Geht es um den CO₂-Fußabdruck, denken wohl die wenigsten über die Ökobilanz von Drogen nach.Bild: Getty Images/iStockphoto / Deagreez
Analyse
Die Weltbevölkerung lebt über ihre Verhältnisse. Bereits Ende Juli haben wir den Erdüberlastungstag erreicht. Gerade der Sommer 2023 hat gezeigt, was Klimakrise wirklich bedeutet. Zahlreiche Naturkatastrophen haben nahezu alle Winkel der Erde ereilt. Gedanken über klimaschädliche Emissionen kreisen oftmals um den Verkehrssektor, große Industrieanlagen und globale Lieferketten. Seltener im Fokus: Die oft illegale Seite des globalen Marktes. Drogen.
Denn illegale Suchtmittel haben massive Auswirkungen auf das Ökosystem. Und die Lösung für dieses Problem, meint Angela Me in einer Pressekonferenz auf watson-Nachfrage, ist äußerst kompliziert. Me leitet die Forschungsabteilung der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung. Denn auch wenn Kartelle entmachtet würden, blieben Suchtmittel in ihrer Herstellung umweltschädlich.
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Kokain statt Regenwald: Droge hat extreme Auswirkungen auf Biodiversität
Gerade der Amazonas, etwa in Kolumbien, aber auch viele weitere Naturgebiete weltweit leiden unter dem Anbau von Pflanzen, die zur Herstellung von Betäubungsmitteln genutzt werden. Beispielsweise Kokabüsche, aus deren Blätter Kokain gewonnen wird.
Irgendwie muss die Droge weltweit verteilt werden: Hier schwimmen Pakete voll Kokain im italienischen Mittelmeer.Bild: Guardia di Finanza
Diese finden sich vorrangig im Amazonas und in den Anden. Für die entsprechenden Regionen bedeutet das: Regenwald wird abgeholzt, um Drogenplantagen hochzuziehen. Expert:innen gehen davon aus, dass ein Viertel des in Kolumbien jährlich gerodeten Regenwaldes Koka-Plantagen zum Opfer fällt. Seit 2014 soll sich die Koka-Anbaufläche mehr als verfünffacht haben. 2020 war sie laut Angaben von "Quarks" etwa 200.000 Hektar groß. Also mehr als doppelt so groß wie Berlin.
Die Herstellung von Kokain belastet Tiere und Umwelt zusätzlich, denn dafür werden die Blätter nach der Ernte teils direkt im Regenwald weiterverarbeitet. Und zwar, indem sie unter anderem mit Benzin, Schwefelsäure, Kaliumpermanganat, Natriumhydroxid und Aceton bearbeitet werden. Da die Herstellung von Kokain illegal ist, gibt es keine Entsorgungsstandards. In den meisten Fällen landen die Chemikalien also einfach in der Natur – und gefährden dadurch die Biodiversität im Dschungel.
Der Transport kommt zu all der Umweltbelastung noch dazu. Denn irgendwie muss das Kokain aus Südamerika in den Rest der Welt verteilt werden.
Mohnfelder in der Wüste
Ähnlich problematisch ist der Anbau von Schlafmohn, beispielsweise auf großen Plantagen in der Wüste von Afghanistan, aber auch in Myanmar und Mexiko. Aus Mohn wird das Opioid Heroin hergestellt. In den vergangenen Jahren ist Afghanistan zum Weltlieferanten geworden, zwischenzeitlich sollen 84 Prozent des weltweit konsumierten Opiats aus dem Land am Hindukusch gekommen sein.
Seit der Machtübernahme der Taliban allerdings ist die Produktion dort wohl rückläufig. Trotzdem: Blumenwiesen in der Wüste fordern viel von der Umwelt. Möglich wurde der Anbau durch mehr als 500.000 solarbetriebene Wasserpumpen, die dafür sorgen, dass die Wüste grün wird, schreibt die "Deutsche Welle" in einem Artikel.
Jahrelang wurden in der afghanischen Wüste Mohnfelder kultiviert.Bild: imago images stock&people / robertharding
Der Sozio-Ökonom David Mansfield kam in einem Bericht zu dem Schluss, dass seit der Inbetriebnahme dieser Brunnen der Grundwasserspiegel vor Ort jährlich drei Meter sinkt. Mittlerweile seien die Brunnen bis zu 130 Meter tief. Mansfield beschreibt die Lage vor Ort in seinem Bericht aus 2020 so:
"Jedes Jahr kommen mehr Menschen in die Wüste und installieren tiefe Brunnen. Es wird sehr bald zu einem Punkt kommen, an dem Landwirtschaft nicht mehr möglich sein wird."
Die eingesetzten Pestizide gelangten wohl ebenfalls ins Grundwasser. Im schlimmsten Fall kann eine solch erhöhter Nitratwert im Wasser dafür sorgen, dass Babys mit tödlichen Herzfehlern geboren werden. Ein weiteres Problem: Das Wasser könnte ganz ausgehen.
