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Deutschland
15.05.2020, 16:2515.05.2020, 16:39
Mit mehr als 20 Sachen zu viel durch den Ort - das reicht inzwischen,
um für einen Monat den Führerschein los zu sein. Die jüngste
Verschärfung bringt Autofahrer auf die Palme.
Nun will Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer gerade
erst verschärfte Regeln zu Fahrverboten für Raser angesichts von
Protesten wieder kippen. Der CSU-Politiker nannte eine seit Ende
April geltende Bestimmung am Freitag "unverhältnismäßig". Konkret
geht es darum, dass nun schon ein Monat Fahrverbot droht, wenn man
innerorts 21 Kilometer pro Stunde zu schnell fährt oder außerorts
26 km/h. Scheuer will den Ländern nun vorschlagen, das Fahrverbot zu
streichen – dafür soll das Bußgeld von 80 Euro auf 100 Euro steigen.
Der Bundesrat müsste einer erneuten Änderung zustimmen. Für seinen
Vorstoß erntete Scheuer Zustimmung, aber auch die nächsten Proteste.
Gewerkschaft der Polizei und Fahrrad-Club kritisieren Scheuer
Dass die Bundesregierung neue Vorschriften keine drei Wochen nach dem
Inkrafttreten selbst wieder infrage stellt, ist gelinde gesagt
ungewöhnlich. Dazu kam es, weil Scheuer in einer Zwickmühle steckte:
Der Bundesrat brachte eine Reihe von Regel-Verschärfungen in eine
Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) hinein, mit der Scheuer
eigentlich vor allem auf attraktivere Bedingungen für Radler zielte.
Darunter war auch das neue Fahrverbot für Raser. Der Minister setzte
die geänderte Verordnung aber trotzdem zum 28. April in Kraft – die
Alternative wäre gewesen, sie erst mal komplett zurückzuziehen.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) mahnte: "Überhöhte
Geschwindigkeit ist mit das größte Todes- und Verletzungsrisiko auf
den Straßen hierzulande." Bei Tempo 70 statt 50 innerorts verdopple
sich zum Beispiel der Bremsweg.
Der Leiter der Unfallforschung der
Versicherer, Siegfried Brockmann, warf Scheuer vor, er wolle vor der
Lobby der "Hardcore-Automobilisten" kuschen. "Wer sich an die StVO
hält, hat auch nichts zu befürchten." Das Signal, es handele sich um
ein Kavaliersdelikt, sei fatal. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club
(ADFC) warnte: "Es muss endlich Schluss damit sein, dass der Staat
die Verfehlungen von Autofahrenden milde lächelnd durchwinkt."
Verkehrsministerium verweist auf Petition mit 140.000 Unterstützern
Scheuer selbst verwies darauf, dass die neuen Regeln für Aufregung
bei Autofahrern sorgten. Wegen einer Überarbeitung seien auch Länder
auf ihn zugekommen, außerdem gebe es viel Kritik von Experten an den
verschärften Regeln für Autofahrer. Im Ministerium wurde auch auf
eine Petition mit dem Titel "Führerschein-Falle der StVO-Novelle
rückgängig machen" verwiesen, die mehr als 140 000 Unterstützer hat.
Die Änderungen könnten im Zuge einer weiteren Novelle der
Straßenverkehrsordnung umgesetzt werden, die in der zweiten
Jahreshälfte geplant sei, sagte Scheuer. Dabei geht es eigentlich um
die Reform der Autobahnverwaltung. Unterstützung für den Minister kam
vom Autoclub ADAC: "Insbesondere die Geschwindigkeitsverstöße werden
unverhältnismäßig hart bestraft", sagte Verkehrspräsident Gerhard
Hillebrand.
FDP und AfD für Überarbeitung
Der FDP-Politiker Oliver Luksic sagte, die "Führerscheinfalle für
Millionen Autofahrer" müsse abgeschafft werden. Der Bundestag
beschäftigte sich am Freitag mit Anträgen von AfD und FDP zum
Bußgeldkatalog. Der AfD-Abgeordnete Wolfgang Wiehle sagte, in vielen
Städten würden neue Tempo-Zonen ausgewiesen. Bei einer
Geschwindigkeitsüberschreitung von etwas mehr als 20
Stundenkilometern sei der Führerschein schnell weg – für Handwerker
oder Taxifahrer bedeute dies, dass sie ihren Job verlören.
Dagegen sagte der Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar: "Wir haben ein
Fähnchen im Wind als Verkehrsminister." Die SPD-Politikerin Bela Bach
sagte, es sei niemand gezwungen, zu schnell zu fahren. So
argumentierten auch viele Nutzer in sozialen Netzwerken, wo es eine
heftige Debatte gab. Die Linke-Abgeordnete Sabine Leidig warf Scheuer
einen "Kniefall" vor der Autolobby vor. Es gehe darum, Todesopfer bei
Unfällen auf den Straßen zu verhindern. Grünen-Fraktionsvize Oliver
Krischer befand: "Scheuer hat ein Herz für Raser." Dies sei
befremdlich. "Die neuen Regeln sind absolut verhältnismäßig, auch
weil es weniger Unfälle dadurch geben dürfte."
Die Änderungen in der Straßenverkehrsordnung sollten vor allem der
Sicherheit von Radfahrern und Fußgängern dienen. Unter anderem dürfen
Autos nun nicht mehr auf Fahrrad-Schutzstreifen anhalten - bisher war
nur das Parken dort verboten, Halten aber erlaubt. Fürs Überholen von
Radfahrern ist seit Ende April ein Mindestabstand von 1.50 Metern
innerorts und zwei Metern außerorts vorgeschrieben. Lkw über 3.5
Tonnen müssen innerorts beim Rechtsabbiegen in Schrittgeschwindigkeit
fahren, wenn mit Rad- oder Fußverkehr gerechnet werden muss.
(hau/dpa)
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