Ralf Stegner ist einer der Verlierer im Rennen um den SPD-Vorsitz. Enttäuscht ist er aber nicht – zumindest, wenn man seinen Worten Glauben schenken mag.
Bei "Markus Lanz" am Dienstagabend parierte der derzeitige SPD-Vizevorsitzende jede unangenehme Frage des Moderators nach Enttäuschung, nach verletzter Ehre und anderen negativen Gefühlen. Und Fragen gab es viele, denn Moderator Lanz ließ nicht ab von Stegner.
Lanz wollte vor allem wissen: Wie ist die Stimmung in der SPD, nachdem nun mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zwei GroKo-Skeptiker Chefs der Sozialdemokraten werden? Die Bundestagsfraktion wiederum sieht Esken und Walter-Borjans durchaus skeptisch. Zwar war der parteiinterne Wahlkampf nicht von Streit geprägt, aber Verwerfungen gab es in der SPD durchaus. Etwa zwischen Stegner und dem Chef der Jusos, Kevin Kühnert.
Wie also sieht es aus in der SPD?
"Sie sehen heute einen ganz fröhlichen und entspannten Mann vor sich", sagte Stegner in der Sendung mit seinem typisch nicht-fröhlichen und nicht-entspannten Gesichtsausdruck. Dass er nicht mehr für den Vizeposten kandidieren wird und seinen Platz wohl ausgerechnet Juso-Chef Kevin Kühnert einnehmen wird – dazu lässt sich Stegner kein negatives Wort entlocken.
In den vergangenen Monaten hatten sich Stegner und Kühnert immer wieder mal kritisiert. Stegner selbst spricht von "Turbulenzen". Dass die Jusos im Rennen um den SPD-Vorsitz die Kandidaten und nun designierten Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans öffentlich unterstützten, nannte Stegner in der ZDF-Sendung "nicht so progressiv, wie ich mir das von den Jusos wünsche".
"Herr Stegner, Kevin Kühnert hat gar nicht mehr mit Ihnen gesprochen, der ging nicht mehr ans Telefon, wenn Sie angerufen haben. Wie würden Sie das nennen?", fragte Lanz.
"Wir haben uns konzentriert darauf, den Wahlkampf von jemand anderem zu unterstützen", sagte Stegner. "Aber ich habe drei Jusos in der Familie und ich bin nicht wehleidig." Er habe sich mit Kühnert mittlerweile ausgesprochen.
Lanz sagte schließlich: "Okay, Herr Stegner. Die letzte und die Killer-Frage: Wenn Sie die Chance gehabt hätten, zu den dreien (gemeint sind wohl die drei kommissarischen Vorsitzenden der SPD derzeit, Anm.) zu gehören, hätten Sie's gemacht?"
Stegners Antwort: "In der Politik ist es immer so, dass man sich bewirbt und gewinnen und verlieren kann. Wenn ich die Chance gehabt hätte, mit Gesine Schwan Parteivorsitzender zu werden, wäre ich jetzt Parteivorsitzender. Wenn meine Oma vier Räder gehabt hätte, wäre sie ein Autobus gewesen."
"Das war nicht meine Frage", sagte Lanz lachend. Die Antwort bedeute wohl, Stegner sei nicht gefragt worden, folgerte der Moderator aus Stegners "Hätte-hätte-Fahrradkette"-Antwort.
Und Lanz fragte weiter nach Kühnert. "Dieser Mann hat doch einen großen Plan. Und Sie sind jetzt Opfer dieser Strategie?"
"Also... sehe ich aus wie ein Opfer?", antwortete Stegner und blickte hinter sich ins Publikum. "Ich eigne mich nicht sehr gut als Opfer."
Lanz: "Nervt Sie das nicht? Da sind jetzt Leute an der Spitze, die kannte bis vorgestern gar keiner."
Stegner: Auch ihn, Stegner, habe fast niemand gekannt, als er Staatssekretär geworden sei.
Lanz wechselte das Thema. Er wollte wissen: Kippt die SPD die schwarze Null, also das Versprechen, keine neuen Schulden aufzunehmen. Und wenn ja, was ist dann mit der GroKo?
Stegner glaubt, dass die schwarze Null kippen wird. "Und was ist dann mit Olaf Scholz?", fragte Lanz. Der gilt als Verfechter der schwarzen Null. Stegner aber sah da keine Probleme. In einer Frage könne auch der Bundesfinanzminister überstimmt werden.
Auf dem Parteitag der SPD am Wochenende soll ein Leitantrag eingebracht werden über die weitere Arbeit in der GroKo. Über diesen Antrag könnte das Ende der Koalition eingeleitet werden. Darin wollen die Sozialdemokraten Forderungen an die Union stellen. Welche das sein sollen beraten die Genossen im Willy-Brandt-Haus derzeit.
"Nachverhandelt wird unter Erwachsenen nicht", sagte Stegner bei Lanz und meinte damit Nachverhandlungen am Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union.
"Kommt das Wort Ausstieg in dem Leitantrag vor?", fragte Lanz.
Stegner: "Aus der Kohleverstromung, ja."
Das war sein letztes Wort.
(ll)