An diesem Wochenende trifft sich die Grüne Jugend zu ihrem Bundeskongress in Leipzig. Dabei wird auch ein neues Sprecher:innen-Duo gewählt. Die bisherigen Köpfe der Grünen-nahen Jugendorganisation, Sarah-Lee Heinrich und Timon Dzienus, haben nach zwei Jahren im Amt die Maximal-Amts-Dauer ausgereizt.
Bevor die beiden aber Platz machen für ihre Nachfolger:innen, machen sie der Bundesregierung und Kanzler Olaf Scholz (SPD) noch eine gepfefferte Ansage. "Die AfD-light-Strategie stärkt am Ende die Nazis", macht Dzienus deutlich.
Im Interview mit dem "Spiegel" hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz für ein härteres Vorgehen gegen abgelehnte Asylbewerber:innen und irreguläre Migration ausgesprochen. Er machte deutlich: "Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben." Wer sich nicht auf Schutzgründe berufen könne und keine Bleibeperspektive habe, müsse gehen. "Wir müssen mehr und schneller abschieben."
Zwar gebe es Geflüchtete, die wegen politischer Verfolgung Anspruch auf Asyl hätten. Deutschland sei außerdem auf die Zuwanderung von Arbeitskräften angewiesen. Aber: "Wer weder zu der einen noch zu der anderen Gruppe gehört, kann nicht bei uns bleiben", sagte Scholz.
Bei Dzienus und Heinrich kommt dieser Umschwung in der deutschen Asylpolitik gar nicht gut an. Dzienus macht seinem Unmut über das Interview lautstark Luft. "Ich bekomme das Kotzen", stellt er klar. Solche Aussagen seien eines sozialdemokratischen Bundeskanzlers unwürdig, meint er. Es sei gefährlich, auf diese Art und Weise vom "eigenen Scheitern" abzulenken.
Auch Dzienus sei klar, dass es eine Debatte über die Asylpolitik geben müsse – das geplante Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) ist aus seiner Sicht keine Lösung. "Das bedeutet am Ende mehr Leid für die Menschen", meint Dzienus. Ihn schockiere außerdem, wie über Menschen gesprochen werde.
Das GEAS sieht vor, dass Asylanträge von Geflüchteten, die aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von weniger als 20 Prozent stammen, bereits an den EU-Außengrenzen geprüft werden. In dieser Zeit sollen die Schutzsuchenden verpflichtet sein, in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen zu bleiben. Wer keine Chance auf Asyl hat, soll umgehend zurückgeschickt werden.
Auch die Bewerberin für die Nachfolge des Sprecherinnen-Postens, Svenja Appuhn, findet auf X, früher Twitter deutliche Worte für das Interview. "Wir wollten den Klimakanzler. Wir bekamen den Abschiebekanzler", schreibt sie.
Bundessprecherin Sarah-Lee Heinrich zeigt sich zudem erschüttert über den aktuellen Rechtsruck in Deutschland. Rechte fühlten sich durch die Wahlergebnisse der AfD und die allgemeine Stimmung wieder bestätigt darin, auch körperliche Gewalt auszuüben. Heinrich bekomme Angst, wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier davon spreche, es so zu machen wie in den 90ern. "Damals hat es gebrannt", sagt Heinrich. So einen Rechtsruck könne sich Deutschland nicht noch einmal leisten.
Beim sogenannten "Asylkompromiss" schränkte die Schwarz-Gelbe Regierung unter Helmut Kohl (CDU) mit Stimmen der SPD das Grundrecht auf Asyl drastisch ein. Das war die Antwort auf die sogenannten Basebalschläger-Jahre, in denen rechte Mobs diverse Asylunterkünfte angezündet und Geflüchtete drangsaliert haben.
Für Heinrich ist klar: Der Rechtsruck wird nicht bei den Geflüchteten aufhört. "Der Rechtsruck geht uns alle an", stellt sie klar. Denn es treffe nicht nur Migrant:innen und PoCs, sondern später auch Armutsbetroffene, Menschen der Queer-Community oder auch Frauen. "Die Ampel ist doppelt lost", fasst Heinrich zusammen.
Auf der einen Seite werde an Schulen und Jugendarbeit gespart und so ein Nährboden für Rechte geschaffen. Auf der anderen Seite probiere sie sich an "AfD-light" in der Asylpolitik. "I doubt it, dass sie so die AfD aufhalten", räumt Heirnich ein.
Der Bundeskongress steht in diesem Jahr unter dem Motto "Solidarität grenzenlos!". Neben internationaler Solidarität soll es auch um einen Dringlichkeitsantrag zur Lage in Israel und die damit verbundene Solidarität der Grünen Jugend gehen.
(Mit Material der dpa)