Nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischkonzern Tönnies erhöht die Bundesregierung den Druck auf die Branche. "Wir wollen die Kontrollen weiter verschärfen, noch bevor das neue Gesetz zur Arbeitssicherheit in der Fleischindustrie da ist", sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Samstag. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) forderte im Deutschlandfunk, "Verantwortliche zur Rechenschaft" zu ziehen. Zugleich wollen die Koalitionsfraktionen einen weitreichenden Umbau der Nutztierhaltung starten.
Die Zustände in der deutschen Fleischwirtschaft stehen seit Jahren in der Kritik. Mitte Mai beschloss das Bundeskabinett neue Auflagen. Vorgesehen ist unter anderem ein Verbot von Werkverträgen, das ab dem 1. Januar 2021 gelten soll. "Wir arbeiten mit mehreren Ministerien daran, das Verbot rechtssicher zu machen", sagte Heil dazu den RND-Zeitungen.
Zu den Vorfällen bei Tönnies im Kreis Gütersloh, wo inzwischen mehr als 1300 Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet wurden, sagte Heil dem "Tagesspiegel am Sonntag", die Beschäftigten würden "in der Pandemie mutwillig einem erheblichen Gesundheitsrisiko" ausgesetzt.
Bundeswirtschaftsminister Altmaier sagte im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks, das am Sonntag ausgestrahlt werden soll, er wolle, "dass das Vertrauen in Lebensmittel und in Fleisch 'made in Germany' erhalten bleibt". Das bedeute, "dass wir auch dafür sorgen, dass Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden und dass die Missstände abgestellt werden".
Auch die Koalitionsfraktionen nehmen das Thema Nutztierhaltung in den Blick. In dem Entwurf für einen gemeinsamen Antrag, der am Samstag der Nachrichtenagentur AFP vorlag, heißt es, die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung seien "in Konsequenz und in Gänze aufzugreifen und als Grundlage für die zukünftige Ausrichtung der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung zu nutzen".
"Viel zu lange haben Lobby und einflussreiche Agrarpolitiker jedwede Standardverbesserung abgelehnt", sagte dazu SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch:
Das Kompetenznetzwerk, ein Expertengremium unter Leitung des früheren Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert (CDU), hatte im Februar bessere Haltungsbedingungen vorgeschlagen, etwa mehr Platz in Ställen. Zur Finanzierung sei "eine mengenbezogene Abgabe auf tierische Produkte", die "technisch als Verbrauchssteuer" umgesetzt werde, die "bestgeeignete Lösung".
In dem Antrag der Koalitionsfraktion ist von Steuern und Abgaben nicht die Rede; das Papier ist eher allgemein gehalten. "Mehr Geld heißt nicht mehr Qualität", sagte SPD-Fraktionsvize Miersch. Auch Heil sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag", höhere Fleischpreise änderten erst einmal "rein gar nichts an der Situation der Beschäftigten in der Fleischindustrie. Sie vergrößern nur die Gewinne im Handel und bei den Produzenten."
Über den Antrag der Koalitionsfraktionen soll nach AFP-Informationen in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause im Bundestagsplenum beraten werden. Über das Papier hatte zuerst die "Neue Osnabrücker Zeitung" berichtet.
(lau/afp)