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Die Stichwahlen in Georgia sind die gute Nachricht für die US-Demokratie

Für die Demokraten das Gesicht des Doppelsieges in Georgia: Stacey Abrams, die sich über Jahre dafür eingesetzt habt, dass mehr Afroamerikaner überhaupt wählen gehen.
Für die Demokraten das Gesicht des Doppelsieges in Georgia: Stacey Abrams, die sich über Jahre dafür eingesetzt habt, dass mehr Afroamerikaner überhaupt wählen gehen.Bild: ap / Carolyn Kaster
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Warum es trotz des Angriffs auf das Kapitol auch gute Nachrichten aus den USA gibt

07.01.2021, 19:1508.01.2021, 12:52
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Mittwoch war ein historischer Tag in den USA. Natürlich, da war der Sturm eines rechtsradikalen Mobs auf den Kongress, angeleitet vom amtierenden Präsidenten – ein Terroranschlag (warum das für mich das richtige Wort ist, habe ich hier aufgeschrieben), eine grausige Eskalationsstufe in Donald Trumps jahrelanger Attacke auf die Demokratie. Aber da war auch ein anderes, ermutigendes Ereignis, das viele noch vor wenigen Wochen kaum für möglich gehalten hätten: die beiden Senats-Stichwahlen in Georgia.

In dem südlichen US-Bundesstaat haben die demokratischen Kandidaten Raphael Warnock und Jon Ossoff Stichwahlen um zwei Senatssitze gegen ihre republikanischen Gegner gewonnen. Das hat große Bedeutung für den designierten Präsidenten Joe Biden, der am 20. Januar seinen Amtseid schwört. Und es ist ein Zeichen dafür, dass die US-Demokratie nicht nur einerseits in großer Gefahr ist – sondern andererseits auch immer wieder alte Barrieren einreißen kann.

Wir erklären, warum diese Wahl so wichtig ist.

Warum sollten mich diese zwei Stichwahlen in einem US-Bundesstaat etwas angehen?

Erstens, weil die Wahl Warnocks und Ossoffs eine Überraschung ist, die viel über wichtige Veränderungen in den USA verrät. Und zweitens, weil sich dadurch die Politik der USA in den kommenden zwei Jahren dramatisch ändern kann.

Jgon Ossoff (l.) und Raphael Warnock, die neu gewählten Senatoren für Georgia.
Jgon Ossoff (l.) und Raphael Warnock, die neu gewählten Senatoren für Georgia. Bild: www.imago-images.de / Robin Rayne

Georgia war bis zum US-amerikanischen Bürgerkrieg ein Sklavereistaat, in dem versklavte Schwarze Menschen auf Reis- und Baumwollplantagen schufteten. Ihre Unterdrückung und Ausbeutung gingen nach dem Ende der Sklaverei weiter, wie in den anderen Staaten der USA. Fast 600 Afroamerikaner wurden bis 1950 von Rassisten in Georgia gelyncht.

Was diese Geschichte für Schwarze Menschen bis heute bedeutet, das drückte Neu-Senator Warnock in einer Ansprache nach dem Stichwahltag aus. Über seine eigene Mutter, die in den 1950er-Jahren selbst noch die Sommer damit verbrachte, Baumwolle und Tabak zu pflücken, sagte Warnock:

"Die 82 Jahre alten Hände, die früher die Baumwolle für jemand anderen pflücken mussten, haben jetzt einen Wahlzettel ausgewählt, um ihren jüngsten Sohn zu einem Senator der USA zu wählen."

Warnock ist der erste afroamerikanische Senator, der in Georgia gewählt wird. Sein Kollege Ossoff ist der erste jüdische Senator für Georgia.

Georgia war über Jahrzehnte eine Hochburg der Republikaner. Bei den Präsidentschaftswahlen zwischen 1984 und 2016 ging der Staat nur einmal an den demokratischen Kandidaten. 2020 hat der Demokrat Joe Biden ihn gewonnen. Die wohl wichtigste Grundlage dieses demokratischen Überraschungserfolgs war, dass afroamerikanische Parteimitglieder so viele Menschen wie nie zuvor dazu gebracht haben, sich für die Wahl zu registrieren (was in den USA nötig ist, um überhaupt abstimmen zu dürfen).

