Die Thüringen-Krise schien endlich gelöst. Am Freitagabend hatten sich in Erfurt Vertreter von Linkspartei, SPD und Grünen mit der Thüringer CDU darauf geeinigt, dass es Neuwahlen im April 2021 geben soll.
Vorher will sich der Linken-Politiker Ramelow am 4. März 2020 im Landtag zur Wiederwahl stellen und eine Regierung bilden, die bis zur Neuwahl regieren soll. Laut "Spiegel"-Bericht vom Freitag sollen einige CDU-Abgeordnete im ersten Wahlgang für Ramelow stimmen, sodass dieser auf eine absolute Mehrheit kommt. Wie viele CDU-Abgeordnete für Ramelow stimmen, soll geheim bleiben.
Doch am Samstag wackelt die Lösung schon wieder, das Thüringen-Chaos scheint zurückzukommen. Denn: Die Bundes-CDU lehnt die Wahl des Linken-Politikers Bodo Ramelow zum Thüringer Regierungschef mit CDU-Stimmen ab.
Wer Ramelow zum Ministerpräsidenten wähle, verstoße gegen die Parteibeschlüsse, sagte Generalsekretär Paul Ziemiak am Samstag. Die Abgeordneten im Thüringer Landtag seien "nach der Verfassung frei, aber alle Mitglieder der CDU Deutschland sind an die Beschlüsse des Bundesparteitages gebunden". Ein Parteitagsbeschluss der CDU, der sogenannte Unvereinbarkeitsbeschluss, verbietet eine Zusammenarbeit mit Linkspartei und AfD.
Es gehe "um nicht weniger als um die Glaubwürdigkeit der CDU Deutschlands insgesamt", fügte Ziemiak hinzu. "Es geht um Grundüberzeugungen und Grundwerte und nicht um politische Spielchen." Der Generalsekretär bedauerte, dass es nicht möglich gewesen sei, angesichts der "unglaublich schwierigen Situation" in Thüringen eine Expertenregierung zu bilden. Er betonte auch, die Linke sei nicht mit der AfD zu vergleichen. Ein Vergleich Ramelows mit dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke verbiete sich ebenso.
Jedoch sei ein Parteitag der CDU "aus ganz unterschiedlichen Gründen" zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Koalition oder eine andere Zusammenarbeit mit Linkspartei oder AfD nicht möglich sei. "Fest steht für mich, dass eine Wahl von Herrn Ramelow mit den Beschlüssen der CDU Deutschland nicht vereinbar ist", sagte Ziemiak. Die Wählerinnen und Wähler müssten wissen, "was sie bekommen, wenn sie CDU wählen". Daher könne in diesem Zusammenhang "niemand aus der CDU" für Ramelow als Ministerpräsident stimmen.
Bodo Ramelow scheint sich seiner Wahl dennoch sicher zu sein. Er twitterte am Samstag, er gehe davon aus, im ersten Wahlgang mit einer Mehrheit gewählt zu werden. Dazu braucht er mindestens vier Stimmen aus anderen Fraktionen. Woher kommt dieses Vertrauen?
Es ist eher unwahrscheinlich, dass die gesamte Fraktion der CDU für Ramelow stimmt, denn so würde der Landesverband für alle sichtbar mit der Bundespartei und dem Unvereinbarkeitsbeschluss brechen. Dennoch hat die CDU Thüringen zwei Optionen, wie sie einen Ministerpräsidenten Ramelow ermöglicht, ohne vollkommen gegen die Parteispitze zu rebellieren.
Die thüringische CDU-Landtagsfraktion will nach Angaben ihres Abgeordneten Volker Emde die für Anfang März anberaumte Wahl von Bodo Ramelow (Linke) als Ministerpräsident sicherstellen. Bei den Verhandlungen mit Linkspartei, SPD und Grünen sei diesen zugesichert worden: "Wir stellen das Wahlergebnis sicher", sagte Emde der Nachrichtenagentur AFP am Samstag.
Emde war bei den Gesprächen einer von vier Unterhändlern für die Erfurter CDU-Fraktion. Kurios: Das "Sicherstellen" der vier nötigen CDU-Stimmen könnte auch durch ein Losverfahren stattfinden. Ein Losverfahren in der CDU-Fraktion über das Abstimmungsverhalten der einzelnen Abgeordneten sei denkbar, sagte Emde weiter.
Emde machte zudem deutlich, dass die Erfurter Einigung nicht mit der Bundes-CDU abgesprochen sei. "Ich finde nicht, dass wir dafür eine Genehmigung der Bundes-CDU brauchen", sagte er. "Wir gehen unseren eigenen Weg."
Thüringens CDU-Fraktionschef Mike Mohring betonte am Samstag, dass die CDU den Linken nicht aktiv wählen werde. Hier seine drei entsprechenden Tweets:
"Nicht aktiv" Ramelow wählen und dann doch irgendwie "Angebote annehmen" für eine "stabile Situation"?
Denkbar wäre etwa eine Enthaltung der CDU-Abgeordneten, so dass Ramelow im dritten Wahlgang mit der relativen Mehrheit der Stimmen gewählt wird. Rot-Rot-Grün hingegen will eine Wahl Ramelows im ersten Wahlgang sicherstellen, dafür braucht es die vier CDU-Stimmen. Also doch einfach Lose ziehen, weil das dann in den Köpfen der Thüringer CDU eine "passive" Wahl wäre?
Während Mohring zudem auf ein Gespräch vom 6. Februar mit Annegret Kramp-Karrenbauer verweist, hieß es aus der Berliner CDU-Zentrale am Samstag, das Verhandlungsergebnis in Erfurt sei "ohne Zutun" der Bundes-CDU entstanden und allein von der CDU Thüringen zu verantworten. Die CDU-Spitze habe die Thüringer Parteifreunde immer wieder auf den verbindlichen Parteitagsbeschluss zu Linkspartei und AfD hingewiesen.
Am Montag will die CDU-Parteiführung in Berlin über die neue Situation in Thüringen beraten. Dort wird sich wohl zeigen, welch großen Druck die CDU im Bund auf die Thüringer Fraktion ausüben wird. Eine andere Möglichkeit hat die Bundespartei im Grunde nicht. Denn klar ist: Ein Landesverband ist an sich unabhängig und kann stimmen, wie er es für richtig hält – jeder freie Abgeordnete sowieso.
(hau/pcl/mit Agenturmaterial)