutlichen, dass Putin und seine Regierung für die Invasion verantwortlich zu machen sind, nicht die russische Bevölkerung.

Der richtige Moment also, um sich von einem Machthaber zu distanzieren, der mit vorgeschobenen Gründen wie der "Entnazifizierung" das Nachbarland überfällt und mit Raketen auf zivile Ziele schießt. Oder ist das nicht nötig, wenn Putin doch ein "lupenreiner Demokrat" ist, als den Gerhard Schröder ihn bereits zu mehreren Gelegenheiten in der Vergangenheit bezeichnet hat?

Öffentliche Kritik wird immer lauter

Die Kritik an dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder wegen seiner engen Kontakte nach Russland wird immer schärfer. Der Altkanzler gilt als langjähriger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Zudem ist Schröder Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Energiekonzern Rosneft und hat auch Führungspositionen bei den Pipeline-Projekten Nord Stream und Nord Stream 2 inne.

Am vergangenen Donnerstag hatte Schröder die Regierung in Moskau im Online-Netzwerk Linkedin zwar aufgefordert, den Krieg in der Ukraine schnellstmöglich zu beenden. Von persönlichen Konsequenzen war jedoch bis jetzt keine Rede. Er distanzierte sich weder von Putin noch verzichtete er auf seine Ämter für den russischen Energiekonzern Rosneft sowie die Nord Stream AG, die mehrheitlich dem russischen Staatskonzern Gazprom gehört.

Kritik von der SPD

Aus SPD-Kreisen wird nun vor allem gefordert, dass Schröder seine Tätigkeiten für russische Energiekonzerne aufgibt. Parteichefin Saskia Esken sagte dazu am Mittwoch der Sendergruppe RTL und ntv, sie habe mit Co-Parteichef Lars Klingbeil "Schröder aufgefordert, diese Mandate niederzulegen".

Unterdessen wurden auf regionaler Ebene erste Parteiordnungsverfahren gegen Schröder auf den Weg gebracht. Er habe den entsprechenden Antrag abgeschickt, schrieb der Vorsitzende des SPD-Ortsverbands Heidelberg, Tim Tugendhat, auf Twitter. Laut einem Bericht des "Spiegel" bereiten weitere SPD-Ortsverbände ebenfalls Parteiordnungsverfahren gegen Schröder vor.

Watson hat außerdem bei den Jusos angefragt, diese wollten sich zum Thema Parteiausschluss jedoch nicht äußern.

Esken ließ für die Parteispitze weitere Schritte gegen Schröder offen. "Wir haben klar gesagt, was wir von ihm erwarten, und wir werden jetzt seine Stellungnahme abwarten", sagte sie lediglich. Laut "Spiegel" schickte Co-Parteichef Lars Klingbeil erneut eine Aufforderung an Schröder, sein Engagement für russische Einrichtungen zu beenden. "Der Ball liegt bei Gerhard Schröder", sagte Klingbeil demnach am Dienstag vor der SPD-Fraktion. "Die Uhr tickt."

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Die Vize-Vorsitzende und Landesvorsitzende der SPD Schleswig-Holstein, Serpil Midytli, kritisiert Altkanzler Schröder ebenfalls scharf.Bild: imago images / P.Nowack

Parteivize Serpil Midyatli sagte der "Bild"-Zeitung: "Ich bin einfach nur enttäuscht von Gerhard Schröder. Jeder Tag des Schweigens und Festhaltens an seinen Ämtern zerstört seine Rolle in den Geschichtsbüchern weiter." Es sei eine "bittere Erkenntnis", dass andere Menschen in Bezug auf die Ukraine und Russland "mehr Rückgrat und Haltung" zeigten als ein Ex-Bundeskanzler der SPD.

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Schröder empfängt Putin 2005 in Deutschland.Bild: www.imago-images.de / imago stock&people

Lauterbach distanzierte sich bereits kurz vor Kriegsbeginn

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat sich angesichts des Konflikts um die Ukraine deutlich vom Agieren von Altkanzler Gerhard Schröder distanziert. "Es ist ganz klar, dass das, was er tut, mir nicht einfiele", sagte der SPD-Politiker in einer Gesprächsrunde der Wochenzeitung "Die Zeit". Es sei etwas, "wo ich im Traum nicht daran denke, dass ich mit einem Oligarchen und einem – ja, wenn man so will – Diktator, der die halbe Welt in Atem hält, dass ich mit ihm fette Geschäfte machen würde", sagte Lauterbach mit Blick auf Schröders Verhältnis zu Russlands Präsident Wladimir Putin.

