Am Mittwoch beraten Bund und Bundesländer darüber, wie es weitergeht.Bild: www.imago-images.de / BeckerBredel
Deutschland
09.02.2021, 07:4509.02.2021, 22:04
Trotz aller Unsicherheiten im Kampf gegen die
Corona-Pandemie plädiert Berlins Regierender Bürgermeister Michael
Müller dafür, der Bevölkerung Perspektiven für mögliche
Lockerungsschritte aufzuzeigen. "Wir sind in einer kritischen Phase.
Zum einen geben die zurückgehenden Infektionszahlen Grund zur
Hoffnung, aber die diffusen Informationen und Erkenntnisse zu den
Mutanten bereiten uns große Sorgen", sagte der Vorsitzende der
Ministerpräsidentenkonferenz am Montagabend der Deutschen
Presse-Agentur.
"Wir wollen und müssen den Menschen aber eine
Perspektive für mögliche Lockerungsschritte geben, wenn dies die
Infektionszahlen hergeben", so Müller weiter. "Ich erwarte daher von der Bund-Länder-Schalte am Mittwoch, dass wir uns trotz der Unsicherheiten mindestens auf einen gemeinsamen Rahmenplan einigen können, möglichst gekoppelt an Inzidenzen und der Auslastung unserer Intensivmedizin", sagte der SPD-Politiker.
Forderung nach Stufenplan für den Ausstieg aus dem Lockdown
Am
Mittwoch wollen der Bund und die Bundesländer bei einer Schalte mit
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beraten, wie es weitergeht. Der
Lockdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie ist bislang bis zum 14.
Februar befristet.
Forderungen nach einem festgelegten Stufenplan für den Ausstieg
aus dem Lockdown hatte die Wirtschaft immer wieder formuliert. "Es
wäre aus Sicht der Arbeitgeber nicht nachvollziehbar, die
einschränkenden Maßnahmen weiter fortzuführen, ohne endlich ein
klares und regelbasiertes Öffnungsszenario zu erkennen, das auch eine
breite Mehrheit mitträgt", sagte der Präsident der Bundesvereinigung
der Deutschen Arbeitgeberverbände, Rainer Dulger, dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
Thüringens rot-rot-grüne Landesregierung hat bereits einen
entsprechenden Fahrplan für den Ausstieg entwickelt. Er soll nach
Angaben von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Dienstag
abschließend beraten werden. Anschließend soll er der Öffentlichkeit
vorgestellt werden. Die FDP-Bundestagsfraktion will am Dienstag
ebenfalls einen Stufenplan zur Öffnung vorstellen.
Verlängerung des Lockdowns erwartet
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans kündigte an, dass
es am Mittwoch um einen gemeinsamen Perspektivplan für die kommenden
Monate gehen werde. "Darüber werden Bund und Länder gemeinsam
sprechen", kündigte der CDU-Politiker gegenüber der "Rheinischen
Post" an. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Bayerns
Ministerpräsident Markus Söder hatten zumindest detaillierten
Ausstiegsplänen zuvor aber eine Absage erteilt. Das Virus agiere
dafür zu dynamisch, argumentierten sie.
Feststehen dürfte, dass der Lockdown grundsätzlich verlängert
wird. Dafür plädierten neben der Bundesregierung zuletzt auch mehrere
Länderchefs. "Momentan sind die Zahlen für große Lockerungen nach wie
vor zu hoch. Wir müssen dringend noch weiter runter mit den
Neuinfektionen, um auch gegen die gefährlichen Virus-Mutanten
gewappnet zu sein", sagte zum Beispiel Tobias Hans der "Rheinischen
Post".
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland": "Öffnungsschritte darf es
erst geben, wenn der Einfluss der Mutationen auf das
Infektionsgeschehen beurteilt werden kann. Das ist derzeit noch nicht
der Fall." Viele Bürgerinnen und Bürger erwarteten ein zwischen Bund
und Ländern abgestimmtes und konsequentes Vorgehen, "um nach dem
aktuellen Rückgang der Infektionszahlen einen erneuten Rückfall im
Sinne einer dritten Welle zu verhindern."
Negative Folgen für Schüler durch Schulschließungen
Unter Druck stehen die Entscheider am Mittwoch beim künftigen
Umgang mit den Schulen. Die Schließungen könnten für viele Schüler
nach Ansicht von Experten weitreichende negative Folgen haben. Sie
führten nicht nur zu Leistungsverlusten, sondern gerade für Kinder
"aus bildungsfernen Schichten" sei Schule oft einer der wichtigsten
sozialen und emotionalen Bezugspunkte, sagte OECD-Bildungsdirektor
Andreas Schleicher der Deutschen Presse-Agentur. Für diese Schüler
und kleine Kinder, für die digitales Lernen keine Alternative sei,
wüchsen die Risiken "überproportional zur Länge des Lockdowns".
Auch die Bundesschülerkonferenz warnte vor zu langen
Schulschließungen. Ständig allein zu Hause zu sitzen, sei psychisch
zermürbend, sagte Generalsekretär Dario Schramm dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag). "Viele wollen dringend
mal wieder andere in der Schule sehen - gern mit großem Abstand und
peniblen Hygienevorkehrungen, aber persönlich. Schule ist ein Ort der
Gemeinschaft, nicht nur des Lernens."
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter
Meidinger, sprach von einer Schülergruppe, die bereits im letzten
Schuljahr schlecht per Distanzlernen erreicht worden sei und jetzt
wieder neue Defizite anhäufe. "Die können praktisch den Anschluss im
nächsten Schuljahr nicht mehr schaffen." Bei den betroffenen Schülern
wachse die Gefahr, keinen Schulabschluss oder zumindest den
angestrebten Abschluss nicht mehr zu erreichen. "Das bedeutet massiv
verschlechterte Zukunftschancen."
Öffnung von Schulen und Kitas möglich
Auch SPD-Politiker Karl Lauterbach sagte, er könne sich Öffnungen
von Grundschulen und Kitas unter bestimmten Bedingungen vorstellen,
um Kinder vor schlimmen Folgeschäden zu bewahren. "Grundschullehrer
und Erzieher sollten daher vorrangig geimpft werden, die Schüler
müssten medizinische Masken tragen und mindestens einmal pro Woche
einen Antigen-Schnelltest machen. Dazu kann dann Wechselunterricht
stattfinden", sagte Lauterbach dem Nachrichtenportal "Merkur".
Kanzlerin Merkel erwartet bei den Schulen und Kitas am Mittwoch
eine Perspektive, wie sie nach Informationen der Deutschen
Presse-Agentur bei Online-Beratungen des CDU-Präsidiums sagte.
Der Städte- und Gemeindebund warnte vor den Beratungen vor einem
immer lauteren "Wunschkonzert". "Es vergeht derzeit kein Tag, an dem
nicht bestimmte Gruppen und Organisationen neue Forderungen stellen,
die aus ihrer jeweiligen Sicht ganz besonders wichtig sind", sagte
Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke
Mediengruppe. "Alle Gruppen, die im Lockdown Nachteile
erleiden, fordern immer mehr und bessere Leistungen, ohne dass die
Leistungsfähigkeit des Staates und der spätere Ausgleich auch nur
erwähnt werden."
(pas/dpa)
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