Bodo Ramelow (l., Die Linke), früherer Ministerpräsident von Thüringen, und Wolfgang Tiefensee (r.), SPD-Landesvorsitzender kommen am Montagabend zu einem Treffen von Linke, SPD und Grünen sowie der CDU in den Thüringer Landtag.Bild: dpa-ZB
Deutschland
19.02.2020, 06:2319.02.2020, 11:07
Linke, SPD und Grüne sowie CDU wollen bis Ende
dieser Woche einen Weg aus der politischen Krise in Thüringen finden.
Darauf verständigten sich Spitzenvertreter der vier Parteien nach
stundenlangen Verhandlungen in der Nacht zum Mittwoch im Landtag in
Erfurt.
"Es liegen unterschiedliche Vorschläge auf dem Tisch."
Susanne Hennig-Wellsow (Linke)
Alle vier
Parteien strebten Neuwahlen an – allerdings hätten sie über deren
Termin unterschiedliche Vorstellungen. Das nächste Treffen der vier
Parteien sei bereits an diesem Mittwoch geplant – in kleineren
Arbeitsgruppen.
"Technische Regierung"
Weiter verfolgt werde der Vorschlag von Ex-Ministerpräsident Bodo
Ramelow (Linke), die CDU-Politikerin Christine Lieberknecht an die
Spitze einer "technischen Regierung" mit drei Ministern zu wählen, so
Hennig-Wellsow. Zudem erwäge Rot-Rot-Grün weiterhin die Möglichkeit
einer Minderheitsregierung mit Ramelow an der Spitze, die ebenfalls
für Neuwahlen sorgen würde. Die CDU will eine komplette
Übergangsregierung mit Ramelows Amtsvorgängerin Lieberknecht, die
zunächst für einen beschlossenen Haushalt sorgt und erst dann
Neuwahlen einleitet.
"Wir haben gespürt, dass sich Rot-Rot-Grün bewegt", sagte
CDU-Landesvize Mario Voigt. Beim Zeitpunkt für Neuwahlen gebe es bei
seiner Partei keine Vorfestlegung. "Es geht um eine
Ausnahmesituation, in der sich Demokraten zusammenfinden müssen." Der
Fraktionschef der Grünen sagte, spätestens Ende dieses Jahres müsse
es einen Landesetat für 2021 geben, und bis dahin müssten auch
Neuwahlen stattgefunden haben.
Frühe Neuwahlen
Hennig-Wellsow signalisierte, dass ihre Partei nicht auf einer
Übergangsregierung mit Lieberknecht an der Spitze für nur 70 Tage bis
zu einer Landtagswahl bestehen werde. "Nicht denkbar sind für uns
aber Neuwahlen erst 2021."
Vor dem Treffen der vier Parteien hatte die CDU-Fraktion deutlich
gemacht, dass eine Neuwahl erst der letzte Schritt nach der Bildung
einer Übergangsregierung unter der Ägide Lieberknechts sein sollte.
Die 61-Jährige ist nach Angaben von Ramelow sowie der CDU
grundsätzlich bereit, beim Lösen des "Gordischen Knotens" zu helfen.
Für eine Neuwahl ist im Landtag eine Zwei-Drittel-Mehrheit der 90
Abgeordneten nötig. Linke, SPD und Grüne kommen zusammen nur auf 42
Sitze im Parlament. Gebraucht wird damit die Unterstützung der CDU
mit ihren 21 Sitzen.
SPD äußert sich zu Thüringen
Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans
kritisierten das CDU-Vorgehen in der Thüringer Regierungskrise. Jedes
Zuwarten und jede Verzögerung ohne eine handlungsfähige
Landesregierung untergrabe das Vertrauen in die Demokratie.
"Nach den jüngsten Erfahrungen sollten die Wählerinnen und Wähler mit schnellen Neuwahlen - wie von Thüringens SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee von Anfang an vorgeschlagen – wieder für eine handlungsfähige, demokratische Regierungsmehrheit sorgen."
SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans
Lieberknecht wird seit vielen Jahren ein gutes Verhältnis zu
Ramelow nachgesagt. Sie war von 2009 bis 2014 Chefin einer
CDU/SPD-Regierung in Thüringen. Im vergangenen Jahr zog sie sich auch
als CDU-Landtagsabgeordnete zurück.
Bislang steckte die CDU in einem Dilemma. Sie ist an einen
Parteitagsbeschluss gebunden, der eine Koalition oder ähnliche
Zusammenarbeit sowohl mit der AfD als auch der Linken ausschließt.
Sie will deshalb den Linken Ramelow nicht zum Ministerpräsidenten
wählen. Ramelow bestand bislang darauf, mit absoluter Mehrheit ins
Amt gewählt zu werden, um nicht von AfD-Stimmen abhängig zu sein -
also mit Hilfe der CDU oder der FDP.
Für die Krise in Thüringen mit bundesweiten Auswirkungen sorgte
vor zwei Wochen die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit
Stimmen von AfD, CDU und FDP zum Ministerpräsidenten des Freistaats.
Nach großer Empörung weit über Thüringen hinaus trat Kemmerich
zurück. Er ist nur noch geschäftsführend im Amt.
(dpa/lin)
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