Als US-Soldaten Osama bin Laden 2011 erschossen, atmete die Welt auf. War er doch Anführer der Terrororganisation Al-Qaida und mitunter für die Anschläge auf das World Trade Center verantwortlich. Einen Gerichtsprozess brauchte es da nicht – dafür reichte der Tötungsbefehl des Präsidenten.
Die Tötung des iranischen Generalmajors Qasem Soleimani versetzte die Welt hingegen in Aufruhr. So wird derzeit international debattiert, inwiefern der US-amerikanische Luftschlag auf Soleimani rechtlich zulässig war. Denn der Fall ist in vielerlei Hinsicht knifflig.
Anders als Obama im Fall Osama bin Laden, sprach Trump zuvor nicht mit dem US-Kongress über sein Vorhaben. Problematisch, denn dieser hat laut amerikanischer Verfassung ein Mitspracherecht bei Fragen über Krieg und Frieden. Entsprechend warf ihm die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, vor, das Parlament missachtet zu haben.
Dass der Angriff gegen US-Recht verstößt, ist dennoch umstritten. So schrieb die Völkerrechtlerin Oona Hathaway im US-Magazin The Atlantic, dass Trump klar eine Grenze überschritten hat. Der frühere Berater von George W. Bush, Jack Goldsmith, sagte hingegen, dass bei amerikanischen Sicherheitsfragen letztlich eine Person entscheide: der Präsident.
Unabhängig davon, ob es ein Gespräch mit dem Kongress gab oder nicht, besteht die Frage, wann ein Staat das Recht hat, jemanden ohne Gerichts-Prozess zu töten. Hierbei ist es entscheidend, dass sich die USA weder mit dem Iran, für dessen Regierung Soleimani arbeitete, noch mit dem Irak, wo er letztlich starb, im Krieg befinden. Experten bezeichnen das als außergerichtliche Tötung in Friedenszeiten. Und dafür gibt es strenge Regeln.
So heißt es in einer Studie der Vereinten Nationen, dass ein Staat in Friedenszeiten nur dann töten darf, wenn dadurch andere Menschen geschützt werden. Außerdem müsse der Angreifer nachweisen, dass die Zielperson nicht gefangen genommen oder handlungsunfähig gemacht werden kann.
In einer Stellungnahme begründete das US-Verteidigungsministerium die Tötung Soleimanis damit, dass dieser eine Gefahr für amerikanische Diplomaten darstellte. So soll er unter anderem geplant haben, diese anzugreifen. Entsprechend sprach das Verteidigungsministerium von präventiver Selbstverteidigung. Belege dafür gibt es nicht.
Zudem ist die Bezeichnung "präventive Selbstverteidigung" völkerrechtlich umstritten. Dennoch gibt es bestimmte Bedingungen, an die eine außergerichtliche Tötung zwecks Selbstschutzes gekoppelt ist.
"Ein Staat darf nur dann zur Selbstverteidigung jemanden töten, wenn von dieser Person eine unmittelbare Gefahr ausgeht und keine Zeit für weitere Überlegungen sowie andere Mittel, wie eine Festnahme bleibt", erklärt der Politologe Wolfgang Heinz im Gespräch mit watson. Heinz beschäftigt sich seit Jahren mit außergerichtlichen Tötungen.
Erstmals gestellt wurden diese Bedingungen 1837, als britische Soldaten einen Dampfer mit Aufständischen auf der amerikanischen Seite der Niagara-Fälle versenkte. Die US-Regierung akzeptierte das, obwohl es in ihrem Territorium geschah. Entsprechend formulierte sie Regeln, die sie nach dem versenkten Dampfer benannten: die Caroline-Kriterien. Bis heute sind sie völkerrechtlich anerkannt.
Einsätze auf fremden Territorien müssen vorher mit dem jeweiligen Staat abgesprochen werden – auch jene, die sich gegen einen Dritten richten. So stimmte etwa die syrische Regierung zu, den IS-Anführer Abu Bakr al Bagdhadi auf syrischem Boden töten zu lassen. Bei Soleimani sah das anders aus.
Dafür gab die irakische Regierung kein Einverständnis – zumindest ist es nicht öffentlich bekannt. Iraks Ministerpräsident Adel Abdul Mahdi sprach entsprechend von einer Verletzung der irakischen Souveränität.
Im UN-Vertrag heißt es unter anderem, dass alle Mitglieder auf die Anwendung von Gewalt verzichten müssen, wenn diese die politische Unabhängigkeit sowie die territoriale Unversehrtheit eines Staates gefährdet.
Bisher ist nicht belegt, dass Soleimani eine akute Gefahr für US-Diplomaten darstellte. Dass er mitverantwortlich für mehrere Konflikte im Nahen Osten war, ist hingegen unbestritten.
Soleimani war Befehlshaber der Quds-Brigaden, einer Einheit, die unter anderem im Irak, Syrien und Libanon aktiv ist und die Vernichtung Israels zum Ziel hat. Außerdem war er unter anderem dafür verantwortlich, dass viele Demonstranten, die sich für einen demokratischen Umbruch in Damaskus, Aleppo und Homs einsetzten, verschleppt, gefoltert und ermordet wurden. Auch half er dabei, oppositionelle Gebiete wie Ostaleppo zu belagern. Dabei starben ebenfalls viele Menschen.
Für die Beantwortung der Frage aber, inwiefern der US-amerikanische Luftschlag auf Soleimani rechtlich zulässig war, ist das weniger entscheidend. Entscheidend ist, dass ein hochrangiger Politiker und Soldat vorsätzlich getötet wurde, ohne dass Krieg herrschte – weder mit dem Iran noch mit dem Irak. Trump müsste also Beweise vorlegen, die bestätigen, dass von Soleimani eine Gefahr für US-Bürger ausging. Andernfalls könnten ihn Konsequenzen erwarten. Wie diese aussehen, ist allerdings unklar.