Wie lange hält das Bündnis noch?Bild: Christian Ohde/imago
Deutschland
19.08.2019, 00:1919.08.2019, 06:25
Es steht mal wieder ein Herbst der Entscheidung an für
die notorisch zerstrittene schwarz-rote Koalition. In zwei Wochen
wählen die Menschen in Sachsen und Brandenburg neue Landtage.
- CDU und SPD drohen empfindliche Klatschen – die Rechtspopulisten stehen möglicherweise vor historischen Erfolgen. Unklar ist es, welche Auswirkungen das auf die Statik der im Wackelmodus regierenden Koalition von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) haben wird.
- Und auf die Stimmung an der Parteibasis. Zumal die SPD bis Dezember entscheiden will, ob sie überhaupt an der Regierung bleibt – oder die Koalition doch vorzeitig verlässt.
Politische Erfolge sind in einer solch heiklen Lage dringend nötig.
Wohl auch aus diesem Grund rauft sich der Koalitionsausschuss am
Sonntagabend bei wichtigen Themen zum gemeinsamen Vorgehen zusammen.
Die oft zerstrittenen Koalitionäre dürften so vor den wichtigen
Wahlen im Osten ein Signal der Handlungsfähigkeit setzen wollen.
Worauf sich der Koalitionsausschuss einigte
Fast schon im Eiltempo, nach nicht einmal einer Stunde, präsentieren
Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Justizministerin Christine
Lambrecht (SPD) die Einigung auf
ein Wohn- und Mietenpaket. Damit sollen Mieter und Immobilienkäufer
entlastet und der Bau von mehr Wohnraum soll angekurbelt werden.
Schaut her, liebe Wähler, soll das wohl heißen: Wir schaffen noch
was.
Einen für das interne Klima in der Koalitionsspitze womöglich noch
wichtigeren Beschluss teilt die Runde am späten Abend nach ihrer rund
viereinhalbstündigen Sitzung mit: Die Bundesregierung will die im
Koalitionsvertrag festgeschriebene Bestandsaufnahme und die
Entscheidung, welche neuen Vorhaben vereinbart werden müssen,
ausdrücklich gemeinsam bis spätestens Mitte Oktober vornehmen.
Das klingt wie eine Selbstverständlichkeit, ist es aber nicht. Denn
koalitionskritische Kreise in der SPD sehen den Revisions-Passus im
Koalitionsvertrag als möglichen Hebel, um aus der ungeliebten
Regierung auszusteigen.
Zwar muss der SPD-Parteitag im Dezember, bei dem auch eine neue
Parteispitze gewählt werden soll, die Halbzeitbilanz der
Bundesregierung noch bewerten – er könnte sie auch ablehnen. Es
dürfte allerdings dennoch von erheblichem Gewicht auch für die
interne Diskussion bei den Sozialdemokraten sein, wenn deren
Regierungsmitglieder eine positive Zwischenbilanz ziehen. Sie würden
damit signalisieren: Es lohnt sich, Schwarz-Rot bis zum regulären
Ende der Legislaturperiode im Jahr 2021 fortzusetzen.
Ob die Ergebnisse vom Sonntagabend tatsächlich dazu beitragen, die
fragile Lage der Koalition zu stabilisieren, ist offen. Zuletzt
hatten die Spitzen von CDU und SPD teils wie durch den Wind gewirkt,
nervös und flatterig.
In der CDU sorgt AKK nach einer Äußerung über Maaßen für Unruhe
Unmittelbar vor dem Koalitionsausschuss muss CDU-Chefin
Annegret Kramp-Karrenbauer ein neuerliches Kommunikationsdesaster
verkraften. Den ganzen Samstag ist sie damit beschäftigt, das Echo
eines Interviews mit der Funke-Mediengruppe einzufangen.
Annegret Kramp-KarrenbauerBild: Hannibal Hanschke/reuters
Die Journalisten hatten die CDU-Vorsitzende angesichts des mit
Querschüssen nervenden Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg
Maaßen gefragt, ob sie über ein Ausschlussverfahren nachdenke. Als
die Meldungen zu ihrer Antwort mit dem Tenor "Kramp-Karrenbauer
bringt Ausschluss von Maaßen ins Spiel" in den Nachrichten laufen,
sind Aufregung und Empörung vor allem unter den Unionswahlkämpfern in
den Ostländern Sachsen, Brandenburg und Thüringen groß.
