Nach dem Parteitag: Hinter dem künftigen CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz (vorne r.) und dem künftigen CDU-Generalsekretär Mario Czaja stehen die künftigen stellvertretenden Vorsitzenden (v.l.n.r) Carsten Linnemann, Michael Kretschmer, Silvia Breher, Andreas Jung und Karin Prien.Bild: dpa / Michael Kappeler
Analyse
Bei der Bundestagswahl 2021 streicht die CDU ein historisch schlechtes Ergebnis ein. Doch man ist optimistisch. Hinfallen, aufstehen, Krone richten – so könnte man den Plan der Union in Kürze zusammenfassen. Was hat das alles mit Apps auf iPads zu tun? Eine Analyse.
22.01.2022, 17:5224.01.2022, 10:18
"Die Mitgliederbefragung hat Parteiführung und Basis versöhnt." So fasst der Vorsitzende der Jungen Union (JU), Tilman Kuban, gegenüber watson die Wahl Friedrich Merz' zum CDU-Parteivorsitzenden zusammen. Die JU habe lange für solche eine Versöhnung gekämpft.
Friedrich Merz begeistere die Partei und habe gezeigt, dass in Zukunft mit der Union zu rechnen sein werde, sagte Kuban weiter. Man will moderner werden: jünger, bunter, weiblicher, digitaler.
Merz erklärt Laschet sein Abschiedsgeschenk.Bild: dpa / Michael Kappeler
Ein solches "modernes" Zeichen will der neue Vorsitzende Merz auch mit den Geschenken für die ehemalige Parteispitze – Ex-CDU-Chef Armin Laschet und Ex-Generalsekretär Paul Ziemiak – setzen. Die beiden bekommen iPads zum Abschied geschenkt, darauf installiert sind schon einige Apps, die Merz gern mit einem Augenzwinkern vorstellt.
Twitter macht sich darüber lustig, auch Laschet lacht und Ziemiak freut sich in sozialen Medien über die App der Kindersendung "Paw Patrol".
Grund genug, sich einmal anzusehen, wie die man die Apps interpretieren könnte – stehen sie wirklich für eine erneuerte CDU? Sechs Lehren aus dem Parteitag.
1. Angry Birds: Spitzen, Forderungen, Kampfgeist
null / imago stock&people
Die CDU hat die Wahl 2021 verloren. Sie ist jetzt in der Opposition und nimmt diese Rolle sofort mit Herzblut ein. Ein Vergleich zu dem Spiel "Angry Birds" zu ziehen, passt also absolut ins Bild.
Auf Paul Ziemiaks neuem iPad ist die Spiele-App links oben installiert und sticht damit quasi direkt ins Auge. Wie angry, also sauer, die CDU ist, zeigen die Redner und Rednerinnen geschlossen in ihren Beiträgen auf dem Parteitag: Man hört Spitzen gegen und Forderungen an die Ampel-Regierung und zeigt Kampfgeist innerhalb der Union.
Dem SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz müsse jetzt genau auf die Finger geschaut werden. "Herr Scholz, Sie haben gesagt: 'Wer bei mir Führung bestellt, bekommt auch Führung.'", sagt Merz bei seiner Bewerbungsrede um den Vorsitz.
Und Merz holt aus:
"Unsere Frage ist: Welche Führung meinen Sie denn? Sie wollen eine allgemeine Impfpflicht und weigern sich, dem Deutschen Bundestag einen Regierungsentwurf ihrer Regierung vorzulegen. In Deutschland liegen die Inflationsrate und die Energiepreise so hoch wie seit Jahrzehnten nicht. Die Menschen haben Angst um ihre Ersparnisse, um ihre Renten, um ihre Einkommen. Sie bekommen von ihnen keine Antwort. Sie geben eine erste Regierungserklärung im Deutschen Bundestag ab. Fast anderthalb Stunden. In dieser Regierungserklärung kommen die Worte Bündnisverteidigung. Landesverteidigung, ja kommt das Wort Bundeswehr nicht vor."
Dass Scholz bisher weder in Washington noch in Moskau zu Besuch war, prangert Merz an – vor allem im Hinblick auf die sich immer weiter zuspitzende Lage an der russischen Grenze zur Ukraine, wo Russlands Präsident Wladimir Putin immer mehr russische Soldaten stationiert. "Alle Ihre Vorgänger, Herr Bundeskanzler – spätestens von Helmut Schmidt angefangen –, hätten in dieser Lage Führung gezeigt. Sie hätten Initiativen ergriffen, sie wären mit den internationalen Partnern im täglichen Gespräch und Austausch.
Auch in Grußworten und Gastreden, etwa von der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, oder dem (noch) CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus, sind Spitzen gegen die Ampelparteien zu hören.
Den Kampfgeist versprühen sowohl der Ex-Chef Armin Laschet, als auch Paul Ziemiak, Friedrich Merz, Mario Czaja und quasi alle anderen Sprecherinnen und Sprecher: Man wolle bei den drei Landtagswahlen in diesem Jahr (Saarland, Schleswig‑Holstein und Nordrhein-Westfalen) in die Regierung gewählt werden. Man werde sich die Mehrheit bei der Bundestagswahl 2025 zurückholen, man werde gemeinsam wieder aufstehen.
