Mittwoch, 19. April 2023: Eigentlich sollten heute tausende Schüler:innen in Nordrhein-Westfalen in Turnhallen oder Aulen sitzen und ihre schriftlichen Abiturprüfungen schreiben. Doch daraus wurde nichts. Denn wie das Schulministerium am Dienstagabend kurzfristig mitteilte, muss der Start der Abi-Klausuren auf Freitag verschoben werden.
Als Grund dafür wurde ein "massives technisches Problem" genannt. Denn offenbar konnten die zentral gestellten Aufgaben nicht überall durch die Lehrkräfte heruntergeladen werden.
"Die Störung und kurzfristige Verschiebung der Abiturklausuren ist außerordentlich ärgerlich", teilte NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) noch am Dienstagabend mit. Die Abiturient:innen hätten sich intensiv auf ihre Prüfungen vorbereitet. Die Störung habe aber den Download der Prüfungsaufgaben verhindert, sodass die Schulen die Aufgaben nicht rechtzeitig bekommen konnten. Betroffen sind die Prüfungsfächer Biologie, Chemie, Ernährungslehre, Informatik, Physik und Technik.
Am Mittwochvormittag gab Feller nun ein erneutes Statement ab – und erklärte die Hintergründe der Panne.
Der landesweite Download für die Schulen war am Dienstag vom Ministerium um 12 Uhr geöffnet worden. Viele Schulen hätten die Klausuren aber nicht oder nur teilweise herunterladen können, teilte die Landesvorsitzende des Philologenverbandes NRW, Sabine Mistler, mit. Viele Lehrer hätten bis zum Abend auf den Download gewartet, bis dieser dann abgesagt worden sei. "Schüler und Lehrer sind zum Teil richtig sauer", sagte Mistler. Es müsse nun sehr gründlich geprüft werden, woran es gelegen habe, denn am Mittwoch beginne bereits wieder der Download für die regulären Prüfungen am Donnerstag.
"Wir erwarten vom Ministerium eine belastbare und schnelle Kommunikation, statt die Lehrkräfte bis weit nach 19 Uhr in den Schulen warten zu lassen", erklärte ein Sprecher der Gewerkschaft GEW. Viele Lehrer seien verunsichert.
Und auch von der Opposition in NRW gab es scharfe Kritik an dem Vorgehen. Die Ministerin habe über die Verschiebung der Prüfung viel zu spät informiert, sagte die SPD-Abgeordnete Dilek Engin. Sie führte aus:
Die SPD hat für Mittwoch eine Sondersitzung des Schulausschusses beantragt.
Am Mittwochvormittag trat die Bildungsministerin dann vor die Presse, um sich für die Panne zu entschuldigen: "Wir haben gestern leider eine Entscheidung treffen müssen, die wir lieber nicht getroffen hätten", sagte sie.
Man habe den Schulen gegen 15.30 Uhr per E-Mail Bescheid gegeben, dass das Dienstleister-Unternehmen zuversichtlich sei, eine Lösung zu finden. "In fünf Mails haben wir die Schulen informiert und immer wieder gesagt, dass wir an einer Lösung arbeiten", schilderte Feller. Und weiter: "Wir sind hier im Haus gegen 14.10 Uhr zum ersten Mal darüber informiert worden, dass es Schwierigkeiten beim Downloaden gibt." Das sei jedoch nicht bei allen Schulen der Fall gewesen. Bei etwa 300 Schulen in NRW hätte der Download funktioniert.
Das Ministerium habe an einer Lösung gearbeitet, die zuversichtlich stimmte. Dann sei jedoch "ein anderer Fehler" passiert, erklärte Feller, weshalb die im eigenen Hause erarbeitete Lösung "nicht mehr tragbar" gewesen sei.
Feller wies zudem den Vorwurf von sich, dass die Systeme nicht vorher getestet worden seien. Denn dies sei nicht der Fall: "Wir haben im Herbst mit 300 Schulen alles getestet. Mit 300 Schulen hat alles reibungslos geklappt." Die Schwierigkeiten seien erst nach dem offiziellen Start aufgetreten.
Bisher gibt es offenbar nur Vermutungen, was der Grund für die Panne gewesen sein könnte, auch ein Hacker-Angriff werde geprüft. Lediglich neu sei in diesem Jahr gewesen, dass eine Zwei-Faktor-Authentifizierung eingeführt wurde: "Weil wir sichergehen wollten, dass wir nicht gehackt werden. Das kann eine Ursache sein, wir wissen es aber nicht genau", sagte die Ministerin.
Auch wurde in den Raum gestellt, dass ein Video, das zu einer der Aufgaben gehörte, die Ursache ist. Das glaube Feller zwar nicht, "aber auch da bedarf es einer genaueren Analyse. Sollte es die Ursache sein, haben wir die Möglichkeit, diese Klausur auszutauschen."
Ein Kritikpunkt an dem neuen Termin für die Prüfung ist, dass dieser am Freitag auf das Zuckerfest fällt, der höchste muslimische Feiertag: "Sollten Schüler nicht teilnehmen können, bekommen sie eine Bescheinigung zum Nachschreiben und müssen nicht zwingend teilnehmen", sagte Feller. Zudem ist am Freitag ein Bahn-Streik geplant: "Da gilt grundsätzlich, dass die Schülerinnen und Schüler gucken müssen, wie sie zur Schule kommen. Das Abitur fängt erst um 9 Uhr an. Und mit der Bahn kommen auch nicht so viele", sagte die Ministerin.
Besonders kurios: Am Dienstag tauchten Links auf der Social-Media-Plattform Twitter auf, unter denen die Abi-Aufgaben offenbar für jede:n öffentlich zu downloaden waren. Die Softwareentwicklerin und IT-Sicherheitsexpertin Lilith Wittmann teilte mehrere Links und Anweisungen, wie man mutmaßliche Testaufgaben herunterladen kann.
Gegenüber dem WDR erklärte Wittmann allerdings, dabei handele es sich nicht um die Originalaufgaben. Das entsprechende Produktivsystem sei aktuell offline. "Es ist nur das Testsystem, aber es sagt einiges über die Sicherheit des Produktivsystems aus."
(Mit Material der dpa)