Neonazis, Identitäre und Burschenschafter: Die AfD pflegt fragwürdige Verbindungen zur rechten Szene. Seit Jahren wehrt sich die Partei dagegen, vom Verfassungsschutz als gesichert extremistische Bewegung eingestuft zu werden.
Bei der Sonntagsfrage zur Bundestagswahl hatte die AfD noch Rekordergebnisse eingefahren. Doch die Partei verliert an Zustimmung. In einer aktuellen Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Insa kommt sie mit 18,5 Prozent der Stimmen auf den schlechtesten Wert seit Mai 2023 und auf einen Punkt weniger als in der Vorwoche.
Bei dem Verlust dürften an die Öffentlichkeit geratene Enthüllungen über rechtsextreme Verbindungen der Partei verantwortlich sein.
Nun bringt eine brisante BR-Recherche das Ausmaß der rechtsextremen Verflechtungen innerhalb der AfD im Bundestag ans Licht. Auch die Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla sind laut Recherche involviert. Die Dimension dieser Verflechtungen überrascht.
Die Recherchen des Bayerischen Rundfunks legen nahe, dass die AfD-Fraktion und ihre 78 Abgeordneten erheblich mehr Personen aus dem rechtsextremen Spektrum beschäftigen als bisher bekannt. Die genaue Anzahl der Mitarbeitenden ist zwar unklar, da nur wenige Abgeordnete ihre Teams offenlegen. Doch interne Namenslisten und Mitarbeiterverzeichnisse lassen darauf schließen, dass es sich um mehr als 100 Personen handelt. Eigenen Angaben zufolge beschäftigt die Fraktion selbst 182 Mitarbeitende.
Laut BR-Recherchen finden sich darunter Aktivist:innen aus verschiedenen rechtsextremen Gruppierungen. Etwa der "Identitären Bewegung", ideologische Vordenker der "Neuen Rechten" und weitere Neonazis. Besonders besorgniserregend ist, dass einige dieser Mitarbeitenden in Verfassungsschutzberichten erwähnt wurden oder Führungspositionen in beobachteten Organisationen innehaben.
Ein Teil dieser vernetzten Akteur:innen ist auch in extremistische Aktivitäten involviert. Sie waren etwa bei Neonazi-Aufmärschen, Veranstaltungen von "Reichsbürger"-Gruppierungen der Organisation von "Querdenker"-Demonstrationen dabei. Alarmierend: Mehr als die Hälfte der AfD-Abgeordneten beschäftigt BR zufolge Mitarbeitende, die in vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Organisationen aktiv sind. Auch die Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla beschäftigen dem BR zufolge genannte Personen.
Die Reaktionen der AfD auf diese Enthüllungen sind verhalten. Die meisten Anfragen der Journalist:innen blieben dem Bericht zufolge unbeantwortet. Die Fraktion selbst verwies auf "Gründe des Datenschutzes und der Wahrung der Persönlichkeitsrechte" und äußerte sich nicht weiter zu den Vorwürfen. Einige Abgeordnete stellten hingegen die Unabhängigkeit der Verfassungsschutzämter infrage.
Mehr als 30 Millionen Euro haben die AfD-Fraktion und ihre Abgeordneten für Mitarbeitende im Jahr zur Verfügung. Angesichts der Enthüllungen fordert die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Konsequenzen. Sie zeigt sich gegenüber BR "erschüttert" und warnt davor, dass Mitarbeitende mit Verbindungen zu rechtsextremen Kreisen die Demokratie von innen aushöhlen könnten. Zudem plädiert sie dafür, die Finanzierung solcher Mitarbeitenden aus Steuergeldern zu überdenken.
Besonders besorgniserregend ist die Nähe einiger AfD-Mitarbeitenden zur "Neuen Rechten". Diese Strömung im Rechtsextremismus strebt eine ideologische Erneuerung nach dem Nationalsozialismus an und betrachtet sich selbst als "Vorfeld" der AfD. Organisationen wie "Ein Prozent", die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft werden, unterstützen diese Aktivist:innen finanziell und organisatorisch.
Die Verbindungen zwischen der AfD und rechtsextremen Kreisen sind vielfältig und reichen bis in den Bundestag hinein. John Hoewer ist etwa ein Vorstand von "Ein Prozent" und arbeitet BR zufolge für den rheinland-pfälzischen Bundestagsabgeordneten Sebastian Münzenmaier. Der ehemalige Chef der Jungen Alternative, Marvin Neumann, geriet unter anderem wegen Äußerungen über "Weiße Vorherrschaft" in die Kritik und arbeitet nun für den Bundestagsabgeordneten Hannes Gnauck.
Der BR hat insgesamt fünf AfD-Mitarbeitende im Bundestag identifiziert, die einen engen Bezug zu "Ein Prozent" haben. Auch Autoren der neurechten Zeitschrift "Sezession", des Verlags "Antaios" und des rechten Magazins "Compact" arbeiten der Recherche zufolge im Bundestag.
Der Einfluss von Rechtsextremen ist also signifikant. Sie leiten die Büros der Parlamentarier in Berlin oder in ihren Wahlkreisen, verfassen Reden und Regierungsanfragen. Alles auf Kosten der Steuerzahler.