Hätte jemand vor einem Jahr ernsthaft einen möglichen Dritten Weltkrieg in Betracht gezogen, wäre derjenige wohl nur müde belächelt worden. Doch die Lage spitzt sich zu. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist längst kein Konflikt mehr, der nur diese beiden Länder betrifft. Er hat bereits globale Auswirkungen. Und: Der Wirtschaftskrieg zwischen dem Westen und Russland ist in vollem Gange.
Doch wird damit ein Dritter Weltkrieg tatsächlich wahrscheinlicher?
Zumindest wird vermehrt darüber gesprochen. Hatten im Politumfeld zuvor nur Bundestagspolitiker:innen aus Kreisen der AfD über einen nahenden "Dritten Weltkrieg" gesprochen, äußerte im April Olaf Scholz seine Sorge vor einer Eskalation, die zu einem "Weltkrieg" führen könne. Nun meldet sich ein weiterer Politiker der SPD-Fraktion zu Wort – und bugsiert damit die SPD erneut ins Kritik-Kreuzfeuer.
Niemand Geringeres als Lars Klingbeil, Chef der SPD, schlägt nun ähnliche Töne an. Angesichts des Ukraine-Krieges und der Ankündigung Russlands, 300.000 Reservisten in die Ukraine schicken zu wollen, sieht Klingbeil offenbar eine Gefahr: Er warnte vor einer dramatischen Eskalation. "Wir werden weiter konsequent die Ukraine unterstützen", sagte Klingbeil den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) am Freitag. Es gehe aber gleichzeitig darum, "einen Dritten Weltkrieg zu verhindern."
Auch Russland wirft mit scharfen Tönen um sich. Die Führung des Landes verurteilt westliche Staaten für ihre Unterstützung der Ukraine. So warf der russische Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag dem Westen eine Einmischung in den Krieg vor. "Diese Politik, Russland zu zermürben und zu schwächen, bedeutet die direkte Einmischung des Westens in den Konflikt und macht ihn zu einer Konfliktpartei", sagte Lawrow bei seinem Kurzauftritt in der Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York. Und auch der russische Präsident Wladimir Putin warnt nachdrücklich. Er sage "dem Westen": "Wir haben viele Waffen, um zu antworten. Das ist kein Bluff", so Putin. "Wir werden alle Ressourcen nutzen, um unsere Leute zu verteidigen."
Kriegsrhetorik und Propaganda vonseiten Russlands sind aber nichts Neues. Drohungen der politischen Führung des Landes kennt man schon. Trotzdem: Die Ukraine zu unterstützen und gleichzeitig die Lage zu deeskalieren, ist ein Balanceakt.
Umso sensibler behandelt die Bundesregierung daher das Thema der Waffenlieferungen an die Ukraine. Alleingänge werden abgelehnt. Aber: Hitzige Debatten darüber stehen an der Tagesordnung. Zur aktuellen Debatte um die Lieferung weiterer schwerer Waffen wie dem Kampfpanzer Leopard 2 sagte Klingbeil, Deutschland werde hier nicht vorpreschen. "Wir werden uns weiter täglich mit unseren Partnern abstimmen, welches die nächsten Schritte sind, um der Ukraine zu helfen."
Für seine scharfe Rhetorik und die Warnung vor einem "Dritten Weltkrieg" kassiert Klingbeil nun eine Welle der Kritik. Ihm wird etwa vorgeworfen, dadurch Angst zu schüren und so eine weitere Eskalation wahrscheinlicher werden zu lassen. Auch der Vorwurf, damit die Propaganda Putins zu unterstützen, wird laut.
Der Politikberater und Kommunikationsexperte Johannes Hillje schätzt die Rhetorik vonseiten des SPD-Politikers gegenüber watson so ein: "Wegen ihrer Absage an Panzerlieferungen fühlt sich die SPD unter Rechtfertigungsdruck." Scholz und die SPD haben stets über das Ziel gesprochen, eine Kriegseskalation über die Ukraine hinaus zu verhindern.
Denn: Eine Zuspitzung einer solchen Eskalation sei das Szenario eines Dritten Weltkriegs. "Dass sich die SPD dieses Schreckensszenarios bedienen muss, deutet vor allem auf ein Kommunikationsproblem hinsichtlich der bisherigen Waffenlieferungen an die Ukraine hin."