14.12.2020, USA, Atlanta: Stacey Abrams, Mitglied der Demokratischen Partei, spricht im Senat, bevor die Mitglieder des Wahlausschusses von Georgia im Kapitol ihre Stimme abgeben. W�hler im US-Bundess ...
Stacey Abrams, entscheidende Frau hinter dem demokratischen Sieg in Georgia. Bild: dpa / John Bazemore

Die zentrale Figur hinter dieser Mobilisierung war die Politikerin Stacey Abrams. Die ehemalige Kongressabgeordnete verlor 2018 knapp die Wahl zur Gouverneurin von Georgia – und kämpft seither darum, dass mehr arme und vor allem Schwarze Menschen in Georgia ihre Stimme abgeben. Unterstützt haben sie dabei auch mehrere Rapper aus Atlanta, der größten Stadt Georgias. Mit offensichtlichem Erfolg: Die Wahlbeteiligung war in Georgia deutlich höher als bei vergangenen Senatswahlen.

Für die US-amerikanische Politik ist der Stichwahl-Erfolg der Demokraten so wichtig, weil er die Macht des neugewählten Präsidenten Joe Biden deutlich vergrößert.

Was bedeutet diese Wahl für den gewählten Präsidenten Joe Biden?

Ossoff und Warnock haben mit ihren Wahlsiegen zwei Senatssitze erobert, die vorher zwei republikanische Politiker innehatten. Die Demokraten haben damit 50 (statt vorher 48) von 100 Sitzen im US-Senat. Und wenn im Senat Stimmengleichheit herrscht, entscheidet die Stimme der Vizepräsidentin – die gleichzeitig Präsidentin des Senats ist. Und dieses Amt füllt ab 20. Januar die Demokratin Kamala Harris aus. Die Demokraten haben damit faktisch die Mehrheit im Senat.

Der Senat ist eine der beiden Kammern des US-Kongresses, des Bundesparlaments der USA. Der Präsident kann – wie die Regierungschefs in jeder parlamentarischen Demokratie – wichtige politische Vorhaben nur umsetzen, wenn er dafür eine Mehrheit im Parlament hat. In der anderen Kammer, dem Repräsentantenhaus, haben die Demokraten schon seit 2018 die Mehrheit.

Jon Ossoff addresses crowd at drive-in rally on the eve of Georgia s Senate runoff election at Center Parc Credit Union Stadium on January 4, 2021 in Atlanta, Georgia. Credit: Sanjeev Singhal/The News ...
John Ossoff, der zweite frisch gewählte demokratische Senator für Georgia. Bild: www.imago-images.de / CSRA PHOTOGRAPHY INC

Der demokratische Sieg bei der Georgia-Stichwahl eröffnet der Regierung Biden jetzt also erhebliche Freiräume.

"Eine Senatsmehrheit bedeutet für die Regierung, dass sie 80 Prozent ihrer Ziele erreichen kann"

Rachel Tausendfreund, politische Analystin der US-amerikanischen Stiftung German Marshall Fund, sagt, die Siege im Senat seien "ungemein wichtig für die Biden-Regierung". Gegenüber watson erklärt Tausendfreund das so:

"Für sehr viele von Bidens wichtigsten Projekten (Klimaschutz, Gesundheitsversorgung, Infrastruktur) benötigt er eine Mehrheit im Senat. Und es deutet wenig darauf hin, dass die Republikaner interessiert an einer produktiven Zusammenarbeit mit den Demokraten wären. Eine Senatsmehrheit bedeutet für die Regierung, dass sie 80 Prozent ihrer Ziele erreichen kann – anstatt zehn oder 20 Prozent."

Außerdem verweist Tausendfreund darauf, dass Biden durch die Senatsmehrheit auch seine Minister ohne größere Probleme ernennen kann. Der Senat hat in den USA die Möglichkeit, die Kandidaten für wichtige Ministerposten zu blockieren.