Der scheidende CDU-Vorsitzende Armin Laschet hat die verlorene Bundestagswahl im vergangenen Jahr als bleibende Belastung für seine Partei beschrieben. "Es ist eine offene Wunde, noch immer", sagte er am Samstag auf dem digitalen Parteitag zur Wahl eines neuen Bundesvorstands. "Und die Narbe wird bleiben."
Vor allem die SPD, sagte Laschet weiter, wolle die Union so darstellen, als sei sie am Boden. Aber: "Vertut Euch nicht", sagte Laschet. "Zieht euch warm an, die CDU kommt wieder."
2. StepsApp: Wieder in Bewegung kommen und nach vorn gehen
Bild: dpa / Michael Kappeler
Womit wir bei der nächsten App wären, die den Aufbruch der CDU symbolisieren könnte: Die StepsApp – also ein Schrittzähler. Merz hatte diese App auf Laschets iPad installieren lassen und der scheidende CDU-Chef muss tatsächlich selbst darüber lachen. Merz' Tenor: Bewegung ist im vergangenen Jahr zu kurz gekommen.
Tatsächlich ist Bewegung in den vergangenen Jahren (also Plural) zu kurz gekommen. Die Union tat sich schwer damit, jünger, weiblicher und diverser zu werden. Die Abschaffung des Transsexuellengesetzes oder des Werbeverbots für Abtreibungen hatte sie blockiert. Die Bekämpfung rechtsextremer Gruppierungen wurde offenbar in Teilen sogar aktiv blockiert, wie die "Süddeutsche Zeitung" in einer investigativen Recherche herausfand.
Neben mehreren Skandalen um Maskendeals und dubiosen Beratertätigkeiten einiger CDU-Mitglieder, hat ein solcher Stillstand sicherlich massiv zur Wahlniederlage beigetragen.
Jetzt soll es aber nach vorn gehen.
Das verspricht der neue Vorsitzende Merz zumindest. Die CDU soll erneuert werden – mit einem neuen Grundsatzprogramm, einer Frauenquote für den Vorstand, der aktiveren Beteiligung der Jungen Union.
3. FC Bayern und BVB: Zeichen stehen auf Versöhnung
Symbol für Rivalität: Nicht nur im Zweikampf zeigt sich im deutschen Fußball die Gegnerschaft der Vereine FC Bayern München und Borussia Dortmund.Bild: dpa / Bernd Thissen
Egal, ob man Fußball-Fan ist oder nicht: Jeder Mensch weiß um die Rivalität der beiden Fußballclubs FC Bayern München und Borussia Dortmund. Die beiden Vereins-Apps sind auf den iPads der scheidenden Spitzenpolitiker Laschet und Ziemiak allerdings vorinstalliert (Laschet – FC Bayern, Ziemiak – BVB).
Dass Bayern im politischen Berlin eine besondere Rolle spielt, ist in Deutschland allseits bekannt: Schließlich gibt es keine bayerische CDU, sondern die selbstständige Schwesterpartei CSU. Mit deren Vorsitzendem Markus Söder gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Streitigkeiten und Zank. Söder hatte sich sogar zu Beginn des Jahres 2021 um die Kanzlerkandidatur beworben und war damit direkter politischer Gegner von Armin Laschet.
Dass er nicht gewählt wurde, muss den bayerischen Ministerpräsidenten so frustriert haben, dass er sich selbst mitten im Wahlkampf immer wieder über den Kanzlerkandidaten Laschet lustig machte, Forderungen stellte und heftigste Kritik übte.
Auch diese Uneinigkeit könnte zum Misserfolg der Union bei der Bundestagswahl beigetragen haben.
Jetzt stehen die Zeichen aber auf Versöhnung. Man strahlt Einigkeit aus, will eng zusammenarbeiten, die Schwestern wieder als Teile einer Familie behandeln. Das zeigt auch Söder in seinem Grußwort beim Bundesparteitag der CDU.
Söder kündigt also einen Neuanfang in den Beziehungen mit der CDU an. Er will "ein neues Kapitel aufschlagen und gut zusammenarbeiten". Die Union sei "immer dann am stärksten", wenn die Zusammenarbeit gut laufe. 2021 seien Fehler gemacht worden "und es gab Verletzungen", sagte Söder. Das gelte für CDU wie CSU gleichermaßen. Diese Verletzungen "müssen auch heilen, um wieder erfolgreich zu sein".
Ein bisschen Neid um Merz' Wahlergebnis zum Vorsitz kann Söder allerdings nicht verstecken: "Das ist ein dickes Pfund. Das hätte ich gerne selber mal gehabt."
4. Paw Patrol: Fokus auf Sicherheit
Bild: imago images / JOHN ANGELILLO
Für Paul Ziemiak und seine zwei Kinder hat der neue CDU-Chef Merz die App der Zeichentrickserie "Paw Patrol" installieren lassen.
Die "Paw Patrol", also die Pfoten-Partouille, besteht aus sechs Hunden, die den Menschen und Tieren bei ihren Problemen helfen, ihnen Sicherheit geben.
