Krieg in Deutschland: Chefarzt warnt vor fehlender medizinischer Ausrüstung
Wie wäre es, in einem Land zu leben, das sich im Krieg befindet? Was in der Ukraine vor mehr als drei Jahren bittere Realität geworden ist, ist in Deutschland noch immer schwer vorstellbar.
Dennoch wird die Gefahr, etwa durch den Nato-Bündnisfall direkt in den Konflikt einzutreten, immer größer. Mittels Luftraumverletzungen und anderen Drohgebärden in Richtung Westen versucht der Kreml, die Europäische Union weiter zu provozieren. Auf einen echten Konflikt aber wäre man zumindest in Deutschland nicht vorbereitet.
Experte warnt vor Kriegsszenario in deutschen Kliniken
"Die Ressourcen in den Kliniken sind doch jetzt schon knapp. Wie soll das erst werden, wenn noch hunderte Verletzte hinzukommen?", merkt Prof. Tomislav Stojanovic im Gespräch mit dem "Tagesspiegel" an. Er ist Chefarzt an der Klinik für vaskuläre und endovaskuläre Gefäßchirurgie am Klinikum Wolfsburg.
Zwar schätzt er die Wahrscheinlichkeit für kriegerische Auseinandersetzungen innerhalb Deutschlands als sehr gering ein. Schon Kampfhandlungen in Polen mit deutscher Beteiligung würden ihm zufolge aber die medizinische Versorgung erheblich auf die Probe stellen.
"Es wäre am Anfang gut möglich, diese verletzten Soldaten zu versorgen. Später, wenn etwa Intensivbetten belegt wären, kann es eine logistische Herausforderung werden, diese hier ins medizinische System einzuspeisen", betont er. Auf eine aus Schätzungen hervorgehende Zahl von 1000 verletzten Soldat:innen pro Tag sei man schlicht "nicht vorbereitet".
Chefarzt offenbart Wissenslücken der medizinischen Fachkräfte
Hintergrund ist laut Stojanovic auch die Ausbildung der medizinischen Fachkräfte in Deutschland. Generell ist diese auf Friedenszeiten ausgelegt, hinzu kommt die geringe Erfahrung mit Schussverletzungen.
In den USA etwa habe man hier mehr praktisches Know-how, das im Ernstfall helfen kann. Entsprechend versierte Militärärzt:innen aus Deutschland würden im Ernstfall jedoch in das Kriegsgebiet selbst geschickt werden.
Stojanovic fordert in diesem Zusammenhang eine bessere Vorbereitung auf ein solches Szenario. "Es gibt ja ein Repertoire in Deutschland, wir haben große Kliniken. Aber es braucht den Willen, alles dafür zu tun, um gewappnet sein", betont er.
Neben ausreichenden Vorräten mit Medikamenten und medizinischer Ausrüstung braucht es demnach auch einen konkreten Plan, wie und was im Kriegsfall priorisiert würde. Triage-Systeme wie sie auch in der Corona-Pandemie Anwendung fanden, seien demnach auch in einem solchen Szenario denkbar.
Deutschland müsse sich in diesem Zusammenhang auch politisch über den Ernst der Lage bewusst werden und auch entsprechend handeln. "Wenn das Konzept am Ende doch nicht gebraucht werden sollte, umso besser", sagt der Chefarzt aus Wolfsburg.
