Jette Nietzard ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Wenn es darum geht, auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen, findet sie oft scharfe Worte. Mit ihren teils provozierenden Aussagen eckt die Sprecherin der Grünen Jugend immer wieder an – auch innerhalb der eigenen Partei.
So auch jetzt, denn vor wenigen Tagen postete die 26-Jährige in ihrer Insta-Story ein Selfie mit einem Sweatshirt, auf den die Buchstaben "ACAB" abgedruckt sind. Das Akronym steht für "All Cops Are Bastards" (deutsch: Alle Polizisten sind Bastarde).
Darauf folgte eine Welle der Entrüstung.
Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, polterte in der "Bild" gleich gegen die gesamte Grüne Jugend, die ein "wohlstandsverwahrloster Haufen von Linksextremisten" sei. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei wirft ihr "pubertären Polizeihass" vor.
Weniger emotional, aber dennoch deutlich äußerten sich Partei-Kolleg:innen von Nietzard. Grünen-Politiker Konstantin von Notz schrieb auf X: "'All cops are bastards' ist ein völlig unterirdischer, inakzeptabler und beleidigender Take für alle Polizistinnen und Polizisten (...)".
Stichwort 'Beleidigung'. Hat Jette Nietzard mit dem Tragen des Pullis die Polizei beleidigt, sich gar strafbar gemacht?
Der Code "ACAB" hat schon eine lange Geschichte hinter sich. Populärer wurde er in den 1970er Jahren, als er im englischsprachigen Raum Einzug in den Punk fand. Danach wurde er auch immer wieder in der Fußball-Szene verwendet, inzwischen ist er sowohl in linken, als auch in manchen rechten Gruppierungen verbreitet.
"ACAB" ist allgegenwärtig: in der Musik, auf Kleidung, durch Graffitis im Stadtbild.
Die Intention hinter der Verwendung des Ausdrucks ist klar. Es geht um Kritik an der Polizei. Wegen strukturellem Rassismus, wegen negativen Erlebnissen mit den Beamten (zum Beispiel im Fußballstadion) oder an dem Ausdruck staatlicher Kontrolle durch ihre Autorität – je nach Gruppe variiert die Motivation.
Polizist:innen stößt der Ausdruck immer wieder sauer auf. Sie fühlen sich beleidigt. Nun stellt sich die Frage, ob sie auch wirklich dadurch beleidigt werden, also im juristischen Sinne.
Damit mussten sich Gerichte, sogar das Bundesverfassungsgericht, schon beschäftigen. Denn Polizist:innen haben natürlich schon versucht, über den Rechtsweg gegen den unliebsamen Spruch vorzugehen.
Eine einfache Antwort auf die Frage gibt es nicht, heißt: "ACAB" ist nicht pauschal strafbar, aber auch nicht pauschal erlaubt.
Bei "ACAB" handelt es sich um eine sogenannte Kollektivbeleidigung. Zwar kann man auch ein Kollektiv beleidigen, allerdings nur, wenn dieses hinreichend abgrenzbar ist. Maßgeblich ist hier, dass sich ein Gruppe von Personen, in diesen Fall von Polizist:innen, klar bestimmt werden kann – dann ist es schon vorgekommen, dass ein Gericht eine Beleidigung bejaht hat.
Bezieht sich der Code hingegen auf eine unbestimmte Gruppe, also die Polizei als Ganzes, gilt die Verwendung nicht als Beleidigung.
Schlicht, weil die Beleidigung, geregelt in Paragraph 185 Strafgesetzbuch, die Ehre einer Person schützt. Die Rechtsprechung argumentiert, dass die Aussage in dem Fall nicht spezifisch genug ist, um einzelne Polizist:innen in ihrer Ehre zu verletzen.
Zurück zum Eklat um Jette Nietzard. Die sich auf Instagram in ihrer Story mit einem "ACAB"-Pulli gezeigt hat; auf dem Kopf trug sie eine Cap mit der Aufschrift "Eat the rich". Dazu fragte sie ihre Community in einem Sticker, welches Kleidungsstück Julia Klöckner – Bundestagspräsidentin und CDU-Politikerin – schlimmer finden würde.
Dass sich Nietzard damit auf eine bestimmt, individuelle und abgrenzbare Gruppe Polizist:innen bezieht, ist nicht ersichtlich. Es wäre daher unwahrscheinlich, dass ein Gericht in diesem Fall eine Beleidigung annehmen würde.
Das deckt natürlich nur die rechtliche Komponente ab; aus den Kreisen der Polizei hat man sich trotzdem von dem Verhalten der Sprecherin der Jugendorganisation angegriffen gefühlt. Ob nun zurecht oder nicht, das muss jede:r für sich selbst bewerten.
Jette Nietzard würde wohl aber auch nicht ein zweites Mal so vorgehen. "Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg war, um auf die Probleme aufmerksam zu machen", sagt Nietzard im "stern"-Podcast "5-Minuten-Talk". Den Pulli besitze sie als "Privatperson" und die Instagram-Story habe sie auch als solche geteilt. "Dass ich als Sprecherin der Grünen Jugend damit auffalle, hätte mir vielleicht klar sein müssen".
An ihrer harten Kritik an der Polizei hält Nietzard aber fest. "Ich hasse natürlich nicht die Polizei als Ganzes. Aber was ich hasse, ist das System dahinter und wie es gerade aufgebaut ist", stellt sie klar. Sie bemängelte fehlende Polizeistudien, und dass es keine strukturelle Aufarbeitung von Gewalt und rassistischen Tendenzen gebe, die von der Polizei auch nicht transparent genug gemacht würden.