Nach Wahlen ist oft die Rede von einem "hauchdünnen Vorsprung" oder einem "knappen Ergebnis". Meistens waren es dann ein, zwei Prozent der Wählerstimmen, die entschieden haben. Was "hauchdünn" wirklich bedeutet, hat die FDP am Sonntag in Thüringen erlebt.
Am Ende eines langen Zitter-Abends erreichte die FDP laut vorläufigem Endergebnis 5,0005 Prozent der Stimmen. Damit übersprangen die Liberalen die Fünf-Prozent-Hürde, die über den Einzug in den Landtag entscheidet, um gerade einmal fünf Zehntausendstel Prozent. Oder anders gesagt: Exakt fünf (!) Wähler haben die FDP vor einer neuen Wahlschlappe bewahrt.
Fünf Stimmen bei insgesamt 1.108.338 abgegebenen gültigen Stimmen in Thüringen – was, wenn sich da auch nur in einem Wahllokal jemand verzählt hat?
Watson hat beim Büro des Landeswahlleiters in Thüringen angerufen.
Trotzdem könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Übermittlung der Schnellmeldungen durch die Wahlbezirke aus der Wahlnacht "ein Fehler geschieht, man in der Zeile verrutscht oder eine Partei vertauscht", teilte das Büro mit. Schließlich sind diejenigen, die auszählen, auch nur Menschen. Bei nur fünf Stimmen, die den Unterschied machen, kann also noch viel passieren.
Gewissheit wird erst das endgültige Ergebnis am 7. November bringen. Und bis dahin kann einiges passieren.
"Wenn etwas Gravierendes auffallen sollte, kann noch einmal eine Nachzählung durch den Kreiswahlleiter oder im Nachgang zur Wahlprüfung angeordnet werden", teilt das Büro des Landeswahlleiters mit.
Zwischen vorläufigem und endgültigem Ergebnis kann es zu Abweichungen kommen, wenn es etwa Fehler bei der Übermittlung von Daten gab. Außerdem können beim Auszählen Zweifelsfälle bei der Bewertung von Stimmzetteln aufgetaucht sein, etwa bei der Frage: Ist eine Stimme gültig oder nicht? Doch damit rechnet man offenbar nicht:
Diese Einschätzung teilt auch der renommierte Parteienforscher Oskar Niedermayer. Er erklärt im Gespräch mit watson: "Die Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis so stimmt, ist schon hoch." Niedermayer verweist auch auf mehrere Kontrollmechanismen, die es in den einzelnen Wahllokalen bei der Stimmenauszählung gebe. "Das schließt jedoch nicht aus, dass es menschliche Fehler geben kann." Man werde sorgfältig sehen, ob es irgendwo in einem Wahllokal Fragezeichen gibt und dort gegebenenfalls nochmal nachprüfen.
Es könnten beispielsweise insgesamt mehr gültige Stimmen festgestellt werden. Dann müsste eine Partei dementsprechend auch mehr Stimmen erreichen, um auf den Anteil von fünf Prozent zu kommen.
Und so muss die FDP erstmal weiter zittern. Die Auflösung erfolgt am 7. November mit dem endgültigen Ergebnis.