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Analyse

Ein Jahr nach dem Sturm auf das Kapitol in den USA am 6. Januar 2021

January 6, 2021, Washington, District of Columbia, USA: A flash bang grenade lights up the Capital Building as Trump supporters storm and rally at the building protesting the 2020 election results in  ...
Trump-Unterstützer in einer Auseinandersetzung mit Sicherheitspersonal am US-Kapitol am Abend des 6.1.2021.Bild: imago / Bryan Smith
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Ein Jahr nach dem Sturm auf das Kapitol: Was sich seitdem in den USA verändert hat

06.01.2022, 14:2206.01.2022, 19:10
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Als Anhänger Donald Trumps am 6. Januar 2021 das US-Kapitol stürmten, gingen nicht nur Fensterscheiben zu Bruch. Auch das Vertrauen in die Stabilität der US-amerikanischen Demokratie wurde schwer beschädigt.

Für viele Linke und Liberale steht Trump seitdem für einen nie dagewesenen, undemokratischen Politikstil, der selbst die Watergate-Affäre in den Schatten stellt.

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums, bei den Republikanern, laufen sich seitdem Unterstützerinnen und Unterstützer des ehemaligen Präsidenten für dessen Wiederwahl 2024 warm.

Wie geht es dem Land ein Jahr nach dem Sturm auf den US-Kongress – und was bedeutet dies für die Beziehungen zu Deutschland? Watson hat mit Vertretern beider Lager gesprochen.

Angestaute Wut bei den Bürgern

Der 30-jährige New Yorker David Katz erinnert sich: "Ich habe mich gefragt, was ist das endgültige Ziel dieser Aktion? Ihr stürmt das Kapitol, und was soll dann genau passieren?", erzählt er im Gespräch mit watson.

David Katz ist Mitglied der Democratic Socialists of America.
David Katz ist Mitglied der Democratic Socialists of America.Bild: David Katz

Katz ist Mitglied der Democratic Socialists of America, einer linkssozialistischen Organisation, die im Vorwahlkampf 2016 den Demokraten Bernie Sanders unterstützt hat.

"Bei den Menschen haben sich eine Menge Wut und Ressentiments angestaut, weil sie während der Covid-Pandemie von der Regierung vernachlässigt wurden", sagt David Katz, der als Fotograf arbeitet und zu einem Viertel deutsche Wurzeln hat.

"Je früher wir erkennen, dass wir das Gleiche wollen, desto eher können wir gemeinsam auf ein Land hinarbeiten, das seinen Menschen effektiver dient."
David Katz, Mitglied der Democratic Socialists of America

Die von Donald Trump verbreiteten Verschwörungstheorien über einen angeblichen Wahlbetrug hätten dem Vertrauen in das Wahlsystem erheblich geschadet. "Dieses ist tatsächlich in bestimmter Hinsicht kaputt, aber nicht so, wie Trump und seine Wähler behaupten."

Es sei nun Aufgabe der jungen Generation, sich gegenseitig politisch aufzuklären und zu informieren und alle Ansichten zu berücksichtigen.

"Je früher wir erkennen, dass wir grundsätzlich das Gleiche wollen, desto eher können wir gemeinsam auf ein Land hinarbeiten, das seinen Menschen effektiver dient", sagt David Katz.

Trump hat die Republikaner verändert

Benjamin Wolfmeier steht als Sprecher der Republicans Overseas Germany auf der anderen Seite des politischen Spektrums.

Benjamin Wolfmeier unterstützt Donald Trump.
Benjamin Wolfmeier unterstützt Donald Trump. privat

Die Organisation vereint in Deutschland lebende Amerikaner, die sich der Grand Old Party zugehörig fühlen, wie die Republikaner auch bezeichnet werden. Er selbst ist Deutscher, die Familie seiner Mutter stammt aus den USA.

"Die Republikanische Partei hat sich durch Donald Trump positiv verändert", sagt Wolfmeier. "Die Partei ist durch ihn und sein Team die Partei der Schwarzen und der Arbeiter geworden, was ihm Wahlerfolge beschert hat."

Die am Ende in Gewalt ausgearteten Proteste lehne er grundsätzlich ab, ergänzt er, aber das sei von den deutschen Medien zum Teil auch aufgebauscht worden. Trump selbst habe nie dazu aufgerufen.

ARCHIV - 06.01.2021, USA, Washington: Ein Unterst�tzer von US-Pr�sident Trump steht auf dem Gang vor der Senatskammer im US-Kapitol und diskutiert mit einem Polizisten des Kapitols. (zu dpa "Verl ...
Trump-Anhänger im US-Kapitol 2021.Bild: dpa / Manuel Balce Ceneta

Dass die Präsidentschaftswahl zu Gunsten des Demokraten Joe Biden gefälscht worden sei, glaubt auch er. "Wenn man sich mit dem Wahlsystem auskennt und die einzelnen Bundesstaaten versteht, sieht man, dass einiges nicht zusammenpasst."