Die Taliban hat den Heroinanbau im Land mittlerweile verboten, stattdessen sollen Landwirte Weizen anbauen. Aktuell sieht es laut der BBC so aus, als würden sich viele afghanische Bauern daran halten. Um rund 80 Prozent könnte der Anbau 2023 im Vergleich zum Vorjahr zurückgehen.
Die Taliban haben nun die Opiumproduktion verboten.Bild: AP / Rahmat Gul
Das Problem der umweltfeindlichen Heroingewinnung ist damit aber natürlich nicht vom Tisch, sondern im Zweifel nur in andere Gebiete der Welt verlagert worden – wie beispielsweise Myanmar.
Cannabis-Anbau frisst reichlich Energie
Aber nicht nur Kokabusch- und Schlafmohnplantagen sind Gift für unsere Umwelt. Auch Cannabis, mittlerweile die drittliebteste Droge in Deutschland, nach Alkohol und Tabak, ist ein Klimakiller. Outdoor-Plantagen ziehen massiv Wasser aus dem Boden. Die Folgen sind in Kalifornien gut zu beobachten. Mittlerweile wird dort legal Marihuana angebaut – und das sorgt im ohnehin schon dürregeplagten Bundesstaat zu noch mehr Problemen bei der Wasserversorgung.
Denn Cannabis braucht sehr viel Wasser, um zu wachsen. Gerechnet wird hierbei wohl mit doppelt so viel Bedarf wie Weinstöcke. Der US-Bundesstaat hat zwar Regularien erlassen, die dazu führen sollten, dass die Plantagen keine negativen Auswirkungen auf die Wasserversorgung haben – und keine Rückstände etwaiger Pestizide ins Grundwasser gelangen. Trotzdem berichtete CNN 2021 vom Kampf ums Wasser.
Der Anbau von Cannabispflanzen frisst reichlich Ressourcen.Bild: pexels / Kindel media
Seit 2013 sollen demnach 45 Milliarden Liter gestohlen worden sein. Aus Feuerhydranten, Reservoirs, direkt aus Gewässern oder durch das Anbohren von Wasserleitungen. Die Täter:innen: illegale Cannabisproduzierende. Denn die gibt es trotz der Legalisierung immer noch. Grund dafür sind wohl viele Genehmigungen, die es braucht, um eine Plantage zu eröffnen, sowie die Steuern, die der Staat kassiert.
Aber nicht nur das Wasser macht die Ökobilanz von Gras problematisch, sondern auch der Indoor-Anbau treibt die Emissionen massiv in die Höhe. Denn: Licht, Temperatur und Belüftung verbrauchen wahnsinnig viel Energie.
Legalisierung dürfte nur bedingt Entlastung bringen
Aus Sicht von Trend-Analystin Me würde daher auch eine Legalisierung von Drogen nicht zwingend für Entlastung sorgen. Das Problem ist komplexer, antwortet sie in einer Pressekonferenz auf eine Frage von watson. Ein Hauptproblem an der ganzen Sache seien natürlich Drogenhändlergruppen, deren Hauptinteresse darin bestehe, Profite zu maximieren. Am wenigsten wiederum profitierten Landwirte vom Drogenanbau.
Bald wird Kiffen in Deutschland offiziell erlaubt – die Auswirkungen auf die Umwelt dürften aber gravierend bleiben.Bild: pexels / rodnae productions
Trotzdem würde eine Entkriminalisierung – und damit ein Machtverlust für die Drogenkartelle – wahrscheinlich nicht die gewünschten Effekte in Sachen Umweltschutz bringen, meint Me. Denn: Der Anbau von Cannabis und ähnlichem bleibt energie- und ressourcenintensiv, egal ob er legal oder illegal ist.
Und nicht nur der Anbau pflanzlicher Produkte ist Gift für unsere Umwelt, sondern auch die Herstellung synthetischer Drogen. So verursacht die Produktion von einem Kilo MDMA rund zehn Kilo Giftmüll. Amphetamine, wie Speed, sind eine noch größere Umweltbelastung. Hier entstehen rund dreißig Kilo giftige Abfälle.
Auch synthetische Drogen wie MDMA sind Gift für die Umwelt.Bild: pexels / mart production
So werden etwa Natriumhydroxid, Salzsäuren oder Aceton nicht im Sondermüll entsorgt – wo sie hingehören – sondern klammheimlich in Fässern abgeladen oder in Flüsse gekippt. Und nicht nur die Herstellung sorgt für Probleme in der Umwelt, sondern auch der Konsum.
Eine Studie der Tschechischen Agraruniversität in Prag kam außerdem zu dem Schluss, dass Süßwasserfische drogenabhängig werden können. Für die Studie wurden Forellen in Wasser gehalten, dem Methamphetamin (etwa Crystal Meth) in einer Konzentration zugesetzt war, wie sie im gereinigten Wasser von Kläranlagen zu finden ist.
Denn in Wasserproben unterschiedlicher Regionen werden immer wieder Rückstände von Meth, Kokain, MDMA und weiteren Drogen gefunden. Mit womöglich gravierenden Folgen, wie die Studien nahelegen.