Ehrenmitgliedschaft entzogen

27.05.2017, Fussball GER, DFB Pokal, Finale, Eintracht Frankfurt - Borussia Dortmund 1-2, v.li., Bundespraesident Frank Walter Steinmeier, SPD Politiker Martin Schulz und Ex Bundeskanzler Gerhard Schr ...
Gerhard Schröder mit seinen Parteigenossen Frank-Walter Steinmeier und Martin Schulz bei einem BVB-Spiel.Bild: imago sportfotodienst / Team 2

Borussia Dortmund hat Altkanzler Gerhard Schröder mit sofortiger Wirkung die Ehrenmitgliedschaft entzogen. Damit reagierte der Fußball-Bundesligist auf die bislang fehlende Bereitschaft des 77-Jährigen, als Folge der russischen Invasion in die Ukraine seine Führungspositionen bei staatlichen russischen Energiekonzernen niederzulegen. "Über einen entsprechenden und einstimmig getroffenen Präsidiumsbeschluss unterrichtete Vereinspräsident Dr. Reinhard Rauball den Bundeskanzler a.D. am heutigen Vormittag in einem persönlichen Gespräch", teilte der BVB am Mittwoch mit.

Bald auch kein Ehrendoktortitel mehr?

Die Universität Göttingen beschäftigt sich mit der Frage, wie sie vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine mit dem Ehrendoktortitel von Altkanzler Gerhard Schröder umgehen soll. "Dieser Prozess ist aber noch nicht abgeschlossen", teilte die Universität am Mittwoch mit. Das Nachrichtenportal "The Pioneer" hatte zuvor berichtet, die Uni prüfe am Mittwoch den Entzug der Ehrendoktorwürde des SPD-Politikers. Schröder hatte in Göttingen Jura studiert.

Büromitarbeiter kündigen

Gerhard Schröder verliert nach Medieninformationen seinen langjährigen Büroleiter und Redenschreiber Albrecht Funk. Nach mehr als 20 Jahren kehre Funk seinem Chef den Rücken, berichteten das Nachrichtenportal "The Pioneer" und die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" am Dienstag. Auch drei weitere Mitarbeiter des SPD-Politikers gäben ihren Posten auf. Von Schröder und seinem Büro war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

Mit dem Abschied der vier Mitarbeiter wäre das Büro des Altkanzlers verwaist. Angeblich habe es Differenzen zwischen Funk und Schröder wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine gegeben, heißt es in dem "Pioneer"-Bericht. So solle Funk seinem Chef eine schnelle und klare Distanzierung von Kremlchef Wladimir Putin sowie einen Rücktritt von allen Aufsichtsratsmandaten in russischen Unternehmen empfohlen haben. Von solchen Schritten oder Überlegungen Schröders ist bisher nichts bekannt.

Kollegen wenden sich von ihm ab

Zuletzt verlor Gerhard Schröder nun auch seinen Podcast-Partner: Ex-Regierungssprecher Béla Anda rückt von Schröder ab und beendet somit "Die Agenda" mit sofortiger Wirkung. Seit Mai 2020 produzierten die beiden ehemaligen Kollegen wöchentlich eine halbstündige Podcast-Folge. Zuletzt erreichte das Format bis zu 360.000 Abonnenten und konnte über eine Million Downloads verzeichnen. In "Die Agenda" sprachen Schröder und Anda über "Aktuelles und Vergangenes, über sein heutiges Leben, seine Erfahrungen und Ansichten", heißt es in der Beschreibung.

Am Mittwoch äußerte sich Schröders Ehefrau, So-yeon Schröder-Kim, mit ähnlichen Worten wie ihr Mann in der vergangenen Woche. Wann, wie und ob sich Gerhard Schröder von Putin distanziert oder seine Ämter bei Rosneft niederlegt, bleibt weiterhin fraglich.

(mit Material von dpa und afp)

Nordkorea überflutet Russland mit billiger Munition im Ukraine-Krieg

Russlands Angriffskrieg in der Ukraine war nie eine reine Angelegenheit zwischen zwei Ländern. Schon von Anfang an waren im Westen die Nato-Alliierten als Waffenlieferanten und Finanziers involviert. Dasselbe gilt für die Freunde Putins. Ohne Supermacht China sowie Paria-Staaten wie der Iran wäre die Invasion kaum denkbar.

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