Politik
Analyse

US-Präsidentschaftswahl: So lief das TV-Duell zwischen Mike Pence und Kamala Harris

SALT LAKE CITY, UTAH - OCTOBER 07: Democratic vice presidential nominee Sen. Kamala Harris (D-CA) and U.S. Vice President Mike Pence participate in the vice presidential debate at the University of Ut ...
Wegen Corona mit viel Abstand und Glasscheibe: Das TV-Duell zwischen Vizepräsident Mike Pence (r.) und seine Herausforderin Kamala Harris lief gesitteter ab als das zwischen Joe Biden und Donald Trump.Bild: Getty Images North America / Pool
Analyse

Klimawandel, Rassismus und Corona: Darum ging es beim TV-Duell zwischen Mike Pence und Kamala Harris

08.10.2020, 07:1108.10.2020, 11:56
Mehr «Politik»

Trump-Vize Mike Pence und Herausforderin Kamala Harris lieferten sich in der Nacht zum Donnerstag einen Schlagabtausch, der im Gegensatz zum Aufeinandertreffen ihrer Chefs Trump und Biden die Bezeichnung Debatte verdient hatte: Es wurden wirklich Argumente ausgetauscht.

"Das größte Versagen einer Regierung in der Geschichte unseres Landes."
Kamala Harris über Trumps Corona-Politik

Natürlich war Corona nach der Infektion des US-Präsidenten ein entscheidendes Thema der Debatte und ein gefundenes Fressen für die Demokratin. Kamala Harris sprach gleich zu Beginn von "dem größten Versagen einer Regierung in der Geschichte unseres Landes" und wies auf die über 210.000 toten Amerikaner durch COVID-19 hin.

Für Mike Pence war das logischerweise ein schwieriges Thema: Er ist Leiter der Corona-Taskforce im Weißen Haus. Pence verteidigte die Politik von Donald Trump und verwies auf den Einreisestopp aus China, der seiner Meinung nach hunderttausenden Amerikanern das Leben gerettet habe und zu Unrecht von der Opposition immer wieder kritisiert worden sei.

LAS VEGAS, NEVADA - OCTOBER 02: Democratic U.S. Vice Presidential nominee Sen. Kamala Harris (D-CA) speaks during a voter mobilization drive-in event at UNLV on October 2, 2020 in Las Vegas, Nevada. H ...
Demokratische Herausfordererin: Kamala Harris gilt als rhetorisch stark und geübt darin, hitzige Debatten zu führen.Bild: Getty Images North America / Ethan Miller

Keine gute Idee, denn nun ging Harris hier in die Offensive. 210.000 Tote seien Zeugnis für das Versagen der Regierung in der Corona-Krise. Die Regierung habe ihrer Meinung nach dem "amerikanischen Volk nicht die Wahrheit gesagt und Informationen vorenthalten". Eine Aussage, die Pence vehement bestritt und erklärte, dass alle Informationen, die Dr. Fauci – so etwas wie der amerikanische Christian Drosten – der US-Regierung gegeben habe, auch der Öffentlichkeit mitgeteilt wurden.

Auf den Gesundheitszustand von Trump angesprochen, wich Pence aus

Aber es blieb nicht bei abstrakten politischen Abläufen, sondern wurde auch persönlich. Moderatorin Susan Page sprach Mike Pence auf das Treffen vergangene Woche im Rosengarten des Weißen Hauses an, bei dem wohl auch US-Präsident Trump bereits infiziert war. Einige Fotos und Videos zeigen, wie sich die Gäste umarmten, weder Masken trugen noch Abstände einhielten. Auch Mike Pence war vor Ort. Auf die Frage, ob die Regierung eine Vorbildfunktion im Umgang mit dem Coronavirus habe, hatte er keine Antwort.

Stattdessen ging Pence in die Offensive und beschuldigte Joe Biden, dieser wolle mit Verboten auf die Corona-Krise reagieren, die Wirtschaft lahmlegen und einen Maskenzwang einführen. Die Taktik, unangenehmen Fragen mit Angriffen auf Trumps Herausforderer zu begegnen oder auf ein anderes Thema auszuweichen, schien Pence' Mantra des Abends zu sein. Auf den Gesundheitszustand des Präsidenten angesprochen, wich Pence abermals aus. Er erklärte, dass Trump außerordentlich gut behandelt würde. Mehr nicht.

