In der Nacht zu Mittwoch ist die Lage im Nahen Oster weiter eskaliert: Das iranische Militär griff US-Stützpunkte im Irak an, die Reaktion der USA auf die Attacke steht noch aus.
Für Christian Wulff, ehemaliger Bundespräsident, ist die Lage besorgniserregend. In der Talkshow von Markus Lanz im ZDF am Dienstagabend, aufgezeichnet noch vor der jüngsten Eskalation, schilderte Wulff seinen Blick auf die Krise im Nahen Osten und seine Erfahrungen während seiner Reisen in die Region.
Wulff war von 2010 bis 2012 Bundespräsident, gegenwärtig ist er unter anderem Vorsitzender des Stiftungsrates der Deutschland Stiftung Integration. Im vorvergangenen Jahr sei er in Teheran und in Riad gewesen – anlässlich des Bergedorfer Gesprächskreis der Körber-Stifung, berichtete Wulff. Dabei habe er auch mit iranischen Außenminister gesprochen.
Wulff redete in der Sendung über den Stellvertreterkrieg zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Königreich Saudi-Arabien und sagte: "Manches erinnert an den Dreißigjährigen Krieg in Europa, wo auch Religionen missbraucht wurden."
Die aktuellen Entwicklungen nach der Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani durch die USA machten ihm große Sorgen. Sein elfjähriger Sohn habe ihm eine Whatsapp-Gruppe mit Freunden gezeigt, in der die Frage diskutiert werde: Kommt es nun gar zum Weltkrieg?
Wer mit dem Satz gemeint war, wurde später in der Sendung umso deutlicher: Donald Trump. Auch, wenn Wulff dessen Namen zunächst nicht nannte. Der US-Präsident vergesse die Errungenschaften der westlichen Diplomatie, die Bemühungen um eine friedvolle Welt mit einer Organisation wie den Vereinten Nationen, so der Vorwurf des früheren Bundespräsidenten und CDU-Politikers.
Dann holte Wulff zu einer heftigen Attacke auf den Mann im Weißen Haus aus. "Das, was jetzt in Amerika passiert, ist inakzeptabel", sagte er. "Dass heutige Amerika mit 'America First' erinnert an 'Deutschland, Deutschland über alles." Wulff verglich die Doktrin von Trump also mit der faschistischen Ideologie des Dritten Reiches.
Ein zentraler Vorwurf Wulffs an den US-Präsidenten: die Waffenverkäufe der USA an Länder im Pulverfass Naher Osten, vor allem an Saudi-Arabien. Er erwähnte einen Moment im Weißen Haus: 2018 präsentierte Trump bei einem Besuch des saudischen Kronprinzen Mohammed Bin Salman stolz eine Tabelle mit den abgeschlossenen Waffen-Deals. US-Firmen würden Flugzeuge, Fregatten und Panzer im Wert von 11,5 Milliarden US-Dollar nach Saudi-Arabien liefern.
Harte Worte von einem ehemaligen Politiker, der nach seinem Selbstverständnis ein Freund der USA und ein Förderer der transatlantischen Beziehungen ist.
Wulff führte in der Sendung weiter aus: Es sei gefährlich, "dass ein amerikanischer Präsident es als Erfolg ausgibt, in eine solche überbewaffnete Region noch weitere Waffen zu liefern, anstatt etwas für den Frieden in der Region zu tun."
Lanz stellte eine kritische Nachfrage: Habe Wulff nicht Verständnis für die Handlungen der USA nach all der Provokationen des Irans in den vergangenen Monaten?
Wulff gab zu, dass das diktatorische Regime in Teheran eine gefährliche Politik in der Region betreibe. Aber er sagte auch: Die Attacke der USA diene eher den Herrschenden, wieder Einheit im Land herzustellen. "Es kommt immer auf die Strategie an, ob es Gespräche gibt und ob es Verbindlichkeiten gibt. Da zweifle ich."
Wulff kritisierte aber auch die EU und Deutschland. Berlin müsse seine Zusagen an die Nato einhalten. Wulff forderte zudem die Deutsche Welle, den Auslandsrundfunk der Bundesrepublik, im Nahen Osten zu stärken. Die Russen hätten die Propaganda-Maschine "Russia Today" im Ausland, Peking betrieben Konfuzius-Institute. "Wo ist der weltoffene Westen?", fragte Wulff. "Da sind wir zu zögerlich, Einfluss zu nehmen in der Welt."
(ll)