Der Ausgang des SPD-Mitgliederentscheids zieht weite Kreise über die Grenze der Partei hinaus. Die Union fürchtet, dass Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken nicht tragbare Bedingungen für den Fortbestand der großen Koalition stellen, was CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer schon jetzt per Statement zu unterbinden versucht. "Wir stehen zu dieser Koalition", sagte AKK, allerdings mit folgendem Zusatz: "Auf der Grundlage, die verhandelt ist". Sprich: Nachverhandelt wird nicht.
Während die Union jedoch versucht, öffentlich die Fassung zu wahren, zeigt sich die FDP offen schockiert von der Wahl Walter-Borjans und Saskia Eskens. "Wir bereiten uns auf Neuwahlen vor oder den Zerfall der CDU, wenn sie den weiteren zu erwartenden Forderungen der Sozialdemokraten nachgeben", sagte Wolfgang Kubicki etwa der "Welt am Sonntag".
Parteikollege Christian Lindner hatte sich direkt nach der Bekanntgabe auf Twitter geäußert. "Ich bin völlig baff", schrieb der FDP-Chef.
Diese Aussage führte zu einer hitzigen Diskussion mit Luisa Neubauer, dem deutschen Gesicht von Fridays for Future.
Die Umweltaktivistin reagierte auf den Tweet, in dem sie offenbar ein Lindner'sches Entsetzen angesichts des SPD-Votums herauslas. Ironisch sprach sie dabei von "Euphorie" bei Lindner – und schlug vor, dass die FDP ebenfalls darüber debattieren könnte, einen neuen Vorsitzenden per Urwahl zu suchen.
Lindner – der offenbar kein Interesse daran hat, seinen Posten als Parteichef anderen zur Verfügung zu stellen – ließ sich das nicht gefallen.
Das wiederum wollte Neubauer so nicht stehen lassen. Ihr Argument: Bundestagsparteien und Aktivisten-Gruppen seien nicht vergleichbar.
Neubauer hatte die Entscheidung der SPD-Mitglieder für Walter-Borjans und Esken zuvor begrüßt: "Glückwunsch. Auf dass der neue SPD-Vorsitz diesen Tag als einen Startschuss für eine tatsächliche ökologisch-soziale Erneuerung versteht. Mit allen etwaigen Konsequenzen für die Koalition", schrieb sie auf Twitter. "Nicht nur die SPD, sondern auch dieses Land hätte es bitter nötig."
Richtig. Lindner hatte im Frühjahr heftige Kritik für die Aussage über die Schülerproteste kassiert, wonach Klimaschutz "eine Sache für Profis" sei.
Neubauer fand dieses Statement überheblich: "Daraus geht eigentlich in erster Linie hervor: 'Ihr jungen Menschen habt eigentlich keine Ahnung, und dass ihr es wagt, eine eigene Stimme zu haben, ist eigentlich ein bisschen over the top.'"
(hau)