"Als ich hörte, Donald Trump zahlt 750 Dollar Steuern, dachte ich erst 750.000."
Kamala Harris

Damit bot er reichlich Angriffsfläche für Herausforderin Kamala Harris. Sie kritisierte, die Intransparenz des Präsidenten, nicht nur, wenn es um seine Gesundheit ginge, sondern auch in Sachen Steuerhinterziehung. Harris thematisierte die Enthüllungen der "New York Times", nach denen Donald Trump in den vergangenen Jahren kaum Steuern gezahlt hatte: "Als ich hörte, Donald Trump zahlt 750 Dollar Steuern, dachte ich erst 750.000." Es wäre unglaublich, wie intransparent Trump beim Thema Finanzen sei: "Das amerikanische Volk muss wissen, von wem der Präsident abhängig ist."

Mike Pence wiegelte abermals ab und schoss sich wieder mal auf Joe Bidens angebliche Abhängigkeit von staatlichen Ämtern ein: "Donald Trump ist ein Geschäftsmann. Er hat Arbeitsplätze geschaffen und zig Millionen Dollar Steuern gezahlt – Grundsteuer und Umsatzsteuer. Joe Biden steht seit 47 Jahren in staatlichen Diensten während Trump Unternehmererfahrung hat." Auch insgesamt verteidigte Pence Trumps Wirtschaftspolitik. Er hätte die Steuern gesenkt und Jobs geschaffen: "Joe Biden wird unsere Wirtschaft wieder China ausliefern."

NEWPORT NEWS, VA - SEPTEMBER 25: Vice President Mike Pence waves after speaking during a campaign rally at Newport News/Williamsburg International Airport on September 25, 2020 in Newport News, Virgin ...
Viel Bühnenerfahrung: Trump-Vize Mike Pence war vor seiner Zeit als Politiker Radiomoderator.Bild: Getty Images North America / Drew Angerer
"Obama-Care war ein Desaster."
Mike Pence

Auf die Gesundheitsversorgung angesprochen kritisierte Kamala Harris, dass die Trump-Regierung Obama-Care abschaffen wolle und das gerade jetzt während der Corona-Krise ein Problem sei: Über 20 Millionen würden ihre Krankenversicherung verlieren, da sie nach einer Corona-Erkrankung als vorerkrankt gälten und daher keine Krankenversicherung mehr abschließen könnten.

Mike Pence erklärte daraufhin: "Obama-Care war ein Desaster" und versprach, dass der Präsident ein viel besseres Konzept vorlegen werde. Auf dieses Konzept für eine neue Form der Krankenversicherung warten die USA allerdings nun schon seit Jahren. Trump hatte immer wieder versprochen, es komme "in zwei Wochen".

"Es gibt nicht mehr Hurrikans als vor hundert Jahren."
Mike Pence

Schließlich kam die Debatte zum Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Trumps Vize Pence erklärte, es gebe einen Klimawandel und, dass die Trump-Regierung darauf im Einklang mit den Erkenntnissen der Wissenschaft reagiere. Eine Aussage, die im krassen Kontrast zu den Handlungen des Präsidenten steht. Als es anschließend aber konkret wurde, relativierte Pence die Auswirkungen des Klimawandels entsprechend und erklärte: "Es gibt nicht mehr Hurrikans als vor hundert Jahren."

Weiter sagte Pence, dass die Meldungen über die Auswirkungen des Klimawandels und die kalifornischen Waldbrände aufgebauscht seien und nur dazu da, den "Green New Deal" der Demokraten durchzusetzen, der sich laut Pence negativ auf die amerikanische Wirtschaft auswirken würde. "Biden will das Fracking und die fossilen Energien verbieten. Das wird viele Arbeitsplätze kosten", so Pence.

Kamala Harris stellte zunächst klar: "Joe Biden wird das Fracking nicht verbieten. Das hat er ganz klar gesagt". Eine Haltung, die nicht alle in der demokratischen Partei teilen. Die linke amerikanische Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez twitterte zeitgleich zur Debatte: "Fracking ist tatsächlich sehr schlecht" und erhielt eine halbe Million Likes ihrer Unterstützer.

"Es gibt keine Entschuldigung für Plünderungen"

Auch die Themen Rassismus und Polizeigewalt durften natürlich nicht fehlen. Moderatorin Susan Page fragte die beiden Kandidaten, ob der Tod von Breonna Taylor, die bei einer Hausdurchsuchung mit acht Schüssen von Polizeibeamten getötet wurde, Unrecht gewesen sei.

Kamala Harris berichtete, dass sie mit der Familie von Breonna Taylor gesprochen habe und nun sicher sei, dass es in dem Fall keine Gerechtigkeit gegeben habe. Anschließend leitete sie über zum gewaltsamen Tod von George Floyd, der die jüngsten Ausschreitungen ausgelöst hatte, und sagte:

"8 Minuten und 46 Sekunden konnte das amerikanische Volk beobachten, wie ein Mensch gefoltert und getötet wurde."
Kamala Harris

Harris verwies auf ihre Erfahrung als Staatsanwältin und forderte eine Polizeireform. Sie wolle zusammen mit Joe Biden das Strafrecht reformieren, eine weniger strikte Drogenpolitik fahren und privat geführte Gefängnisse abschaffen.

