Am Donnerstag hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel zum ersten Mal seit Juni mit den Ministerpräsidenten der Länder über ein einheitliches Vorgehen in der Pandemie beraten. Sie verständigten sich darauf, dass bundesweit ein Bußgeld von mindestens 50 Euro bei allgemeinen Verstößen gegen die Maskenpflicht erhoben werden soll. Eine Ausnahme ist Sachsen-Anhalt, wo es laut Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) auch in Zukunft kein Bußgeld geben soll.
Wie die "Bild" berichtete, fetzten sich im Rahmen der Debatte über eben jene Bußgelder für Maskenverweigerer der Landeschef und die Kanzlerin. Haseloff hatte zuvor erklärt, in Sachsen-Anhalt würden sich die Bürger an das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes halten. Daraufhin soll Merkel Haseloff angefahren haben: "Reiner, du bist doch der deutschen Sprache mächtig. Der Satz sagt, dass ihr eine Maskenpflicht in Sachsen-Anhalt habt, aber kein Bußgeld einführt." Der soll daraufhin schnippisch geantwortet haben: "Du bist Kanzlerin und bist der deutschen Sprache noch mächtiger als ein einfacher Ministerpräsident."
Gut, dass der CDU-Mann am Donnerstagabend via Video ins "Markus Lanz"-Studio geschaltet wurde, um die Ereignisse des Tages noch einmal zu bewerten – und zu dem kolportierten Dialog Stellung zu beziehen. Gastgeber Lanz machte dann auch kurzen Prozess und fragte ohne Umschweife: "Hat das so stattgefunden?"
Der Landeschef stellte direkt klar:
Dann führte er weiter aus, was bei der Schalte tatsächlich vorgefallen war und erklärte seine Haltung noch einmal: "Es gibt auch bei uns ein ganz klares Gebot, einen Mund-Nasenschutz zu tragen, wo der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann." Es sei lediglich um die Diskussion gegangen, inwieweit man bestimmte Instrumente mit einem Bußgeld versieht. "Wir sehen das ganz klar, dass ein Bußgeld eine Verschärfung für uns darstellen würde. Wir haben eine ganz niedrige Infektionszahl, heute waren es neun, davon acht Reiserückkehrer."
Haseloff meine, in seinem Bundesland aktuell nicht vermitteln zu können, dass er ein Bußgeld für eine Sache einführe, die doch eigentlich ganz gut funktioniere. "Das wollte ich im Protokoll klargemacht haben, habe mich noch einmal wiederholt." Und dann verriet er, dass eben doch jener Satz von der Kanzlerin fiel, nur eben nicht so pampig wie gerüchteweise berichtet: "Und so kam es zu dieser, etwas mit einem Augenzwinkern versehenen, Sequenz."
Das würde ja doch recht humorig klingen, urteilte Lanz nach den Ausführungen. Und als der ZDF-Mann dann noch einmal die kolportierte Antwort Haseloffs auf Merkels kleine Spitze wiederholte, widersprach der Politiker ihm nicht. Vielleicht war es auch einfach ein Physikerwitz, flachste Lanz – das Fach haben Merkel und Haseloff beide studiert.
Bei seinem Lieblings-Thema Masken wollte der ZDF-Mann dann aber ganz genau nachhorchen. Warum Haseloff sich denn weigern würde, dieses Bußgeld zu erheben, bohrte Lanz nach und wurde dann etwas drastischer: "Wenn Menschen in Ihrem Bundesland ohne Gurt Auto fahren, werden die dann bestraft oder nicht?" Doch der Landeschef ließ sich nicht beirren und machte klar, dass die Regeln zur Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels "knallhart durchgezogen" würden. Sprich: Wer keine Maske trägt, darf auch nicht mitfahren.
Markus Lanz wollte dann noch wissen, ob Menschen in Sachsen-Anhalt aufgrund ihrer innerdeutschen Vergangenheit empfindlicher auf Einschränkungen reagieren würden. Haseloff erklärte: "Die grundsätzliche Bereitschaft mitzuwirken, die ist da, wenn man weiß, warum das notwendig ist." Sollten die Infektionszahlen drastisch steigern, würde jeder Bürger sofort eine Verschärfung mittragen.
SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach, der ebenfalls bei Lanz zu Gast war, stimmte Haseloffs Ausführungen und der Logik dahinter gar nicht zu: "Das ergibt schlicht keinen Sinn. Nur weil ich in einer Region weniger Unfälle habe, gelten doch auch die gleichen Verkehrsregeln."
Er mahnte im weiteren Verlauf des Polittalks an: "Wir stehen am Anfang einer zweiten Welle und gehen relativ schlecht vorbereitet da rein. Wir haben in ganz Deutschland Fälle und wir wissen, dass die große Belastung im Herbst und im Winter kommt." Die große Gefahr: die Aerosol-Übertragung in geschlossenen Räumen. "Die Aerosole sind sehr viel schwieriger in den Griff zu bekommen als eine Tröpfcheninfektion, wie sie beispielsweise bei der Grippe eine Rolle spielt", erläuterte Lauterbach.
Das Problem: Man hätte jetzt schon viel zu wenige Corona-Tests. Man könne also gar nicht alle Reiserückkehrer zwangsweise testen, selbst wenn man wollte. Reiserückkehrer aus Risikogebieten sollen ab dem 1. Oktober eine Corona-Quarantäne frühestens durch einen Test ab dem fünften Tag nach ihrer Rückkehr beenden können. Eine "problematische Entscheidung", urteilte der SPD-Mann. Denn dann sei der Test in der Regel sinnlos, weil ich eigentlich nur zwei Tage vor den Symptomen positiv bin und vier Tage danach."
Aber Lauterbach brachte kurz vor Ende der Talkrunde auch gute Nachrichten mit: "Wir werden im nächsten Jahr in der Lage sein, uns selbst zu testen, haben das Ergebnis spätestens in einer Stunde und können das zu Hause machen." Ein "Gamechanger", wie er es nannte.
(ab/mit Material von dpa)