Armin Laschet setzt Horst Seehofer unter Druck.Bild: reuters / MICHELE TANTUSSI
Deutschland
Seit fast zwei Monaten wird auch an deutschen Grenzen wieder
kontrolliert. Ob das im Kampf gegen das Coronavirus hilft, ist
umstritten.
In der Debatte über die in der Corona-Krise verhängten
Grenzkontrollen wächst nun der Druck auf Bundesinnenminister Horst
Seehofer (CSU). Nach anderen Länderchefs verlangte auch der
nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), die
Kontrollen an der deutsch-französische Grenze möglichst schon Anfang
nächster Woche aufzuheben. Der frühere EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker nannte die Kontrollen in einem dpa-Interview eine
Gefahr für den Binnenmarkt.
Laschet macht Druck: "Brauchen dringend eine Öffnung der Grenze"
Seehofer hatte zuletzt erklärt, es bestehe Einvernehmen in der
Bundesregierung, die Kontrollen zunächst bis zum 15. Mai
fortzusetzen. In der kommenden Woche soll über das weitere Vorgehen
entschieden werden. Laschet dringt aber – ebenso wie andere
Ministerpräsidenten – auf schnellere Entscheidungen.
"Wir brauchen dringend eine Öffnung der Grenze zu Frankreich", sagte
der CDU-Politiker der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter
Nachrichten" (Samstag). "Dort endet der Lockdown am 11. Mai - das
wäre ein guter Zeitpunkt, unseren Nachbarn zu signalisieren, dass wir
eine gemeinsame europäische Antwort bei der Pandemiebekämpfung
anstreben." Die Bundesregierung müsse "in diesem Sinne auch mit
Österreich reden". Aus Laschets Sicht waren die vergangenen Wochen
"zu sehr nationalstaatlich und zu wenig europäisch geprägt".
Laschet steht damit nicht alleine da
Am Freitag hatten bereits der saarländische Ministerpräsident Tobias
Hans (CDU) und seine rheinland-pfälzische Kollegin Malu Dreyer eine
schnelle Öffnung gefordert. In Frankreich werden am Montag die
Kontaktbeschränkungen gelockert. Die Bürger dürfen sich dann wieder
in einem größeren Radius bewegen.
Die Grenzkontrollen waren erstmals Mitte März angeordnet und dann
verlängert worden, um die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland
zu verlangsamen. Menschen, die weder Deutsche noch dauerhaft hier
ansässig sind, dürfen seither nur noch aus einem "triftigen
Reisegrund" nach Deutschland kommen.
Juncker fordert behutsamen Umgang mit Grenzen in Europa
Juncker kritisierte die Kontrollen. Der Binnenmarkt lebe von offenen
Grenzen, sagte der ehemalige EU-Kommissionspräsident der Deutschen
Presse-Agentur. "Jeder, der sich an den Grenzen vergreift, auch wenn
das manchmal dem nationalen Publikum gefällt, der bringt den
Binnenmarkt in Gefahr. Insofern sollte man mit Grenzen in Europa sehr
behutsam umgehen und nicht den radikalen Zöllner spielen."
Dass ausgerechnet zum 25. Jubiläum des Schengen-Abkommens für freies
Reisen Grenzen zwischen Luxemburg und Deutschland geschlossen worden
seien, sei grotesk, sagte Juncker. Seine Nachfolgerin Ursula von der
Leyen habe versucht, zumindest die Transporte im Binnenmarkt wieder
herzustellen, was auch gelungen sei.
"Die Kommission als solche und Frau von der Leyen insbesondere hat ja
keinen Fehler gemacht", sagte Juncker, der Ende November aus dem Amt
geschieden war. "Es ist ja nicht der Kommission anzulasten, dass die
Mitgliedsstaaten kopflos und jeder für sich in seiner Ecke sein
eigenes Corona-Süppchen gekocht haben."
Bundeskanzler Olaf Scholz' (SPD) Vertrauensfrage am 16. Dezember soll den Weg für die Neuwahlen im Februar ebnen. Es gilt als reine Formalität, damit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dann den Bundestag auflösen kann.