Tatsächlich hatte AKK kein Ausschlussverfahren verlangt oder gar
angekündigt. Doch wie in den ersten Monaten als Parteichefin, als sie
mit ungeschickten Reaktionen auf die CDU-Kritik des Youtubers Rezo
oder Äußerungen zur Meinungsfreiheit für Entrüstung gesorgt hatte,
ist Kramp-Karrenbauer schon wieder in der Defensive.
In der SPD beginnt der Kampf um den SPD-Parteivorsitz
Nach Wochen gefühlter Lethargie ist das
Bewerberkarussell für eine künftige SPD-Doppelspitze in Schwung
gekommen. Doch auch hier gilt: Bis zum Parteitag im Dezember, der die
Entscheidung über die neue SPD-Führung und wohl auch den Verbleib in
der Koalition bringen soll, stehen noch Wochen der Unsicherheit und
des internen Wahlkampfes an. Für die Lösung von Sachproblemen und
eine stabile Regierung dürfte ein solcher Zustand Gift sein.
Immerhin gibt sich Finanzminister und SPD-Vize Olaf Scholz beim Tag
der offenen Tür der Bundespressekonferenz am Sonntag gewohnt
gelassen.
Olaf Scholz.Bild: Fabrizio Bensch/reuters
Ungewöhnlich gefühlig wird der als eher nüchtern bekannte
Norddeutsche, als er seine überraschende Kandidatur für den
SPD-Vorsitz begründet. Er sei seit seinem 17. Lebensjahr
Sozialdemokrat. "Ich spür' das tief in meinem Magen, was da
gegenwärtig an Umfragewerten zu verzeichnen ist und möchte alles dazu
beitragen, dass sich das ändert", sagt er.
Für den Fortbestand der großen Koalition dürfte die Kandidatur von
Scholz von besonderer Bedeutung sein: Bei nahezu allen anderen
Bewerber-Duos ist eher davon auszugehen, dass mit ihnen der Ausstieg
näherrücken würde.
CSU-Chef Söder spielt mit grünen Ideen
Markus Söder.Bild: STL/imago
Auch für CSU-Chef Markus Söder hängt viel am Erfolg der GroKo, auch
seine Partei sieht den Wahlen im Osten bang entgegen. Nur in
Regierungsverantwortung im Bund kann die CSU ihren Sonderstatus in
Bayern aufrecht erhalten. Dabei baut Söder vor, damit seine CSU nicht
unvorbereitet in eine mögliche Neuwahl schlittert.
Seit Wochen biegt der CSU-Chef seine konservative Partei auf den
grünen Pfad, gibt sich als Retter von Tierarten und Weltklima. So
würde es für die CSU leichter, sich im Fall der Fälle einem Bündnis
mit den seit Monaten starken Grünen zu öffnen – zumindest durch
thematische Überschneidungen. Die nun vom Koalitionsausschuss
vereinbarten zusätzlichen Sitzungstermine zum Klimathema dürften
Söder nicht gefallen: Ihm geht die Diskussion zu langsam.
Und die Kanzlerin? Merkel präsentiert sich beim Tag der offenen Tür im Kanzleramt betont
gelassen. Sie preist die Kunst der Geduld, die man immer wieder neu
erlernen müsse, und gibt Einblicke in Verhandlungstaktik. Eine Regel
kennen auch Familien im Umgang mit Kindern, wie Merkel sagt.
Angela Merkel.Bild: Fabrizio Bensch/REUTERS
"Wenn
Eltern abends ausgehen wollen und wollen, dass die Kinder schnell ins
Bett gehen, dann geht das meistens schief, weil die Kinder riechen
das und brauchen besonders lange." Genauso sei es in der Politik.
"Wenn derjenige, mit dem man verhandelt, spürt, dass ich ungeduldig
bin, dann wird's garnüscht", sagt Merkel. "Ungeduld riecht man."
(pb/dpa)
Rolf Mützenich ist der Fraktionschef der SPD. In zahlreichen Debatten spricht er für seine Partei im Bundestag. Mützenich ist bekannt für seine Friedenspolitik, gleichzeitig half er aber auch bei der Durchsetzung des Sondervermögens für die Bundeswehr.