Auch laut Josef Braml, Autor des Blogs usaexperte.com und Generalsekretär der Deutschen Gruppe der Trilateralen Kommission, ist für Biden die Senatsmehrheit eine große Erleichterung mit Blick auf seine künftigen Ministerposten. Was Bidens Politikziele angeht, ist Braml weniger optimistisch. Denn trotz einfacher demokratischer Mehrheit im Senat könnten die Republikaner weiter durch Blockademanöver wichtige Projekte blockieren, etwa beim Klimaschutz, der Steuerpolitik und im Gesundheitswesen.

Braml wörtlich:

"Die Republikaner werden künftig in der Lage sein, die ehrgeizige legislative Agenda der Biden-Administration mit derselben Obstruktionsstrategie zu blockieren, mit der sie bereits die meisten Initiativen Barack Obamas verhinderten. Für die normale Gesetzgebung sind 60 Stimmen nötig, um Blockademanöver wie Filibuster abzuwenden"

Mit "Filibuster" wird in der US-Politik die umstrittene Taktik bezeichnet, durch eine stundenlange Marathonrede einen Senatsbeschluss zu einem Thema zu verhindern.

Was bedeutet der Sieg der demokratischen Kandidaten für die Republikanische Partei?

Die erneute Niederlage in ihrer einstigen Hochburg Georgia ist für die Republikaner in den USA ein Schlag ins Gesicht. Vor allem aus drei Gründen.

In mehreren seriösen US-Medien wird berichtet (etwa hier vom TV-Sender CNBC), dass die Niederlage auch damit zusammenhängen kann, dass Noch-Präsident Donald Trump seit Monaten die Legitimität der Wahl angreift, weil er seine eigene Niederlage nicht akzeptiert. Damit könnte er viele republikanische Wähler davon abgehalten haben, bei den Senats-Stichwahlen wählen zu gehen.

Zweitens belegt diese Wahl, dass Trump selbst offensichtlich nicht mehr das politische Zugpferd ist, das er seit 2016 für viele republikanische Kandidaten war. Die beiden amtierenden republikanischen Senatoren Kelly Loeffler und David Perdue haben ihren Sitz verloren, nachdem Donald Trump für sie Wahlkampf gemacht hatte.

Und drittens hat die republikanische Niederlage damit zu tun, dass sich die Wahlbevölkerung Georgias verändert: Städte wie Atlanta und die 150.000-Einwohner Stadt Savannah wachsen. In ihnen wohnt eine diverse Bevölkerung, darunter viele Afroamerikaner und People of Color. Das sind Gruppen, die in der Mehrheit für die Demokraten stimmen. Es ist ein Phänomen, das die Republikaner seit Jahren beschäftigt – und das sich für sie verschärft, wenn ein größerer Anteil der nicht-weißen Wähler auch tatsächlich die eigene Stimme abgibt.

US-Expertin Rachel Tausendfreund verbindet mit dieser Entwicklung eine Hoffnung zur Zukunft der Republikanischen Partei. Gegenüber watson erklärt sie:

"Man kann hoffen, dass das ein Umdenken bei den Republikanern verursacht. Wenn sie ihre Macht über früher zuverlässig republikanische Staaten wie Georgia oder Texas verlieren, dann hilft ihnen nicht mal mehr das System des Electoral College (eine Erklärung dazu hier, Anm. d. Red.), wenn sie sich nur an ältere und erzkonservative Wähler auf dem Land richten. Es ist deutlich geworden, dass die Republikaner sich früher oder später an eine viel breitere Wählerbasis richten müssen, da die Städte wachsen und das Land diverser wird. Die Niederlage in Georgia könnte ein Zeichen dafür sein, dass das nun schneller passiert."
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Wer kennt sie nicht, die zahlreichen Reels auf Instagram, in denen sich über die geografische Unwissenheit von US-Amerikaner:innen lustig gemacht wird. Auch die Kenntnisse über europäische Länder und Kulturen lassen häufig zu Wünschen übrig. Und zwar in einem Ausmaß, das durchaus belustigend ist.

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