Wie geht es weiter unter Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans? Mit der GroKo, der SPD und Deutschland? Bild: imago images / auslöser-photographie
Deutschland
Auf den Paukenschlag bei der SPD folgen viele Fragen: Wohin steuert die Partei? Welche Forderungen stellen die Sozialdemokraten für einen Fortbestand der Koalition?
01.12.2019, 10:0201.12.2019, 13:03
Bild: watson
Mit den designierten Parteivorsitzenden Saskia Esken
und Norbert Walter-Borjans deutet sich ein Linksruck bei der SPD an.
Mit Spannung wird erwartet, welchen Kurs das Siegerduo des
Mitgliederentscheids in der großen Koalition einschlägt. Esken und
Walter-Borjans hatten noch am Samstagabend kritische Töne gegenüber
dem Regierungsbündnis angestimmt. Der frühere nordrhein-westfälische
Finanzminister und die Bundestagsabgeordnete gewannen die Stichwahl
mit 53,06 Prozent.
Für ihre Konkurrenten, die GroKo-Befürworter Vizekanzler Olaf Scholz
und die Brandenburger Politikerin Klara Geywitz, gab es eine herbe
Niederlage: Sie kamen lediglich auf 45,33 Prozent. Die
Wahlbeteiligung lag bei 54,09 Prozent. In den kommenden Tagen wollen
Esken und Walter-Borjans mit den führenden Köpfen der Partei ihren
Kurs für den Parteitag Ende der Woche in Berlin beraten.
Die wichtigsten Fragen nach der Überraschungswahl:
Was will die neue SPD-Spitze?
Einen überstürzten Ausstieg aus der großen Koalition streben Walter-Borjans
und Esken nicht an. Sie und Walter-Borjans planten auch "keinen
Alleingang", sondern einen gemeinsamen Kurs mit der
Bundestagsfraktion und den SPD-Ministern, sagte Esken am Samstagabend
in der ARD. Esken sagte im TV-Sender Phoenix, der Parteitag werde über die Zukunft der GroKo entscheiden.
Fest steht: Wenn es mit der GroKo weitergehen soll, will das Duo erstmal den Koalitionsvertrag neu verhandeln.
Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und staatliche Investitionen in
Straßen, Schulen oder auch die Bahn – das sollen die Kernpfeiler
künftigen sozialdemokratischen Regierungshandelns sein. Bereits kurz
nach ihrem Sieg verlangte Esken einen deutlich höheren CO2-Preis von
40 statt 10 Euro pro Tonne. An Inhalten wie diesen wollen Esken und
Walter-Borjans die Koalitionsfrage stellen.
Walter-Borjans und Esken haben allen Grund zur Freude. Doch unsicher ist, wie lange sie währt.Bild: imago images / Thomas Trutschel/photothek.de
Wie steht die Union zur den Forderungen der neuen SPD-Spitze?
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte bereits angedeutet, dass
sie keine Nachverhandlungen will. "Wir stehen zu dieser Koalition auf der Grundlage, die verhandelt ist", sagte AKK nun am Sonntag bei einem Besuch in Split in Kroatien
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak
unterstrich nach dem SPD-Basisentscheid, die CDU freue sich auf "eine
vertrauensvolle Zusammenarbeit zum Wohle unseres Landes". Zugleich
verwies Ziemiak auf den Koalitionsvertrag als Grundlage für die Arbeit des
Regierungsbündnisses – das klang auch nicht nach großer Bereitschaft
zum Nachverhandeln.
CSU-Generalsekretär Markus Blume und der
scheidende EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) warnten die SPD vor
einem Ausstieg.
Was passiert bis zum SPD-Parteitag am Freitag?
So manches ist noch unklar vor dem dreitägigen Delegiertentreffen,
das am Freitag in Berlin beginnt: Stellen sich die zwei designierten
Chefs gemeinsam oder nacheinander auf die Bühne? Wer von beiden redet
zuerst? Doch sind das nur die kleineren Fragen. Fieberhaft dürften
die Sozialdemokraten in den kommenden Tagen in ihren Gremien darum
ringen, was den Delegierten in Sachen Groko empfohlen werden soll – und wie hoch die Latte für ein Weiterregieren gelegt werden soll.
Welche Szenarien sind nach dem Parteitag denkbar?
Ein schnelles Groko-Aus dürfte es nach Lage der Dinge nicht geben.
Doch wenn die SPD tatsächlich ihre Minister aus der Regierung
abziehen sollte, dann könnte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) versuchen,
mit einer Minderheitsregierung weiterzumachen.
Immerhin übernimmt
Deutschland im zweiten Halbjahr 2020 die EU-Ratspräsidentschaft – das
spricht gegen Neuwahlen unmittelbar davor. In Koalitionskreisen wird
davon ausgegangen, dass es schnell nach dem SPD-Parteitag einen
Koalitionsausschuss geben wird.
Wie sind die Reaktionen anderer Politiker?
Spitzenpolitiker anderer Parteien zeigten sich von dem Ergebnis
überrascht. "Ich bin völlig baff", schrieb FDP-Chef Christian Lindner
auf Twitter.
FPD-Fraktionsvize Michael Theurer sieht den Linksruck
der SPD und das Ende der Koalition besiegelt.
Wolfgang Kubicki (FDP) sagte der "Welt am Sonntag":
"Wir bereiten uns auf Neuwahlen vor oder den Zerfall der CDU, wenn sie den weiteren zu erwartenden Forderungen der Sozialdemokraten nachgeben."
Linke-Chef Bernd Riexinger freute sich via Twitter:
Die Führungsspitze der
Grünen gratulierte Esken und Walter-Borjans. "Wir wünschen ihnen viel
Erfolg und freuen uns auf eine faire, sachliche und konstruktive
Zusammenarbeit", hieß am Samstagabend in einer gemeinsam Erklärung
der Bundesvorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie der
Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter.
Auch Ex-Kanzler Gerhard Schröder meldete sich zu Wort und zeigte sich kritisch: "Ich habe das Verfahren für unglücklich gehalten und das Ergebnis bestätigt meine Skepsis", sagte der SPD-Politiker dem "Spiegel".
(hau/dpa)
Für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) muss letzte Woche im Bundestag wohl eine große Enttäuschung gewesen sein. Er hatte sich auf eine Debatte mit seinem Erzfeind und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eingestellt. Dieser fehlte aber spontan aufgrund eines Defekts an einem Regierungsflugzeug und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) musste für ihn einspringen.