"Für mich ist ganz klar, dass die Wahl gestohlen wurde."
Benjamin Wolfmeier, Sprecher der Republicans Overseas Germany

Die Ergebnisse in manchen Bundesstaaten wirkten, als ob man dreimal hintereinander im Lotto gewinnen würde. "Für mich ist ganz klar, dass die Wahl gestohlen wurde."

Juristisch sei Joe Biden legitim im Amt, sagt Benjamin Wolfmeier. Die Republikaner müssten sich nun auf die Präsidentschaftswahl 2024 konzentrieren.

Schüsse im Kapitol, blutende Politiker

Dafür, dass diese nicht wieder an Donald Trump oder die Republikaner geht, arbeitet Stefan Liebich. Bis zum vergangenen Jahr saß er für die Linke im Bundestag und war 12 Jahre lang Vize-Vorsitzender der Parlamentariergruppe USA.

Stefan Liebich will die US-Demokratie erforschen und erklären.
Stefan Liebich will die US-Demokratie erforschen und erklären.Bild: Ben Gross

In der Funktion hat er die Vereinigten Staaten immer wieder bereist und zahlreiche politische und zivilgesellschaftliche Kontakte geknüpft. Auf Anfrage von watson erinnert er sich an die Ereignisse 2021:

"Vergangenen Sommer hatten wir im Bundestag Besuch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des US-Kongresses. Als diese geschildert haben, wie sie geflohen sind, wie draußen Schüsse zu hören waren und Leute blutend in ihren Büros um ihr Leben fürchteten, haben wir uns schon gefragt: Was ist mit diesem Land passiert?"

Er habe geglaubt, dass sich nach dem Schock der Kapitol-Erstürmung auch bei den Republikanern etwas bewegt habe.

Einige von ihnen hätten die Taten verurteilt und es habe für kurze Zeit die Hoffnung gegeben, dass sie sich nun wieder auf ihre Aufgabe als konservative, aber demokratische Partei besinnen.

"Das war eine falsche Hoffnung, die Stimmen wurden sehr leise und heute sind sie vor allem eine autoritäre Trump-Sekte", sagt Liebich.

06.01.2021, USA, Washington: Menschen suchen Schutz auf der Trib�ne des Repr�sentantenhauses, w�hrend Demonstranten versuchen, in die Repr�sentantenkammer im US-Kapitol einzudringen. Foto: Andrew Harn ...
6. Januar 2021: Menschen suchen Schutz vor eindringenden Demonstranten.Bild: dpa / Andrew Harnik

Seit seinem Ausscheiden aus dem Bundestag im vergangenen Jahr widmet sich der Politiker ganz der US-amerikanischen Politik. Zum einen mit seinem Blog-Projekt "progressive-america.de", mit dem er nach eigenen Angaben die bunte, weltoffene Seite der USA zeigen will.

Zum anderen ist er seit Jahresbeginn Fellow der Linken-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung für transatlantische Themen und wird 2022 insgesamt sechs Monate in den USA und Kanada in gleicher Mission verbringen.

"Auf der politisch progressiven Seite existiert ein unheimlich großer Aufschwung, das ist faszinierend", sagt Liebich. In Deutschland höre man vor allem negative Geschichten über Donald Trump, den 6. Januar, Kriege und so mehr.

Die US-Linke habe zuletzt völlig am Boden gelegen. "Aber dann kam wieder Schwung in die Bewegung."

Hoffen auf die progressive Bewegung

Bei den Vorwahlen der Präsidentschaftswahl 2016 seien zehntausende Menschen auf den Beinen gewesen, um den demokratischen Sozialisten Bernie Sanders bei seinen Kundgebungen zuzujubeln.

"Diese Bewegung ist immer noch da und aktiv, mittlerweile auch als Mitarbeitende im US-Kongress oder als Abgeordnete. Es gibt also Hoffnung."

Annalena Baerbock, Bundesaussenministerin, vor dem Capitol in Washington, auf dem Weg zu einem Pressestatement. 05.01.2022 Washington USA *** Annalena Baerbock, German Foreign Minister, in front of th ...
Annalena Baerbock vor dem Kapitol in Washington.Bild: imago images / Thomas Imo/photothek.net

Auch Außenministerin Annalena Baerbock hat sich jüngst öffentlich zu dem Sturm auf das Kapitol geäußert. Während ihres Antrittsbesuches in Washington am Mittwoch sagte die Grünen-Politikerin:

"Wir haben vor einem Jahr als Deutsche, als Europäer, alle in tiefer, tiefer Freundschaft und erschüttert nach Washington geschaut." Das sei nicht nur an der US-Hauptstadt, sondern auch an vielen Menschen in Deutschland nicht spurlos vorbeigegangen.

Sie bewegt sich damit auf sensiblem Terrain. Denn dass Donald Trump in zwei Jahren erneut als Präsident kandidiert – und gewinnt – ist ein realistisches Szenario.

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