Wie Duisburgs Ex-Oberbürgermeister im Loveparade-Prozess die Erinnerung verließ
02.05.2018, 16:3802.05.2018, 16:50
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Nicht wenige hätten ihn gerne auf der Anklagebank gesehen: Der
ehemalige Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland musste am
Mittwoch im Loveparade-Prozess in den Zeugenstand. Die Katastrophe
läutete seinen politischen Niedergang ein.
"Für uns ist er der eigentliche Schuldige", sagt
Paco Zapater in einer Verhandlungspause. Der grauhaarige Spanier hat
bei der Loveparade-Katastrophe 2010 seine Tochter Clara verloren. Er
trägt ein Foto von ihr am Revers, ist zum Prozess um das Unglück
eigens nach Düsseldorf gekommen. Zapater meint Duisburgs
Ex-Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU), der seit Mittwoch in dem
Prozess aber nur als Zeuge aussagen muss. Die Ermittlungen hatten ihn
entlastet.
Glaubt man Sauerland, war er selbst mehr Getriebener denn Macher des
Technospektakels. Der Kommunalverband Ruhr habe es der Stadt
angetragen. Er habe die Bewerbung in den Stadtrat eingebracht und
auch selbst dafür gestimmt, dann aber das organisatorische und
genehmigungsrechtliche Klein-Klein seiner Verwaltung überlassen. "Das
war dann Sache der Fachlichkeit."
"Dieser Herr weiß nichts. Alles waren die anderen. Ein Bürgermeister, der nichts entscheidet, nichts weiß und herumsteht wie ein Deko-Stück - was will man mit dem?"
Paco Zapater, hat bei der Loveparade seine Tochter verloren
Und sogar dem Vorsitzenden Richter Mario Plein scheint die
vorgetragene Unkenntnis Sauerlands immer dann, wenn es konkret wird,
aufzustoßen: "Klein-Erna würde sagen: Das ist alles komisch. Wir
reden hier ja nicht über den Flohmarkt in Duisburg-Marxloh. Wir reden
über die Loveparade. Das ist schwer nachvollziehbar."
Ob es jemals eine größere Veranstaltung in Duisburg gegeben habe,
will der Richter wissen. "Die World Games 2005 waren auch groß",
antwortet Sauerland.
Für Sauerland ist die Loveparade längst zum eigenen Schicksal
geworden. Er, der das politische Wunder vollbracht hatte, der SPD die
Macht im Duisburger Rathaus zu entreißen, erlebte mit der Katastrophe
seinen Karriereknick. Im Zeugenstand stellt sich der 62-Jährige am
Mittwoch als Pensionär vor.
Die Loveparade-Katastrophe
Bei der Loveparade am 24. Juli 2010 in Duisburg starben im Gedränge des einzigen Zugangs 21 Menschen, mindestens 652 wurden verletzt. Der Prozess gegen Mitarbeiter der Stadt Duisburg und des Veranstalters Lopavent hatte im Dezember begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen unter anderem fahrlässige Tötung wegen Fehlern bei der Genehmigung und Planung der Großveranstaltung vor.
Es habe namhafte Kritiker der Loveparade in Duisburg gegeben, räumt
Sauerland ein. Etwa den Duisburger Polizeipräsidenten und seinen
eigenen Ordnungsamtsleiter. Er persönlich sei auch kein Freund der
Parade gewesen, behauptet Sauerland sogar.
Er habe auch kritische Vermerke gelesen, aber schließlich seien die
notwendigen Genehmigungen ja erteilt worden. Daraus schließe er, dass
die Bedenken ausgeräumt worden seien. Aktiv eingegriffen habe er
jedenfalls nicht. Über die eigentliche Genehmigung der Loveparade
eine Woche vor dem Großereignis sei er per SMS in seinem Urlaub in
den Bergen informiert worden.
Der Todestunnel in Duisburg.bild. imago
Als der Richter Vermerke und Protokolle vorliest, in denen es heißt,
der Oberbürgermeister sei verwundert oder sehe das auch so, verlässt
den Zeugen Sauerland die Erinnerung. Laut Vermerken teilt Dezernent
Wolfgang Rabe bei Schwierigkeiten wegen zu wenig Fluchtwegen mit: "Schließlich will der OB die Veranstaltung." Es müsse "eine Lösung
gefunden werden." Damit konfrontiert sagt Sauerland, Rabe habe seinen
Willen aus den beiden Ratsbeschlüssen zur Loveparade abgeleitet.
Der CDU-Politiker war nach der Tragödie massiv in die Kritik geraten,
weil er die politische Verantwortung für das Unglück nicht übernehmen
wollte und bereits Stunden nach dem Unglück mitteilte, dass es am
Sicherheitskonzept nicht gelegen haben könne. Im Februar 2012 wählten
ihn die Duisburger in einem Bürgerbegehren mit großer Mehrheit ab.
Nach jahrelangem Schweigen hatte sich Sauerland 2016 erstmals
öffentlich zum Loveparade-Unglück geäußert – und Fehler eingeräumt.
Nach der Katastrophe 2010 habe er sich bemüht, keine juristischen
Fehler zu machen und dabei "das Mitgefühl für die Angehörigen
vergessen", sagte Sauerland.
"Wahrscheinlich hätte ich viel früher auf die Opfer zugehen müssen."
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