CDU-Chef Friedrich Merz ließ seine Reise in die Ukraine nicht unkommentiert. Schon während er dort war, teilte er Seitenhiebe gegen Kanzler Scholz in der Öffentlichkeit aus. Politikexperte Johannes Hillje sah in seinen Äußerungen gar eine Art "Triumphalismus", wie er gegenüber watson äußerte. Zumindest gab es Raum für Spekulationen. Nun stellt sich der Oppositionschef mit einem Tweet aber derart auffällig selbst ins Rampenlicht, dass er damit weitreichenden Hohn und Spott auf sich zieht.
Friedrich Merz sieht sich selbst als Vermittler. Womöglich ist er das auch. Dieser Eindruck entsteht zumindest, wenn man die oberflächliche Chronologie der Geschehnisse betrachtet: Am Dienstag reiste er in die Ukraine, sprach mit der ukrainischen Staatsspitze. Beide Seiten betonten öffentlich, wie positiv die Gespräche gewesen seien.
Am Donnerstag folgte dann die nächste Meldung: Bei einem Telefongespräch legten der ukrainische Präsident Selenskyj und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihre Differenzen bei. Es folgte eine Einladung nach Kiew – für Steinmeier und Scholz.
Nur wenig später lässt CDU-Chef Merz mit einem Tweet wissen, dass er maßgeblich für das Gespräch verantwortlich sei: "Ich bin Präsident Selenskyj sehr dankbar, dass er meiner Bitte um eine Einladung des Bundespräsidenten gefolgt ist. Der Weg ist frei für persönliche Begegnungen des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers mit Präsident Selenskyj in Kiew."
Es wirkt, als wäre Friedrich Merz der große Vermittler. Sicherlich hat er mit seiner Reise und den dortigen Gesprächen die Brücken zwischen Deutschland und der Ukraine ausgebaut. Doch Kristin Joachim, TV-Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio, sagt, sie wisse aus "informierten Kreisen", dass die ukrainische Seite sich bereits vor Merz' Reise an das Bundespräsidialamt gewandt habe, um das Telefonat mit Frank-Walter Steinmeier zu organisieren.
Wenn das stimmt, ist die Rolle Merz als Vermittler hinfällig. Friedrich Merz reagierte bisher (Stand Freitagmittag) nicht auf die kritischen Äußerungen.
Unabhängig davon, inwieweit Merz am Glätten des politischen Zwists tatsächlich beteiligt war: Die eigene Zurschaustellung seiner Taten kann nicht gerade als "bescheiden" bewertet werden. Das sieht auch die Twitter-Community so.
Der Tweet des CDU-Chefs schlägt hohe Wellen.
In die Flut der Kommentare, die Merz' Aussagen kritisieren, reiht sich auch der Politiker Michael Vietz mit einem Tweet. Er findet: "Selbst, wenn es so war, sollte man in diesem Moment doch schweigen und genießen. Die Auswirkung eines einziges Tweets macht die ganzen positiven Vibes des Besuchs leider zunichte."
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven Kindler vertritt eine ähnliche Meinung. Er kritisiert die egozentrische Sicht des Oppositionsführers auf seine Rolle in der deutsch-ukrainischen Politik: "Genau, Herr Merz, darauf wäre Präsident Zelenskyj auch nie alleine gekommen. Ich, ich, ich. Selbst im Krieg. Wann geht es eigentlich mal nicht um Sie?", fragt Kindler.
Ein Mann, der offenbar Verbindungen in die Ukraine hat, lässt seiner Wut freien Lauf: "Ich bete jeden Tag, dass meine Bekannten in der Ukraine am Leben bleiben. Und dann lese ich diesen selbstherrlichen Tweet und kann nur noch vor Wut platzen."
Überhaupt sind die Bezeichnungen, die Friedrich Merz in den Kommentaren lesen kann, alles andere als schmeichelhaft. Ironisch gemeinte Worte wie "Tausendsassa", "Egozentriker" oder "Schauspieler" fallen.
Andere nehmen Friedrich Merz wegen seines Tweets auf sarkastische Art und Weise auf die Schippe. So twittert der Journalist Henning Sußebach am Donnerstagabend: "Als Nächstes klärt Friedrich Merz den Nahostkonflikt."
Und Alex Urban findet: "Vielleicht dann auch gleich mal bei Putin anrufen und bitten, dass er den Krieg beendet." Ein User steigt auf den Witz ein und kommentiert: "Macht der Friedrich gleich morgen Früh. Heute will er noch zuerst den Hunger in der Welt bekämpfen und die Klimaerwärmung aufhalten."
(ast)