"Es deprimiert mich, wenn man sagt: 'Die Menschen wollen doch gar nicht. Die sind doch angewiesen auf ihr Auto.' Na klar sind die auf ihr Auto angewiesen, solange es keine Alternativen gibt. Aber der Job wäre doch, die Alternativen zu schaffen."
Damit bringt es Klimaaktivistin Luisa Neubauer bei Deutschlandfunk Kultur auf den Punkt.
In die gleiche Kerbe schlägt auch Jürgen Follmann, Verkehrsplaner und Professor an der Hochschule Darmstadt. Er macht deutlich, dass rund die Hälfte der Wege, die ein Pkw zurücklegt, kürzer als fünf Kilometer sind. 25 Prozent sogar kürzer als zwei Kilometer.
Das entspricht in etwa dem Weg zum Bäcker oder Supermarkt im selben Ort oder Stadtviertel. Wege, die man in den meisten Fällen auch zu Fuß oder per Rad zurücklegen könnte.
Was fehlt, betont Follmann, seien funktionierende Alternativen zum Auto. Eine konsequente Förderung des Radverkehrs, aber auch Lösungen abseits von Fuß und Rad.
Wie die aussehen könnten und was Seilbahnen damit zu tun haben, erklären Jürgen Follmann und Ingwar Perowanowitsch, Politiker der Klimaliste Berlin, im Gespräch mit watson.
Follmann hat eine ganz klare Idee von der Mobilität der Zukunft: "Ideal wäre: Wir gehen zu Fuß, fahren mit dem Fahrrad und nutzen die Angebote des öffentlichen Nahverkehrs." Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass es immer Menschen geben wird, die das Auto nutzen. "Dann sollte es natürlich ein emissionsarmes sein", fügt er hinzu.
In ländlichen Gegenden müssten jedoch andere Probleme mitbedacht werden. Zwar könnten innerorts die meisten Strecken mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt werden – "man muss aber ganz klar feststellen, dass das aktuell nicht gemacht wird. Das muss sich ändern", fordert Follmann.
Ein weiterer Aspekt auf dem Land sei laut dem Verkehrsplaner das Pendeln. Hier werde das Auto ganz klar weiterhin eine große Rolle spielen.
Allerdings müsste eine Lösung für das innerstädtische Parkproblem und die Emissionen gefunden werden, meint der Experte. Er hat auch hierfür eine konkrete Idee:
Sogenannte On-Demand-Busse sind eine Mischung aus Bus und Taxi. Sie sollen eine Alternative zum eigenen Auto darstellen. Per Algorithmus werden ähnliche Fahrtstrecken von möglichst vielen Menschen gebündelt und flexible Haltestellen angefahren. Die Fahrtkosten und das Fahrzeug teilt man sich dann also mit anderen.
Ein solches Konzept gibt es unter anderem in Hamburg mit Moia, elektrischen Kleinbussen.
Als ein Problem der heutigen Zeit sieht Follmann teils ineffizient eingesetzte Linienbusse. Die würden häufig leer fahren. Das dort verpulverte Geld könnte sinnvoller in Alternativen, wie On-Demand-Mobilitätsstationen, investiert werden. Bedingt würde dieses Problem durch die ansteigende Beliebtheit von Homeoffice nach der Corona-Pandemie.
Laut einer neuen Studie der Europäischen Zentralbank (EZB) wünschen sich ein Drittel der Beschäftigen eine dauerhafte Home-Office-Regelung. Follmann fasst zusammen: "Die Frage, die man sich im Idealfall stellen sollte, ist: Was ist das beste Fortbewegungsmittel für diese Strecke?"
Und damit zurück zum Problem der fehlenden Alternativen zum Auto. "Die Angebote für den Radverkehr in der Stadt müssen verbessert werden, um die vorhandenen Lücken zu schließen", fordert der Experte.
Dabei solle im besten Fall eine Push-and-Pull-Strategie gefahren werden, meint Follmann. Also: Zum einen den Radverkehr fördern und zum anderen die Autos schrittweise aus den Städten verbannen, oder zumindest reduzieren. Letzteres müsste über eine Beschränkung des Parkens in der Stadt per Gebühr passieren, wenn es nach dem Verkehrsplaner ginge.
Rad-Lobbyist Ingwar Perowanowitsch betont im Gespräch mit watson:
Vor allem am Berliner Kurfürstendamm sei es ein Unding für Fahrradfahrer:innen, da die Bus- und Taxi-Spur gleichzeitig auch die Radspur ist. "Wir haben eine Flächenkonkurrenz. Die kann man nicht auflösen im Moment", gibt der Politiker zu bedenken.
So einfach sich die Vorschläge auch anhören, so schwer erscheint die Umsetzung. In einem früheren Gespräch mit watson gab Perowanowitsch zu bedenken, dass die politischen Hürden für Gemeinden zu hoch seien. Wenn der Radverkehr gefördert werden soll, müssten Kommunen zahlreiche Belege anführen, warum ein Ausbau der Radinfrastruktur notwendig sei und Geld investiert werden solle.
Das sieht Jürgen Follmann anders: "Beim Radverkehr ist es ein Angebotsplan. Bund und Länder wollen, dass die Gemeinden und Städte den Radverkehr fördern."
Perowanowitsch führte in dem Gespräch allerdings auch an: Das Geld sei nicht das Problem. Wohl aber der politische und gesellschaftliche Wille.
Für Verkehrsplaner Follmann liegt das Problem noch an einer anderen Stelle:
Beispielsweise würden Straßen bei Kanalarbeiten aufgerissen und genauso wieder hergestellt, anstatt gleich den Gehweg zu verbreitern oder das sonstige Umfeld an heute anzupassen.
Die Lösung: "Wir müssen die Förderinstrumente überdenken, um auch Gemeinden zu motivieren, die sich mit Veränderungen hin zum Fuß- und Radverkehr schwer zu tun."
Da die Alternativen zum Auto aktuell noch begrenzt sind, hat Verkehrsplaner Follmann für die Verkehrswende noch einen anderen, jedoch nicht neuen Lösungsansatz:
Selbstverständlich seien diese keine flächendeckende Lösung, jedoch partiell durchaus eine zukunftsfähige Lösung, ist der Experte überzeugt.
Dabei sei die Kritik an den Seilbahnen nur vorgeschoben, meint Follmann. Beispielsweise hätten Seilbahnen durchaus Kapazitäten, die an eine U-Bahn reichen und sie benötigen gleichzeitig viel weniger Personal. Nun wären die Planer gefragt, geeignete Trassen zu finden, die weder über Wohngebiete noch durch Naturschutzgebiete führen.
Follmann kritisiert hierbei jedoch vor allem: Die vorhandenen Seilbahnen in Deutschland, wie etwa in Berlin oder Mannheim, müssten dringend an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen werden. So könnten sie auch mit dem 49-Euro-Ticket genutzt werden.
Er führt aus: "Volker Wissing kritisiere ich gerade bei den stockenden Veränderungen beispielsweise im Straßengesetz für eine klimafreundliche und sichere Zukunft des Verkehrs. Ein dickes Lob gilt ihm aber für das Durchsetzen des 49-Euro-Tickets."