2016 gewann Trump in Texas noch mit neun Prozentpunkten Vorsprung. Dieses Mal könnte es anders aussehen.Bild: Getty Images North America / Joe Raedle
Analyse
Republikaner-Bastion in Gefahr: Darum könnte Texas bald den Demokraten gehören
Migranten und Berufseinsteiger verändern die gesellschaftliche Zusammensetzung des wichtigen Republikaner-Staates. Das könnte Donald Trump zum Verhängnis werden.
Ein bisschen ist Texas für die USA, was Bayern für Deutschland ist: Ein Staat ganz im Süden des Landes, eine überladen mit Klischees, die die ganze Welt kennt – und seit Jahrzehnten eine konservative Hochburg. Texas, das ist ein Staat, in dem die Erdölindustrie lange dominant war und in dem die Idee strengerer Waffengesetze für die Mehrheit der Menschen als eine Art Gotteslästerung gelten. In Texas hat seit 1980 der republikanische Präsidentschaftskandidat immer die Mehrheit der Stimmen bekommen – und damit alle Wahlmännerstimmen im Electoral College. 2016 gewann Donald Trump in Texas mit 52,2 Prozent zu 43,2 gegen Hillary Clinton.
Diesmal aber könnte es eng werden. Texas könnte erstmals seit Jahrzehnten kippen, von den Republikanern zu den Demokraten. Das hätte enormen Einfluss auf das Wahlergebnis: 38 der 538 Wahlmännerstimmen werden in Texas vergeben. Es ist – hinter Kalifornien mit 55 Stimmen – der Staat mit der zweitgrößten Stimmenzahl.
Bild: www.imago-images.de / tampa bay times
Texas ist außerdem der am schnellsten wachsende Bundesstaat der USA, die Struktur der Bevölkerung ändert sich. Was das politisch bedeutet, fasst Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln, gegenüber watson so zusammen:
"So, wie Kalifornien in den letzten Jahren immer demokratisch wählte, wählte Texas immer republikanisch. Der letzte demokratische Präsidentschaftsbewerber, der Texas gewann, war Jimmy Carter 1976. Mitt Romney schlug Barack Obama 2012 noch mit über 15 Prozent Vorsprung, bei Donald Trump waren es gegenüber Hillary Clinton neun Prozent. George W. Bush, in Texas zu Hause, war immer über 20 Prozent vorne. Aber die sichere republikanische Bank Texas steht nicht mehr so sicher."
Thomas Jäger, USA-Experte
In Zahlen bedeutet das: Das auf Wahlprognosen spezialisierte journalistische Onlineportal FiveThirtyEight räumt Biden immerhin eine 38-prozentige Wahrscheinlichkeit ein, in Texas zu gewinnen. Trump sei nur "leichter Favorit". Im Vergleich zu Ende August haben sich die Chancen für Biden laut FiveThirtyEight um 16 Prozent erhöht.
Warum ist das jahrzehntelang so konservative Texas bei dieser Präsidentschaftswahl ein Wackelkandidat?
USA-Experte Thomas Jäger erklärt den Wandel so:
"Das liegt daran, dass sich die Zusammensetzung der Bevölkerung geändert hat. Erstens nimmt der Urbanisierungsgrad in Texas konstant zu. Inzwischen leben 85 Prozent der Texaner in Städten und nur 15 Prozent auf dem Land. Wer in der Stadt lebt, wählt eher demokratisch. Zweitens kommen immer mehr junge Menschen nach Texas, Austin ist das beste Beispiel dafür. Und junge Amerikaner wählen eher demokratisch. Und drittens nimmt die Zahl der Amerikaner mit hispanischen Wurzeln zu. Zumindest die Frauen wählen überwiegend demokratisch."
In den kommenden Jahren werden diese Veränderungen aller Voraussicht weitergehen – wodurch die politische Unterstützung für die Demokraten vermutlich weiter steigt und die für die Republikaner weiter sinkt. Und das könnte die politische Landschaft in den USA weiter verändern:
Zum einen könnte die republikanische Hochburg Texas bei den Präsidentschaftswahlen 2024 und 2028 zu einem echten "Battleground State" werden – also einem zwischen Demokraten und Republikaner umkämpften Bundesstaat.
Zum anderen könnte Texas in absehbarer Zeit sogar eine Hochburg der Demokraten werden – so wie heute Kalifornien und New York. Und das könnte wiederum bedeuten, dass das Electoral College – das in zwei der fünf vergangenen Wahlen den Republikanern zum Sieg verholfen – den Demokraten helfen wird.
US-Experte Thomas Jäger glaubt, dass das Ergebnis von Texas heftige Auswirkungen auf die Republikaner haben kann.
"Schon nach der Niederlage von Mitt Romney bei der US-Präsidentschaftswahl 2012 diskutierten die Republikaner intensiv, dass sie sich anderen Bevölkerungsgruppen stärker öffnen müssten. Donald Trump hat diese Diskussion durch seinen Erfolg 2016 erstickt. Verliert er Texas, wird sie schlagartig wieder geführt werden. Falls er gewinnt, bleiben vier Jahre, sich auf die neue demographische Lage einzustellen."
Insofern ist das Wahlergebnis in Texas am 3. November auch eine Richtungsentscheidung für die Republikaner und ihre Politik in den kommenden Jahrzehnten.
Über den Experten
Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. In seinem Essay "Das Ende des amerikanischen Zeitalters" schreibt Jäger darüber, was Donald Trumps Außenpolitik nach dem Motto "America First" für Deutschland bedeutet.
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