Frieren gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Tage mit autofreien Straßen. Solche und ähnliche Vorschläge sind aktuell auf Twitter und anderswo zu finden: Da mit dem Ukrainekrieg das Erdöl erheblich teurer geworden ist, gibt es viele Diskussionen, wie Energie gespart werden kann – auch weil Deutschland und Europa durch den Import den Krieg mitfinanzieren. Hunderte Millionen Euro zahlt die EU täglich für russisches Öl und Gas.
Knapp zwei Wochen dauert der Krieg in der Ukraine mittlerweile. Der Westen hat Russland bereits sanktioniert. Die Maßnahmen werden nach und nach erweitert. Die USA haben ein Importverbot für Öl, Gas und Kohle aus Russland verhängt. Angesichts des Angriffskrieges und des vielen Gelds, das Deutschland und andere EU-Staaten für russisches Öl und Gas ausgeben, stellt sich auch hier die Frage, ob ein Importstopp angebracht wäre.
Die Bundespolitikerinnen und -politiker sind bisher verhalten, was einen Importstopp angeht – weil Deutschland sehr abhängig von den russischen Rohstoffen ist. Wie der Energieexperte Hanns König im "Manager Magazin" erläuterte, könnte ein Importstopp russischen Gases gerade für die Industrie in Deutschland problematisch werden, weil es dort zu Zwangsabschaltungen kommen könnte. Weniger kritisch sieht König die Auswirkungen für Privathaushalte.
Anders sehe die Lage allerdings beim Importstopp von russischem Öl aus. Und zwar aus einem einfachen Grund: Die Logistik. Öl werde in großen Mengen via Pipelines nach Deutschland gebracht – anders als beim Gas, so König, könne hier nicht so schnell auf andere Quellen ausgewichen werden.
Energiesparen gegen den Krieg könnte durch Maßnahmen ermöglicht werden: Doch was würden Schritte wie autofreie Sonntage oder ein temporäres Tempolimit bringen? watson klärt die wichtigsten Fragen für euch.
Die Spritpreise steigen. Schon seit Beginn des Jahres, aber mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine noch höher und noch schneller. Wie die "Tagesschau" berichtet, liegt der Ölpreis so hoch, wie seit 2008 nicht mehr. Die Umweltministerin von Baden-Württemberg, Thekla Walker, schlägt deshalb autofreie Sonntage vor. Um so Sprit zu sparen.
Gegenüber der dpa sagte Walker:
Im Zuge des Jom-Kippur-Krieges 1973 zwischen Israel, Ägypten und Syrien fuhr die Organisation der Arabischen Erdölexportierenden Staaten (OPEC) die Ölproduktion herunter. Ziel war es, den Rohstoff künstlich zu verknappen und so als politisches Druckmittel einzusetzen. Denn Israel sollte aus Sicht der arabischen Staaten die besetzen Gebiete in Ägypten und Jordanien räumen. Die USA und andere westliche Staaten sollten ihre Haltung gegenüber Israel ändern.
Als Reaktion auf die, durch eben diese Verknappung, stark gestiegenen Preise hat die deutsche Bundesregierung damals ein Fahrverbot an vier Sonntagen verhängt. Ausnahmen bildeten Taxis, der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV), sowie Einsatzfahrzeuge. Außerdem wurde die erlaubte Geschwindigkeit gedrosselt.
"Würde zweimal im Monat ein autofreier Sonntag verhängt, würde sich – bezogen auf ein Jahr – der Kraftstoffabsatz um 1,3 Millionen Tonnen verringern", schreibt die Umweltorganisation Greenpeace in einer gerade veröffentlichten Studie zum sofortigen Ölsparen gegen den Krieg.
Gegen ein solches Fahrverbot spricht allerdings, dass auch an Sonntagen Menschen arbeiten und mobil sein müssen – gerade im ländlichen Raum ist der ÖPNV zudem nicht immer gut ausgebaut, wodurch die Bevölkerung auf das Auto angewiesen ist.
Das Tempolimit ist immer wieder Thema, wenn es um umweltfreundlichere Mobilität geht. Durch geringere Geschwindigkeiten und weniger Tempowechsel kann Energie gespart werden – der Kraftstoffverbrauch würde sinken.
In der Greenpeace-Studie heißt es:
Auch in den Wahlprogrammen von Grünen, Linken und SPD zur Bundestagswahl 2021 ist das Tempolimit festgeschrieben worden. Die Ampel-Regierung hat die Einführung in ihrem Koalitionsvertrag allerdings ausgeschlossen.
