In seiner Anmoderation spricht Moderator Frank Plasberg bei "Hart aber fair" am Montagabend von der "Corona-Falle Altenheim". Und so reißerisch es erstmal klingen mag, die Zahlen sprechen für sich: In NRW haben 118 von 297 Corona-Toten in einem Pflegeheim gelebt.
Die Nähe und die dichte Belegung schaffen gefährliche Voraussetzungen. Darum haben Heime auch ein Besuchsverbot verhängt. Über die Corona-Probleme in Altersheimen diskutieren in der ARD am Montag:
Die Altenpflegerin Silke Behrendt-Stannies erzählt, dass sie zu bis zu 13 Patienten am Tag Kontakt habe. Eine Infektion könne sich da natürlich schnell ausbreiten. Vor allem, wenn die Versorgung mit Schutzkleidung ungenügend sei. Sie werde langsam rar. Mit dem Wegwerfartikel Masken würden sie sehr umsichtig umgehen.
"Das ist wie Bargeld rumliegen lassen. Die Bestände schrumpfen zusehends", erklärte die Altenpflegerin. Es wird nicht ganz klar, ob sie damit auch Diebstähle meint.
Es sei jedenfalls ein großes Problem, wenn man die eigene Gesundheit gegen die eines Patienten abwägen müsse, weil keine Schutzkleidung mehr da sei, sagte sie. Die Nachfrage von Moderator Plasberg, ob ohne Schutzkleidung denn die Pflege ausbleibe, verneinte sie allerdings. Man würde sich irgendwie behelfen.
Aber die gerade beschlossene Corona-Prämie von 1500 Euro für Altenpflegekräfte sei angesichts der Lage "keine Dankesprämie", sondern eher ein "Gefahrenzuschlag". Ihr Fazit: "Die Bedingungen, die seit Jahren versäumt worden sind, fliegen uns jetzt um die Ohren."
Diesen Vorwurf durfte sich NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) anheften. Zwar hat er gerade für NRW für 200 Millionen Euro Schutzmaterial bestellt. Aber: "Es ist in Wahrheit das Verteilen von Mangel", gab er zu. "Wir tun, was wir können, aber Material herbeizaubern kann ich auch nicht", so Laumann.
Als Plasberg wissen wollte, warum es so einen Masken-Mangel gebe, wurde der sonst so routiniert-ruhige Laumann zum ersten Mal ein bisschen lauter. Die Einrichtungen würden während dieser Pandemie-Zeiten in sieben Wochen so viele Masken verbrauchen wie sonst in zwei Jahren.
Und die Masken einfach so in Deutschland zu produzieren, sei auch nicht so einfach. Denn nur noch wenige Textilbetriebe könnten das medizinische Vlies für die Filter herstellen. In NRW gebe es nur einen Betrieb.
Auch Bernd Meurer, Betreiber von drei Altenheimen, hat gerade vier Millionen Masken für den Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste bestellt, dessen Präsident er ist.
Denn er ist sich sicher: "Man wird es nicht verhindern können, dass eine Infektion eingeschleppt wird." Egal, wie gut man die Patienten von Besuchern und ihrer Familie auch abschirmt.
Dass sich Isolation unmittelbar auswirkt, hat in den vergangenen Wochen wohl jeder gemerkt. Am schlimmsten treffe es aber alte Menschen, warnte Johannes Pantel, Professor für Altersmedizin.
"Die Nachteile sind belegt, sie sind erheblich. Isolation hat auf die Psyche eine negative Wirkung und kann auch das Immunsystem schwächen", erklärte er. Auch Depressionen und sogar Suizide könnten die Folge sein.
Die zuletzt immer wieder – auch von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) – geäußerte Idee, dass zuerst alle Menschen unter 60 zu einem normalen Leben zurückkehren und die Älteren als Gefahrengruppe in der Isolation verharren, hält der Mediziner für "absurd".
"Da bleibt mir die Spucke weg", ereiferte er sich. Der Mediziner urteilte sehr hart über diese mögliche Exit-Strategie.
Spahn hatte den Plan in einem Interview mit der "Zeit" vor zwei Wochen erklärt: "Wir brauchen Konzepte, die speziell auf Ältere und chronisch Kranke zugeschnitten sind. Wenn wir sie schützen, können wir gleichzeitig an anderen Stellen wieder normales Alltagsleben ermöglichen. Wir werden die Älteren also möglicherweise über mehrere Monate bitten müssen, ihre Kontakte stark einzuschränken und im Zweifel zu Hause zu bleiben."
Patel zur Seite sprang der Infektiologe Gerd Fätkenheuer. Er machte die Rechnung auf, dass nach den bekannten Faktoren in diesem Fall mit 100.000 Corona-Toten bei den unter 60-Jährigen in Deutschland zu rechnen sei. Sein Ratschlag: Weiter Abstand und Hygiene einhalten – egal in welchem Alter man ist.
Das würde auch gern Wiebke Worms. Seit 2010 pflegt sie ihren MS-kranken Mann zu Hause. Einkaufen gehen sei ihr "kleiner Urlaub am Tag". Aber das mache sie in Corona-Zeiten auch seltener. Sie fühle sich, wie viele der anderen drei Millionen pflegenden Angehörigen, im Stich gelassen, sagte sie. Allein auf Desinfektionsmittel habe sie drei Wochen gewartet. "Mundschutz gibt es sowieso nicht. Es mangelt an allem", fasste sie ihre Erfahrungen zusammen.
Zumindest, was Desinfektionsmittel angeht, sah Gesundheitsminister Laumann Licht am Ende des Tunnels: "Ich glaube, dass wir diese Engpässe ganz schnell überwunden haben." Einige Schnapsfabrikanten hätten bereits auf Desinfektionsmittelherstellung umgeschwenkt.