Als AfD-Anhänger ist der Attentäter von Halle nicht bekannt – in einer umfangreichen Aussage legte Stephan B. aber seine rechtsextremistischen und antisemitischen Motive offen. Dennoch greifen Politiker anderer Parteien die AfD nun scharf an. Einige werfen ihr Rechtsextremismus vor. AfD-Chef Meuthen wehrt sich vehement.
Nach dem Terroranschlag von Halle hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) der AfD Heuchelei vorgeworfen. "Ich glaube die Betroffenheit, die an einigen Stellen geheuchelt wird, nicht", sagte Söder am Samstag beim Deutschlandtag der Jungen Union in Saarbrücken.
Das Bundesverfassungsgericht hat die NPD in einem Urteil 2017 als verfassungsfeindlich bezeichnet.
Die AfD sei "alles, aber sie ist nicht bürgerlich", sagte Söder. "Die AfD will nicht zurück in die 80er und 90er - ein Teil ihrer Funktionäre will zurück in die 30er."
Er sprach von Versuchen der Innenminister, "mit ihren so abstoßenden wie inhaltlich komplett unbegründeten Angriffen gegen die AfD von ihrem eigenen fundamentalen Versagen abzulenken". Es habe ein fundamentales Staatsversagen beim Schutz der Synagoge in Halle gegeben, sagte Meuthen am Samstag auf dem AfD-Landesparteitag im hessischen Neuhof. Die AfD stehe zum jüdischen Leben in Deutschland und zu Israel.
Der Thüringer Landes- und Fraktionschef Björn Höcke, der dem rechtsnationalen "Flügel" der AfD angehört, hatte am Freitag auf Facebook auf Vorwürfe gegen seine Partei reagiert. "Statt absolut gewaltfreie Oppositionspolitiker zu dämonisieren, sollten wir einmal über die allgemeine Verwahrlosung, Abstumpfung und Orientierungslosigkeit unserer heutigen Jugend reden, die solche Exzesse möglich machen", schrieb er.
Am Mittwoch hatte ein schwer bewaffneter Deutscher versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen, in der rund 50 Gläubige den wichtigsten jüdischen Feiertag Jom Kippur begingen. Als der Plan misslang, erschoss der Täter eine 40 Jahre alte Frau und einen 20-jährigen Mann. Auf seiner Flucht verletzte er ein Ehepaar durch Schüsse schwer. Der 27-Jährige hat die Tat gestanden und dabei antisemitische und rechtsextreme Motive eingeräumt. Er sitzt in Untersuchungshaft.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach sich für eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz aus. "Ich hielte es für richtig, die AfD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Man muss bei AfD-Parteigliederungen wie dem sogenannten Flügel genau hinschauen, ob sie sich noch auf dem Boden der Verfassung bewegen", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Samstag). Manche Vertreter der AfD hätten längst die gedanklichen Grenzen zum Rechtsextremismus überschritten.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte im Januar die Jugendorganisation der AfD (Junge Alternative) und den "Flügel" als Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus eingestuft. Das erlaubt auch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel. Die AfD sprach daraufhin von einer "politischen Instrumentalisierung" des Verfassungsschutzes.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte am Freitag in der ZDF-Sendung "Was nun?" mit Blick auf die AfD gesagt, bei einzelnen Personen und Reden laufe ihm ein Schauer über den Rücken. "Deshalb wäre die AfD gut beraten, sich von solchen Reden und von solchen Personen klar zu distanzieren. Das erwarte ich als Bundesinnenminister."
Michael Roth, einer der Bewerber um den SPD-Vorsitz, kritisierte in der "Welt" (Samstag): "Im Deutschen Bundestag und in den Landtagen sitzt der politische Arm des Rechtsterrorismus. Und das ist die AfD." Das gelte sicher nicht für alle Mitglieder. "Aber die Partei muss ihr Verhältnis klären zu denjenigen, die durch Hass und Hetze solchen furchtbaren Taten den Boden bereiten. Der Verfassungsschutz muss den Laden verstärkt beobachten", verlangte auch Roth. "Das ist keine Protestpartei, das ist eine zumindest rechtsradikale Partei."
Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, verlangte Änderungen mit Blick auf das Wissen von Sicherheitsleuten. "Die Sicherheitsbehörden brauchen Kenntnisse über jüdische Bräuche und Feiertage, um entsprechend vorbereitet zu sein", sagte er dem "Mannheimer Morgen" (Samstag). "So wie in jeder Polizeidienststelle bekannt ist, dass Christen sonntags Gottesdienst feiern, müssen Polizisten auch den Sabbat und die hohen jüdischen Feiertage kennen." Klein appellierte an die Juden in Deutschland, das Land nicht zu verlassen.
(hd/dpa)