Mit rund einer Milliarde Euro sollen Nachhilfe- und Förderprogramme für Schüler in den Bundesländern unterstützt werden.Bild: dpa / Patrick Pleul
Deutschland
05.05.2021, 07:3205.05.2021, 11:43
Die Bundesregierung hat das Aufholpaket für Kinder und Jugendliche zur Unterstützung sozial schwacher Familien in der Corona-Krise auf den Weg gebracht. Das am Mittwoch vom Kabinett gebilligte Programm hat ein Volumen von insgesamt zwei Milliarden Euro, mit denen auch ein Kinderbonus insbesondere bei Hartz-IV-Bezug finanziert werden soll. Das Paket umfasst Leistungen für Nachhilfestunden und Freizeitangebote.
SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider bezeichnete das Paket als "politisches Signal des Bundes, dass wir Kommunen und Länder, deren originäre Aufgabe das ist, damit nicht allein lassen". Es dürfe keine "verlorene Generation" geben, dafür trage der Bund seine Mitverantwortung. Von den zwei Milliarden sollten 700 Millionen als direkte Zuschüsse gewährt werden, 1,3 Milliarden gingen an die Länder.
Außerdem haben Familien- und Bildungsministerium einen gemeinsamen
Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem der Rechtsanspruch auf
Ganztagsbetreuung für Grundschüler, der im Koalitionsvertrag
verabredet wurde, umgesetzt werden soll.
Das Corona-Aufholprogramm soll aus zwei Säulen bestehen:
Mit rund einer Milliarde Euro sollen Nachhilfe- und Förderprogramme
für Schüler in den Bundesländern unterstützt werden. Es wird davon
ausgegangen, dass jeder vierte Schüler Lernrückstände aufzuholen hat.
Mit dem Fördergeld sollen die Länder bestehende Programme ausbauen
können, etwa Sommercamps und Nachhilfekurse während des Schuljahrs.
Die Kurse könnten von Stiftungen, Vereinen, Initiativen,
Volkshochschulen, pensionierten Lehrkräfte, Lehramtsstudenten und
auch kommerziellen Nachhilfeanbietern übernommen werden.
Auch soziale Krisenfolgen sollen abgefedert werden
Eine weitere Milliarde ist für die Aufstockung verschiedener
sozialer Programme vorgesehen, um die sozialen und psychischen
Krisenfolgen für Kinder und Jugendliche abzufedern. Geplant ist unter
anderem eine Einmalzahlung von 100 Euro für Kinder aus Familien, die
auf Hartz IV angewiesen sind oder nur ein sehr geringes Einkommen
haben. Das Geld soll je nach Bedarf für Ferien-, Sport- und
Freizeitaktivitäten eingesetzt werden können. Mehr Geld soll zudem
für Sprachförderung an Kitas in sogenannten sozialen Brennpunkten zur
Verfügung gestellt werden, weil viele Kinder die Einrichtungen nicht
besuchen konnten. Auch eine stärkere Förderung von Schulsozialarbeit,
Freizeitangeboten und kostengünstigen Ferienfahrten ist geplant.
Der Deutsche Städtetag forderte eine schnelle Umsetzung des
Aufholprogramms. "Wir müssen Kindern und Jugendlichen unmittelbar
helfen, damit sie soziale und psychische Folgen durch die Lockdowns
bewältigen können", sagte Vizepräsident Markus Lewe dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Es dürfe keine Zeit und Kraft
mit komplizierten Antragsverfahren verplempert werden. Lewe, der auch
Oberbürgermeister von Münster ist, rief die Länder zudem dazu auf,
das Bundesgeld durch eigene Mittel "spürbar" zu ergänzen.
Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule
Integrationsstaatsministerin Annette Widmann-Mauz (CDU) sprach
sich dafür aus, Kinder und Jugendliche aus Flüchtlings- und
Einwandererfamilien besonders in den Blick zu nehmen und Sprach- und
Freizeitangebote für sie zu verstärken. Ihre Familien seien von den
Auswirkungen der Pandemie besonders betroffen, sagte sie dem RND.
Viele arbeiteten in Berufen, in denen Homeoffice nicht möglich sei,
etwa in der Pflege oder im Einzelhandel oder im Gastgewerbe, das
stärker von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit betroffen sei.
Das Kabinett will außerdem an diesem Mittwoch den Rechtsanspruch
auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule auf den Weg bringen. Damit
versucht die große Koalition kurz vor dem Ende der Legislaturperiode
noch eines ihrer zentralen Vorhaben im Bildungs- und Familienbereich
umzusetzen. Kinder, die ab dem Schuljahr 2025/2026 eingeschult
werden, sollen laut dem Gesetzentwurf von Bundesfamilien- und
Bundesbildungsministerium in den ersten vier Schuljahren einen
Anspruch auf ganztägige Betreuung bekommen – für mindestens acht
Stunden an Wochentagen und auch in den Ferien.
Länder fordern stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes
Einige Bundesländer, vor allem im Osten, haben schon eine gut
ausgebaute Ganztagsbetreuung, entweder in Form von Ganztagsschulen
oder als Kombination aus Schule und Hort. In anderen Ländern müsste
noch viel investiert werden, um den Rechtsanspruch ab 2025 erfüllen
zu können. Wegen der immensen Kosten für den laufenden Betrieb, für
Personal und Investitionen an den Grundschulen gibt es bis heute
Streit. Die Länder fordern eine stärkere finanzielle Beteiligung des
Bundes. Eine Zustimmung im Bundesrat und eine Umsetzung des Vorhabens
bis zur Bundestagswahl sind daher offen.
Bereits zugesagt hatte die Regierung 3.5 Milliarden Euro für
Investitionen und eine laufende Beteiligung an den Betriebskosten. Im
Gesetzentwurf werden dafür jährlich dreistellige Millionenbeträge von
Bundesseite genannt.
Skeptisch zeigte sich der Deutsche Städte- und Gemeindebund.
Angesichts des bereits jetzt bestehenden Fachkräftemangels bei
erzieherischen Berufen "wird es nicht gelingen können, bis 2030 rund
800.000 zusätzliche Ganztagsplätze zu schaffen", sagte
Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke
Mediengruppe. Viele Betreuungskräfte erreichten in den nächsten
Jahren außerdem das Rentenalter. Landsberg forderte Bund und Länder
zu einer Ausbildungsinitiative für Erziehungsberufe auf und sprach
sich für eine deutlich höhere Beteiligung des Bundes an den
Betriebskosten aus.
(ogo/pas/dpa/afp)
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