Er hatte es bei seinem Wahlkampfauftritt in Dayton (Ohio) angetönt. Am Dienstagabend schritt Donald Trump zur Tat: In seiner Residenz Mar-a-Lago in Palm Beach (Florida) verkündete der 76-Jährige seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2024. Sie kommt nicht überraschend, doch viele Republikaner werden insgeheim gestöhnt haben.
Denn Trumps Winner-Image ist seit den Zwischenwahlen von letzter Woche ruiniert. Der Erdrutschsieg, den sich die Republikaner aufgrund der idealen Umstände und der Umfragen erhofft hatten, fand nicht statt. Sie werden zwar das Repräsentantenhaus kontrollieren, doch im gewichtigeren Senat haben weiterhin die Demokraten das Sagen.
Manche können es noch immer nicht fassen, dass die allgemein erwartete "rote Welle" ausgeblieben ist. "Ich fühle mich wie ein Typ, dessen Kompass dermaßen verrückt spielt, dass ich nicht weiß, wo Norden liegt", sagte etwa das alte Schlachtross Newt Gingrich, ein Ex-Speaker des Repräsentantenhauses, der Washington Post.
Der Schuldige wurde rasch ausgemacht: Donald Trump. Er hatte für wichtige Posten in den Swing States Kandidaten durchgeboxt, die seine Lüge vom gestohlenen Wahlsieg 2020 unterstützten und teilweise offen erklärten, sie würden 2024 für das "richtige" Resultat sorgen. Sie scheiterten allesamt, zuletzt Kari Lake, die Gouverneurin von Arizona werden wollte.
Trumps Leugnung von Joe Bidens Wahlsieg und seine Angriffe auf die Demokratie haben eine resolute Gegenreaktion ausgelöst. Immer mehr Republikaner wollen die Ära Trump abhaken und nach vorn schauen, darunter gewichtige Parteispender. "Donald Trump muss weg, Punkt", sagte Bobbie Kilberg, eine große Geldgeberin aus Virginia, der "Washington Post".
Das Problem ist, dass Trump nicht weichen will. Es sind vor allem drei Gründe, die ihn zur erneuten Kandidatur veranlasst haben:
Donald Trump ist ein Loser, lautete die allgemeine Einschätzung nach den Midterms. Für sein enormes Ego allerdings existiert dieses Wort nicht. Er hält sich für einen geborenen Sieger, obwohl schon seine Bilanz als Unternehmer gelinde gesagt durchzogen war und seine vier Jahre im Weißen Haus durch permanentes Chaos geprägt waren.
Deshalb bringt es Trump auch nicht fertig, seine Wahlniederlage gegen Joe Biden zu akzeptieren. Und deshalb hält er sich für den Einzigen, der fähig ist, die USA wovor auch immer zu retten ("Save America" lautet sein aktueller Wahlkampfslogan). Seine erneute Kandidatur für die Präsidentschaft ist die logische Folge von so viel Selbstherrlichkeit.
Donald Trump ist berüchtigt für seine Prozessfreudigkeit. Nun aber sitzt ihm die Justiz selber im Nacken. Vier hochkarätige Fälle stechen heraus. Weit fortgeschritten ist ein Verfahren im Bundesstaat New York. Dort hat Justizministerin Letitia James im September eine Zivilklage gegen die Trump Organisation wegen Betrugs und Steuerhinterziehung eingereicht.
In drei weiteren Fällen droht Trump sogar eine Strafklage. So hat die Hausdurchsuchung des FBI in Mar-a-Lago ergeben, dass der Ex-Präsident bei seinem Auszug aus dem Weißen Haus hochgeheimes Material mitgehen ließ. Und im Bundesstaat Georgia wird gegen Trump und seine Entourage wegen Anstiftung zum Wahlbetrug ermittelt.
Das gewichtigste Verfahren aber betrifft den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021, der sich immer mehr als geplanter Staatsstreich entpuppte. Der Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses dürfte seinen Bericht im Dezember vorlegen. Danach muss Justizminister Merrick Garland entscheiden, ob und wie er gegen Trump vorgehen will.
Noch ist Donald Trump selber in keinem dieser Fälle angeklagt. Und die Hürden für eine Verurteilung sind hoch, denn der Ex-Präsident wird ein Heer von Anwälten mobilisieren. Noch besser ist es für ihn, sich nochmals in Weiße Haus wählen zu lassen. Als amtierender US-Präsident könnte er sich eine juristische Atempause verschaffen.
Donald Trump verfügt nach wie vor über beträchtlichen Rückhalt bei der Parteibasis. Whit Ayres, ein Meinungsforscher für die Republikaner, hat sie gegenüber der "Washington Post" in drei Gruppen eingeteilt. Rund 10 Prozent sind demnach "Never Trumpers", die ihn kategorisch ablehnen. 50 Prozent sind "Maybe Trumpers", die zum Bruch bereit wären.
Das Problem sind die 40 Prozent, die Ayres als "Always Trumpers" bezeichnet. Sie folgen ihrem Helden bedingungslos und würden ihn niemals fallen lassen. Diese Hardcore-Fans sind Trumps größter Trumpf gegenüber seiner Partei und Motivation, um erneut anzutreten. Denn es ist schwer vorstellbar, dass die Republikaner auf sie verzichten wollen.
An sich sehen viele Republikaner ein, dass sie mit Donald Trump keinen Blumentopf mehr gewinnen können. Einige haben ihre Ambitionen für die Präsidentschaft mehr oder weniger klar formuliert, etwa Ex-Vizepräsident Mike Pence, Chris Christie, der frühere Gouverneur von New Jersey, oder Larry Hogan, der abtretende Regierungschef des Staates Maryland.
Andere halten sich noch bedeckt, vor allem Ron DeSantis, auf den viele große Hoffnungen setzen. Auch Ex-Außenminister Mike Pompeo oder Glenn Youngkin, der Gouverneur von Virginia, sondieren offenbar eine mögliche Kandidatur. Offen bleibt, ob sie es wirklich wagen werden, Trump in einer republikanischen Vorwahl herauszufordern.
Nach dem 6. Januar 2021 sah es schon einmal so aus, als ob die Republikaner bereit wären, sich vom polarisierenden Ex-Präsidenten loszusagen. Schon bald aber huldigten sie ihm erneut, auch wegen seiner Fangemeinde. Trump weiß das genau, und deshalb kandidiert er erneut. Darüber freuen können sich vor allem Joe Biden und die Demokraten.