Auf die watson-Anfrage, ob ein temporäres Tempolimit für die Zeit des Krieges überlegt werden könnte, antwortet der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Bernd Reuther:
Ein befristetes Tempolimit als Maßnahme zur Reduzierung des Spritverbrauchs lehnt auch Christian Lindner ebenfalls ab. "Angesichts der hohen Spritpreise gibt es einen natürlichen Impuls, weniger zu verbrauchen", sagte der Finanzminister dem "Tagesspiegel" am Sonntag und verwies darauf, dass Autofahrer auch von sich aus den Fuß vom Gaspedal nehmen könnten.
Ähnlich abweisend, wenn auch mit anderer Begründung äußert sich Thomas Lutze, der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion. Zwar sei seine Partei für das allgemeine Tempolimit in der aktuellen Situation und nur temporär bringe es aus seiner Sicht allerdings wenig. "Auch ein autofreier Sonntag kommt nicht infrage", sagt Lutze. Grund sei vor allem die Bevölkerung auf dem Land, die dann nicht mehr von A nach B käme.
Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dorothee Martin, spricht sich für zielgenaue Hilfen für Einkommensschwächere aus: "Wir müssen Mobilität für schwächere Einkommen bezahlbar halten und diesen Haushalten gezielt helfen, um die hohen Energiepreise sozial abzufedern", meint Martin. Sie ist überzeugt, dass Menschen von alleine Energie sparen, wenn sie dadurch Geld sparen können. "Debatten um Verbote oder Vorschriften in dem Bereich sind daher weder nötig noch hilfreich", fasst Martin zusammen.
Dass ein temporäres Tempolimit eingeführt wird, ist also eher unwahrscheinlich.
Ein weiterer Vorschlag, die Heizung in der eigenen Wohnung ein bisschen runterdrehen, um so weniger Energie zu verbrauchen. Laut Greenpeace werden ein Fünftel der deutschen Wohnungen mit Erdöl geheizt. Die Umweltorganisation schlägt in ihrer Studie vor, den Einbau von Wärmepumpen im Jahr 2022 noch stärker voranzutreiben, um sich nachhaltig unabhängig zu machen – solche Pumpen nutzen Strom für die Energiegewinnung und sich oftmals mit Fotovoltaikanlagen verbunden.
Aus Sicht des Energieexperten Volker Quaschning wäre die Absenkung der heimischen Raumtemperatur eine sinnvolle Maßnahme.
Gegenüber watson sagt Quaschning:
Jetzt allerdings auf den heimischen Holzofen umzusatteln, um die Wohnung trotzdem auf eine muckelige Temperatur hochzuheizen, ist zumindest aus Feinstaub-Gründen wenig sinnvoll. Wie der Naturschutzbund mitteilt, pusten vor allem alte Holzöfen besonders viel Feinstaub und andere Schadstoffe aus.
Seit der Pandemie ist Homeoffice in vielen Bereichen gang und gäbe. Und auch in der aktuellen Debatte wird die Möglichkeit der Heimarbeit ins Gespräch gebracht. Nicht, weil so Energie in Form von Heizkosten oder Strom gespart werden könnte, sondern weil der Weg zur Arbeit, der oftmals mit dem Auto zurückgelegt wird, wegfallen würde.
Insgesamt, so schlägt es die Umweltagentur Greenpeace vor, sollten Menschen versuchen, so oft wie möglich auf das Autofahren zu verzichten. Ein weiterer Vorschlag der Studie lautet nämlich: "Verzicht auf jede vierte Freizeit-Autofahrt über 20 Kilometer".
Insgesamt könnte also sowohl im politischen, als auch im privaten Bereich darauf geachtet werden, weniger russische Rohstoffe zu verbrauchen und so einen Importstopp zu begünstigen. Rund Hundert Aktivistinnen und Aktivisten haben in einem offenen Brief bereits einen solchen Stopp gefordert. In der aktuellen Lage sieht es aber nicht so aus, als würde die deutsche Politik dieser Forderung nachkommen.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) prognostizierte auf einer Pressekonferenz während ihrer Balkanreise in der vergangenen Woche, dass Europa und Deutschland im Falle eines Gasimportstopps in "in ein paar Wochen keinen Strom und keine Wärme mehr" hätten. Das könne aus Ihrer Sicht zu einer Destabilisierung führen, die sich Wladimir Putin nur wünsche.