Sicherheit ist ein Stichwort, das Friedrich Merz in seiner Antrittsrede immer wieder fallen lässt.
"Wie gestalten wir äußere und innere Sicherheit in Zeiten zunehmender Bedrohung?", fragt Merz.
Hatte am Samstag gut lachen: Der künftige CDU-Chef Friedrich Merz, der vom Parteitag mit großer Mehrheit gewählt wurde.Bild: imago images / Chris Emil Janssen
Die innere Sicherheit sei in Deutschland zunehmend durch politischen Extremismus gefährdet. "Die zunehmende Radikalisierung eines Teils der deutschen Gesellschaft ist eine große Herausforderung für alle Demokraten in unserem Land", sagt Merz. "Uns besorgt insbesondere die massive Radikalisierung rechts außen. Von dort verläuft eine direkte Linie bis hin zum Mord an Walter Lübcke." Die CDU stehe gegen jede Form des politischen Radikalismus. "Wir stehen auf der Seite der wehrhaften Demokratie. Wir stehen hinter unserer Polizei und gegen jede Form des politischen Radikalismus, egal ob er von rechts oder von links."
Die Sicherheit Europas sei durch die Truppenbewegungen an der ukrainischen Grenze zu Russland stark gefährdet. Merz erwartet jetzt von der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP Stärke und Handlungsbereitschaft.
5. Candy Crush: Gruppen zusammenbringen – Politik findet nicht nur in Berlin statt
Bild: xim.gs / xim.gs
Bei dem Spiel "Candy Crush" geht es darum Steine miteinander zu verbinden, um Punkte zu sammeln. Zusammen, nicht allein: Das passt auch gut zum Motto des CDU-Parteitags 2022: "Starke Basis. Klarer Kurs."
Die CDU will ihre die Basis wieder mit der parlamentarischen Arbeit verbinden, will Stadt und Land bedienen, für Akademikerinnen und Arbeiter Politik machen. Das zeigt sich allein dadurch, dass die Partei das erste Mal in ihrer Geschichte eine Mitgliederbefragung zur Wahl des neuen Vorsitzenden veranstaltet hatte.
"Wir haben fast 400.000 Mitglieder", sagt Merz beim Parteitag. "Davon haben sich über 250.000 an der Abstimmung über einen neuen Parteivorsitzenden beteiligt."
Der neu gewählte Vorstand der CDU
Vorsitzender:
Friedrich Merz
Generalsekretär:
Mario Czaja
Stellvertretende Vorsitzende:
Silvia Breher, Andreas Jung, Michael Kretschmer, Carsten Linnemann
Karin Prien
Schatzmeisterin:
Julia Klöckner
Präsidium:
Bernd Althusmann, Ines Claus
Reiner Haseloff, Ronja Kemmer
Karl-Josef Laumann, Ina Scharrenbach, Jens Spahn
Mitgliederbeauftragter:
Hennig Otte
Beisitzer:
Joe Chialo, Otto Wulff, Thomas Kufen, Jessica Heller, Laura Hopmann, Mechthild Heil, Wiebke Winter, Birte Glißmann, Stefan Heck, Elke Hannack, Marc Speicher, Steffen Bilger,
Hermman Gröhe, Peter Beuth,
Serap Güler, Lucia Puttrich,
Thomas Jarzombek, Johannes Steiniger, Jan Redmann, Sven Schulze
Bastian Schneider, Mike Mohring
Ruth Baumann, Franziska Hoppermann, Barbara Havliza,Thomas Bareiß
6. Bundestags-App: Es könnte bunter sein
Bild: dpa / Michael Kappeler
Die Farben der Bundestags-App: Schwarz und Weiß. Doch Friedrich Merz will die CDU bunter machen. Er will Unterschiede an der Parteispitze. Vielfalt, Farbe. "Lieber Paul, wir beide haben darüber gesprochen. Wir beide sind uns einfach zu ähnlich", sagt der neue Bundesvorsitzende der CDU mit Blick auf die Neuwahl seines Generalsekretärs Mario Czaja – und der damit verbundenen Abwahl Paul Ziemiaks. "An der Spitze der Partei muss es ein bisschen Unterschiede geben."
Besonders bunt ist die Spitze der Partei allerdings dennoch nicht. 42 Mitglieder sind im Bundesvorstand der CDU vertreten, 17 davon sind Frauen, sechs Ostdeutsche, zwei Menschen sind unter 30, fünf zwischen 30 unter 40. Mit Serap Güler und Joe Chialo sind nur zwei People of Color vertreten.
Ja, die CDU hat sich zwar eine Frauenquote auf die Fahne geschrieben: Das ist ein großer Schritt für die konservative Partei. Auch das sollte anerkannt werden. Eine Frauenquote in der konservativen Volkspartei – das hat Vorbildcharakter.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es bisher keine Partei im Deutschen Bundestag geschafft hat, die deutsche Gesellschaft adäquat abzubilden. Das Parlament, und damit natürlich auch die Parteien, hat ein Diversitätsproblem, das die CDU im Jahr 2022 angehen will.
Noch klappt es nicht ganz.