Der Sprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus, wirft dem Verkehrsminister Arbeitsverweigerung vor.Bild: dpa / Lino Mirgeler
Deutschland
Der Groll zwischen Grünen und FDP sitzt tief. Die Positionen könnten unterschiedlicher nicht sein: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will neue Autobahnen, neue Brücken, neue Schnellstraßen – die Grünen um Umweltministerin Steffi Lemke wollen, wenn überhaupt, die Straßen nur dann erneuern, wenn sie marode sind.
Kompromisse? Fehlanzeige. Die Grünen sträuben sich, die FDP hält dagegen.
Volker Wissing ist der Verkehrsminister von Deutschland.Bild: dpa / Annette Riedl
Weil die Parteien nicht weiterkommen, haben die Grünen die Planungsbeschleunigung im Verkehr auf die Tagesordnung des Koalitionsausschusses gesetzt. In diesem Format treffen sich die Spitzen von SPD, Grünen und FDP an diesem Donnerstag im Kanzleramt, um drängende Probleme zu besprechen. Reizthema Autobahn. Wie die Nachrichtenagentur dpa erfahren hat, gab es aber auch dort keine Einigung zwischen den Partnern.
Neu: dein Watson-Update
Jetzt nur auf Instagram: dein watson-Update!
Hier findest du unseren
Broadcast-Channel, in dem wir dich mit den watson-Highlights versorgen. Und zwar nur einmal pro Tag – kein Spam und kein Blabla, versprochen! Probiert es jetzt aus. Und folgt uns natürlich gerne
hier auch auf Instagram.
Mehr Autobahnen bedeuten mehr Emissionen
Für die Grünen geht es um viel.
Im Oktober hatten Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck und NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (beides Grüne) das Dorf Lützerath für einen von 2038 auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg geopfert. Die Kritik, insbesondere aus der Szene der Klimaschützenden, war und ist groß. Da wächst die Sorge vor klimaschädlichen Zugeständnissen gegenüber der FDP.
Die Erkenntnisse aus der Verkehrsforschung sind deutlich: Neue Autobahnen bedeuten auch mehr Verkehr – und damit mehr Lärm, mehr Flächenverbrauch, mehr Schadstoffe, mehr Emissionen.
Gemeinsam mit Sarah-Lee Heinrich ist Timon Dzienus Bundessprecher der Grünen Jugend.Bild: dpa / Lino Mirgeler
Der Grünen Jugend stößt das bitter auf. Bundessprecher Timon Dzienus erklärte dazu gegenüber watson:
"Es geht hier nicht um Fragen von Niederlagen oder Gewinnen, es geht darum, ob die FDP das hinkriegt, wozu sie sich verpflichtet hat: Dass die klimaschädlichen Emissionen im Verkehrsbereich bis 2030 um die Hälfte reduziert werden müssen, damit Deutschland seinen Beitrag zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens leistet."
Doch passieren würde genau das Gegenteil: Nicht nur legt das Verkehrsministerium keine neuen Pläne mit CO₂-Einsparungsmaßnahmen vor – es entwickelt stattdessen Pläne, die zu einem noch höheren CO₂-Ausstoß führen würden: den Bau neuer Straßen, Brücken und Autobahnen. "Und schon beim Bau entstehen gewaltige Emissionsmengen", sagt Timon. "Es ist Wahnsinn, wie viele Moorböden allein für die Küstenautobahn A20 zerstört werden würden und wie viel CO₂ dadurch freigesetzt würde." Er ergänzt:
"Abgesehen davon haben wir in Deutschland nicht unbegrenzt Fläche, die wir zubetonieren können, nur damit Volker Wissing und Christian Lindner andere Porschefahrer glücklich machen können."
Dzienus: Autobahnausbau nicht zeitgemäß
Was außerdem nicht mehr zeitgemäß sei: "Und für die A100 in Berlin sollen etliche Häuser abgerissen, die Ringbahn für Jahre unterbrochen und gleich fünf Clubs platt gemacht werden." Das muss gestoppt werden, meint Dzienus.
Unter anderem das "About Blank" könnte der A100 weichen müssen.
Die Koalition hat sich verpflichtet, in allen Sektoren – also auch in den Gebieten aller Ministerien – CO₂-Emissionen einzusparen. Verkehrsminister Volker Wissing hat bislang noch keine Pläne vorgelegt, wie er das im Verkehrssektor schaffen möchte. Dzienus findet dafür drastische Worte: "Was Wissing im Verkehrsministerium macht, ist Arbeitsverweigerung."
Der Minister ignoriere die Klimaziele seines Hauses – trotz der gesetzlichen Verpflichtung. Stattdessen, meint Dzienus, solle der Bau von Autobahnen nun im 'übertragenden öffentlichen Interesse' besonders schnell durchgezogen werden. Der Grüne-Jugend-Sprecher sagt: "Das zeigt einmal mehr, wie realitätsfern die FDP beim Klimaschutz handelt. Wer jetzt noch das Land mit weiteren Autobahnen zubetonieren will, hat den Ernst der Klimakrise nicht verstanden."
Was es stattdessen brauche, sei mehr Tempo bei der Verkehrswende und den Ausbau des ÖPNV. Dzienus nimmt aber nicht nur den Verkehrsminister in die Pflicht. Auch von Kanzler Olaf Scholz (SPD) fordert der Grüne eine Positionierung. Bisher sei vom selbsternannten "Klimakanzler" zu wenig gekommen. Für Dzienus ist klar: "Alle Projekte des Bundesverkehrswegeplans müssen neu bewertet werden und konform mit den Pariser Klimazielen sein" Und bis das geschehe, brauche es ein Moratorium für den Neubau von Autobahnen.
Schon seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat die Diskussion um die Wehrpflicht wieder Fahrt aufgenommen. Die Ampel änderte während ihrer Regierungszeit nichts am aktuellen System. Durch die Neuwahlen könnten aber bald schon wieder junge Menschen verpflichtet werden.