Mike Pence erklärte hingegen, er vertraue auf die Rechtsprechung und das amerikanische Rechtssystem. "Es gibt keine Entschuldigung dafür, was George Floyd angetan wurde, aber der Gerechtigkeit wird Genüge getan. Es gibt aber auch keine Entschuldigung für Plünderungen."

Auch sieht Pence keinen strukturellen Rassismus innerhalb des amerikanischen Rechtssystems sowie der Polizei und hält die Annahme schon für einen Skandal:

"Die Unterstellung, es gebe in Amerika systemischen Rassismus ist eine große Beleidigung der Männer und Frauen, die in der Polizei dienen."
Mike Pence

Auch kamen Trumps Äußerungen während des TV-Duells mit Joe Biden zur Sprache. Kamala Harris attackierte den US-Präsidenten klar: "Vergangene Woche, als der Präsident gefragt wurde, hat er sich nicht bereiterklärt, sich von weißen Rassisten zu distanzieren." Trump hatte weißen Bürgermilizen erklärt, sie sollen sich "bereithalten". Kamala Harris weiter: "Amerika verdient etwas Besseres. Joe Biden wird ein Präsident sein, der dieses Land eint."

Pence verteidigte die Aussagen des US-Präsidenten und hielt Kamala Harris Kritik und die der Öffentlichkeit für eine Fehlinterpretation von Trumps Äußerungen. Er beschuldigte die Medien, Trumps Äußerungen aus dem Kontext gerissen zu haben. Eine Kritik, die sich schwer belegen lässt, da die Aussagen von Donald Trump live im Fernsehen nachzuverfolgen und eindeutig zu verstehen waren – auch und insbesondere von den angesprochenen weißen Bürgermilizen, die auf Twitter unter dem Hashtag #proudboys ihre Sympathien für den US-Präsidenten zeigten.

Wird Trump friedlich abtreten?

Das letzte Thema des Abends war die eigentliche Wahl. Moderatorin Susan Page wies darauf hin, dass US-Präsident Trump mehrfach infrage gestellt hatte, nach einer verlorenen Wahl diese anzuerkennen und abzutreten. Sie fragte Herausforderin Harris, was sie tun wolle, sollten Trump und Pence nicht freiwillig abtreten. Harris wich der Frage aus und fordert stattdessen die Amerikaner auf, zur Wahl zu gehen.

Auch Mike Pence machte keine klare Aussage und zeigte damit ein schwieriges Verhältnis zur demokratischen Verfassung der Vereinigten Staaten. Er distanzierte sich nicht von den Äußerungen Trumps, eine demokratische Wahl möglicherweise nicht anzuerkennen. Stattdessen erklärte er, dass er davon ausgeht, die Wahl zu gewinnen und sich diese Frage damit gar nicht stellen würde. Wieder einmal lenkte Pence vom Thema ab, behauptete, das FBI habe die Trump-Regierung ausgespäht und beschuldigte die Demokraten versucht zu haben, Donald Trump aufgrund eines Telefonanrufes aus dem Amt zu entheben.

Wer hat gewonnen?

Die Debatte war insgesamt sehr ausgeglichen verlaufen. Keiner der beiden Kandidaten konnte den anderen wirklich ins Straucheln bringen, auch wenn sich Mike Pence mit einigen Aussagen selbst entlarvt hatte. Auf der anderen Seite war er Kamala Harris aber keinesfalls so unterlegen, wie viele demokratische Unterstützer es im Vorfeld angekündigt hatten.

Fazit: Ein klassisches Unentschieden. Die Umfragen in den nächsten Wochen werden zeigen, ob eine der beiden Seiten es geschafft hat, Unterstützer auf die eigene Seite zu ziehen.

Für US-Präsident Donald Trump war es hingegen eine klare Angelegenheit, er twitterte noch während der Debatte eifrig und erklärte Pence anschließend zum Sieger:

Flucht und Barrikaden: Washington fürchtet Gewalteskalation am Wahltag

Der US-Wahlkampf nähert sich dem Siedepunkt. Elf Tage vor dem finalen Wahltag hat das Rennen ums Weiße Haus einen vorläufigen Höhepunkt an Beleidigungen und Drohungen erreicht. Doch die Atmosphäre droht sich erst am Wahltag so richtig zu entladen.

Zur Story