Omid Nouripour und andere Grüne haben Spaß daran, Jugendwörter wie "ehrenlos" zu nutzen. Bild: imago images / Chris Emil Janßen
Deutschland
Ehrenlos, bodenlos, gottlos, lost, cringe: Was mal mehr und mal weniger zutreffend als Jugendsprache bezeichnet wird, ist auch fester Bestandteil der Popkultur – nicht zuletzt seit die Rapper von K.I.Z. den Song "Ehrenlos" 2015 veröffentlicht haben.
Und auch viele Erwachsene – darunter die Generation der von der Jugend so gern geroasteten Boomer – trauen sich mittlerweile an so manchen Sprachtrend der vergangenen Jahre heran. Viele von ihnen nutzen "ehrenlos" und weitere Begriffe nicht mehr nur, um sich über die Jungen lustig zu machen – sogar in politischen Auseinandersetzungen findet Jugendsprache mittlerweile Einzug.
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"Ehrenlos" und "lost" – Politiker bashen sich mit Jugendsprache
Denn mittlerweile machen auch viele Politiker:innen vermeintliche Jugendwörter salonfähig im öffentlichen Diskurs – etwa den Begriff "ehrenlos".
Zuletzt sprach Katharina Stolla, Bundessprecherin der Grünen Jugend, im Interview mit "t-online" frei von der Leber, als sie die CDU und SPD kritisierte. Angesprochen auf den Vorschlag von Unionsfraktionsvize Jens Spahn, die Verfassung zu ändern, um die Streichung von Bürgergeld zu legalisieren, antwortete sie:
"Das ist absolut ehrenlos. Aber auch Hubertus Heils Vorschlag ist ehrenlos, weil er Menschen hungern lässt."
Grünen-Chef Omid Nouripour schoss im September in ähnlicher Manier gegen Generalsekretär Bijan Djir-Sarai vom Koalitionspartner FDP. Nach dessen Vorwurf, die Grünen seien ein Sicherheitsrisiko für das Land, antwortete Nouripour, es gäbe für Parteien, "die um die Fünf-Prozent-Hürde kämpfen, keine Entschuldigung, dass man die Untergrenze für Anstand verletzt". Seine Kritik rundete er mit dem Hinweis ab, sein 14-jähriger Sohn würde so etwas als "ehrenlos" bezeichnen.
Auch etablierte Medien nutzen den Slang im Umgang mit Politiker:innen. So kommentierte der Kanal der ZDF-Mediathek auf Tiktok unter einem hochgeladenen Ausschnitt aus Tommi Schmitts Sendung "Draußen": "Wie ehrenlos hat Strack-Zimmermann ihre Lines gepuncht?"
Doch – und junge Menschen müssen an dieser Stelle Nachsicht für einen Servicehinweis an alle Boomer zeigen – was heißt "ehrenlos" eigentlich?
Was bedeutet "ehrenlos"?
"Ehrenlos" bedeutet erst einmal das Naheliegende: Dass jemand keine Ehre hat. Dementsprechend wird das Adjektiv mitunter als Vorwurf – wie von Stolla und Nouripour – genutzt, um jemandem grenzüberschreitendes oder ungebührliches Verhalten zu unterstellen.
Darüber hinaus wird "ehrenlos" mittlerweile aber auch als Adverb genutzt – also etwa als Unterstützung für ein Verb –, um zu verdeutlichen, dass etwas krass beziehungsweise besonders ausufernd ist. Im Falle Strack-Zimmermanns wollte das ZDF also darauf hinweisen, dass diese ihre Sprüche besonders locker sitzen hatte – sie hat ihre Lines ehrenlos gepuncht.
Ein weiteres Beispiel für den Shift des Ausdrucks zu einem neutraleren und manchmal gar positiven Wort ist der bereits erwähnte Song "Ehrenlos" von K.I.Z. Im Songtext machen die Rapper sich zwar in gewohnter Manier doppelt und dreifach ironisch über grenzenlose Partychaoten lustig. Dennoch bleibt beim Mitgrölen bei diversen K.I.Z.-Fans das positive Gefühl: Manchmal muss man auch einfach mal ehrenlos feiern.
Neben ehrenlosem Feiern und dem ehrenlosen Punchen von Lines gibt es weitere Beispiele für die Nutzung des Jugendwortes:
- Du Ehrenloser!
- Petzen ist ehrenlos.
- Einen Döner mit ehrenlos viel Tsatsiki, bitte.
- Jemanden ehrenlos weggrätschen.
Wie Jugendwörter durch Susanne Daubner zum Internet-Hype wurden
Zum Internet-Hype wurden Jugendwörter nicht zuletzt auch durch Tagesschau-Sprecherin Susanne Daubner. Sie verliest seit einigen Jahren regelmäßig die Kandidaten zum Jugendwort des Jahres und trifft mit ihrer Selbstironie damit den Geschmack vieler junger Menschen.
Damit schaffte es Daubner, den Langenscheidt-Wettbewerb von einer Cringe- zur Kultveranstaltung zu verändern. 2023 gewann das Wort "goofy", in Anlehnung an den gleichnamigen Disney-Charakter, ein Synonym für albern. Davor gewannen "smash", "cringe" und "lost".
Einige der ausgezeichneten Jugendwörter gelten zwar als Fehlgriff und wurden direkt nach ihrer Ernennung auf dem Friedhof für popkulturelle Trends begraben. Doch andere fanden Einzug in die Alltagskommunikation. Auch "lost" wird mittlerweile von Politiker:innen gesagt.
Jugendwörter: Lost im gottlosen Diskurs
Neben "ehrenlos" werden auch weitere Jugendwörter als mutmaßlich scharfe Waffen im politischen Diskurs genutzt. So war Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir nicht darum verlegen, jüngere Generationen mit ihrer vermeintlich eigenen Sprache zu schmähen. Er bezeichnete die Klimakleber der Letzten Generation auf X in Anlehnung an ihren Namen als #LostGeneration.
Zwar wurden mit dem Begriff "Lost Generation" historisch häufig "verlorene" Generationen mit schwerem Schicksal beschrieben – etwa diejenigen Menschen, die in jungem Alter im Ersten Weltkrieg starben. Dennoch hätte Özdemir diesen Ausdruck wohl kaum genutzt, wenn der Begriff "lost" nicht mittlerweile auch in Deutschland etabliert wäre.
Und auch die "Bild" greift natürlich bei jeder Gelegenheit zu scharfen Worten, ob alt oder jung ist dabei egal – Hauptsache es ist derbe (beziehungsweise: ehrenlos derbe). So wütete Linna Nickel aus der Chefredaktion in einem politischen Kommentar zu antisemitischen Protesten in Deutschland im Oktober: "In meinem Deutschland ist kein Platz für gottlose Barbaren!"
Antisemitismus zu verurteilen, ist natürlich eine hehre Absicht. Streitbar bleibt jedoch, ob die Ausdrucksweise nun ehrenlos präzise ist – oder einfach nur ehrenlos.
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