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Angela Merkel, die Mutanten und eine relative Machtlosigkeit

Angela Merkel - Coronavirus DEU, Deutschland, Germany, Berlin, 21.01.2021 Bundeskanzlerin Angela Merkel waehrend der Bundespressekonferenz zum Thema Situation Covid-19 bzw Coronavirus in Berlin. Chanc ...
Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündete am Mittwoch eine weitere Verlängerung des Lockdowns.Bild: www.imago-images.de / Stefan Boness/Ipon
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Merkel, die Mutanten und eine relative Machtlosigkeit

11.02.2021, 07:28
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Ein solches Eingeständnis hat es von Angela Merkel wohl noch nie gegeben: Dass die Länder theoretisch ab kommender Woche an Grundschulen und Kitas den Lockdown selbst beenden können, habe sie nicht verhindern können. "Da ist es ganz einfach nicht möglich, dass ich als Bundeskanzlerin mich so durchsetzen kann, als hätte ich da ein Vetorecht", sagt Merkel nach der mehrstündigen Konferenz von Bund und Ländern in Berlin.

Dass die mächtigste Frau der Welt am Mittwochabend so offen von den föderalen Grenzen ihrer Macht spricht und diese dann auch noch lobt, zeigt, wie groß der Spagat ist, der Merkel zur Bekämpfung der Corona-Krise im Februar 2021 gelingen muss.

Basis für dritte Welle

Einerseits wächst mit den endlich sinkenden Infektionszahlen in Bevölkerung und Wirtschaft die Ungeduld: Wann kann das Land nach monatelangem Lockdown wieder hochfahren? Wann öffnen Geschäfte und Restaurants - und ist so eine Massenpleite noch zu verhindern? Auf der anderen Seite, so erklären Kanzlerin und Länderchefs, sind die aggressiven und heimtückischen Mutationen des Coronavirus auch in Deutschland leider schon Realität. Die Zahl der Mutationen werde damit zunehmen. "Die Frage ist, wie schnell." Merkels Fazit ist ernüchternd: Die Basis für eine dritte Welle sei damit angelegt.

Die Mutation werde die Oberhand gewinnen, das konkrete Verhalten könne noch nicht vorhergesehen werden, betont Merkel. "Darum müssen wir runter, runter, runter mit den Fallzahlen."

Zur Lösung des Dilemmas setzen Bund und Länder im Kern auf die Fortführung der bisherigen Lockdown-Strategie. Zunächst bis zum 7. März soll das öffentliche Leben im Land - abgesehen von Schulen und Kitas sowie ab 1. März auch den Friseuren - heruntergefahren bleiben. Bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 3. März sei dann klarer erkennbar, wie sich die Lage entwickeln könne.

Einknicken der Kanzlerin?

Zwei Monate nach Beginn des harten Lockdowns ist eine Verlängerung eigentlich nichts Neues. Neu ist aber der Weg dorthin. Denn anders als in den vergangenen Konferenzen konnten Merkel und ihre Unterstützer des vorsichtigen Kurses den lockerungswilligen Ministerpräsidenten zur Begründung keine gesicherte Zahlen als Gegenargument liefern. Die vielen Infektionen in den Grenzgebieten und die Erfahrungen anderer Länder mit den aggressiven Virus-Mutanten überzeugten zunächst nicht jeden.

Dass Merkel aber in der mehr als vierstündigen Beratung sehr wohl immer das Heft des Handelns in der Hand hat, zeigt sich schon am frühen Mittwochmorgen. Im Entwurfspapier für die Verhandlungen taucht für viele überraschend eine Verlängerung des Lockdowns bis Mitte März auf. Im Gegenzug offeriert das Papier den Länder "im Rahmen ihrer Kultushoheit" besagte freie Hand für Schulen und Kitas.

Dass das Kanzleramt im Bildungs-Passus seines Entwurfs den Ländern dann doch freie Hand für die schrittweise Rückkehr zum Präsenzunterricht und die Ausweitung der Kindertagesbetreuung gibt, könnte als Einknicken der Kanzlerin gewertet werden. Oder als taktischer Zug, da Merkel weiß, dass die Länder sich im Schul- und Kultusbereich ohnehin nicht reinreden lassen.

Zu hoher Inzidenzwert

Die Reaktionen der Ministerpräsidenten sind vielfach alles andere als zustimmend. Von einem "Holzhammer" ist die Rede, von einer "Trotzhaltung". Folge: Die für 11.00 Uhr angesetzte erste Verhandlungsrunde der Ministerpräsidenten ohne Merkel muss um mehr als eine Stunde verschoben werden. Den Zeitverzug kann die Runde über den Tag nicht mehr aufholen - auch die für 14.00 Uhr angesetzte Hauptverhandlung kann nur mit langer Verspätung losgehen.

Warum Merkel so handelt, hat sie schon am Vortag in der Online-Sitzung der Unionsfraktion erläutert, und sie betont es auch am Mittwoch: Für sie sei das Maß der Lockerungen die Unterschreitung der 50er-Inzidenz bei den Neuansteckungen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche. Aktuell liege der Wert deutschlandweit bei 68.

Bevöllkerung braucht Perspektiven

Abgesehen von der Sorge wegen der Mutationen müssen Merkel und die Länder aber noch etwas anderes bedenken: Die coronamüde Bevölkerung muss weiter mitziehen, ansonsten ist jeder Plan hinfällig. Und dazu brauchen die Menschen eine Perspektive und direkte Ansprachen.

Genau diesen Weg hat Merkel bereits aufgenommen. Immer wieder stellt sich die Kanzlerin vor Kameras und Mikrofone. Dazu passt auch, dass sie an diesem Donnerstag im Bundestag ihre nächste Regierungserklärung zur Pandemie abgeben wird.

Was die weiteren Perspektiven angeht, so setzt das Konzept auf Zeit. Ab einer landesweiten - stabilen - Inzidenz von 35 sollen schrittweise Handel und Kultur wieder geöffnet werden können. Das konkrete Konzept bleibt die Konferenz zwar trotz zahlloser Forderungen der Öffentlichkeit schuldig, gleichwohl ist aber die Aussicht darauf klar wie lange nicht erkennbar. In den vergangenen 16 Tagen sei die Inzidenz um 43 Punkte gefallen, betont Merkel. Das Ziel der 35 sei also durchaus in Sichtweite.

Keine Angst vor kommenden Wahlen

Ob am Ende wirklich ab März auch in Deutschland die Mutationen die dritte Welle mit exponentiell wachsenden Fallzahlen mit sich bringen, weiß niemand sicher. Klar ist nur: Je niedriger die Fallzahlen dann sind, desto besser kann das Land die kommenden Wochen überstehen.

Bei den Verhandlungen kommt Merkel aber noch etwas zugute: Zum einen genieße sie - so heißt es von Länderseite - parteiübergreifend große Autorität. Denn letztlich habe die Kanzlerin bisher mit ihrem besonders vorsichtigen Kurs immer Recht behalten. Zum anderen wolle niemand durch einen Alleingang am Ende die alleinige Verantwortung übernehmen, sollten sich Merkels Befürchtungen wieder bestätigen. Und noch eine Last muss Merkel nicht tragen: Anders als alle anderen am Verhandlungstisch kann sie ohne jede Angst wegen kommender Wahlen agieren, heißt es. Auch das darf niemand unterschätzen.

(pas/dpa)

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