Bis zur nächsten Bundestagswahl ist es noch ein Jahr hin. Dennoch hat die SPD sich schon früh auf einen Kanzlerkandidaten festgelegt. Doch das könnte ihnen jetzt auf die Füße fallen, denn ausgerechnet ihr Kandidat, der Finanzminister Olaf Scholz, muss im Cum-Ex-Skandal Rede und Antwort stehen. Bei "Markus Lanz" sprachen am Mittwochabend der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, die Journalistin Cerstin Gammelin sowie der "Welt"-Chefredakteur Robin Alexander über den Skandal und die möglichen Auswirkungen auf die SPD. Und dann war auch noch die Schwimmsportlerin Yusra Mardini, die 2015 als Flüchtling aus Syrien nach Deutschland kam.
Lars Klingbeil machte direkt zu Beginn deutlich: "Man muss einiges wegstecken, wenn man Vizekanzler ist in einer Pandemie, wie wir es gerade haben". Olaf Scholz hätte als frisch gekürter Kanzlerkandidaten harte Wochen erlebt und er ducke sich nicht vor seiner Verantwortung weg, sondern bemühe sich um Aufklärung, wenn es um den Cum-Ex-Skandal gehe. Dabei geht es auch um Treffen mit Christian Olearius von der Warburg-Bank, die zwischen dem damaligen ersten Oberbürgermeister Hamburgs, Olaf Scholz, und dem Hamburger Bankier stattgefunden haben sollen.
Es steht die Frage im Raum, ob Olaf Scholz Einfluss auf die Entscheidung hatte, dass 47 Millionen Euro an Steuergeldern von der Bank nicht zurückgefordert wurden. "Es gibt keinerlei Belege dafür, dass Scholz Einfluss auf die Entscheidung der Steuerverwaltung genommen hat", sagte Klingbeil, obwohl viel über das Thema recherchiert wurde und es Tagebucheinträge dazu gibt. "Ich habe hier ein tiefes Vertrauen in Olaf Scholz, dass er hier aufklärt und zur Aufklärung beiträgt", so Klingbeil.
"SZ"-Redakteurin Gammelin geht die Aufklärung aktuell noch nicht weit genug. Sie forderte als nächsten Schritt einen Untersuchungsausschuss im Hamburger Senat, wo auch die betroffene Finanzbeamtin, die angeblich darüber entschieden hat, ob die Bank 47 Millionen Euro zurückzahlen muss, befragt wird. Sie sagte:
Gammelin glaubt, in Hamburg würde man weiterkommen, denn es sei doch entscheidend, ob eine Finanzbeamtin allein tatsächlich so eine Entscheidung treffen könnte.
Klingbeil hingegen versuchte zu relativieren. Denn es sei nun mal so, dass es zur Aufgabe eines Abgeordneten oder auch Bürgermeisters gehöre, sich mit Unternehmern und Menschen aus der Region zu Gesprächen zu treffen – etwas, was niemand in der Runde bestritten hat. Lanz warf daraufhin ein: "Aber wie oft melden sich auch in Hamburg Unternehmer, wo es um 47 Millionen geht?" Gammelin fügte an: "Und wo die Staatsanwaltschaft ermittelt." Das ließ Klingbeil gekonnt unter den Tisch fallen und erklärte nur, dass es täglich passieren würde, dass sich Unternehmer melden. Aber die entscheidende Frage sei seiner Meinung nach, "hat es eine politische Einflussnahme gegeben oder nicht". Er fände es gut, dass Scholz aufkläre, betonte er erneut.
Markus Lanz hakte weiter nach: "Aber ist es Aufklärung, wenn man sich erst an gar keinen Besuch erinnern kann und plötzlich an einen und dann plötzlich sind es drei?" Klingbeil nahm Scholz erneut in Schutz und erklärte, er verstehe, wenn man sich nicht an alles erinnern könne.
Doch genau diese Erinnerungslücken könnten dem SPD-Kanzlerkandidaten und der Partei noch auf die Füße fallen, meint Journalist Robin Alexander. Er ist sich sicher:
Aber er könne auch so in Schwierigkeiten geraten, wie der stellvertretende "Welt"-Chefredakteur weiter erklärte. Denn die Erinnerungslücken würden nicht mit Scholz' Kanzler-Bestrebungen und seinen Aussagen, wie ein Kanzler Scholz sein würde, zusammenpassen. Klingbeil ist da hingegen "sehr beruhigt". Scholz habe immer von selbst gesagt, dass er die Sache aufklären wolle und genieße sowohl Klingbeils Vertrauen, als auch das der Parteiführung, wie der SPD-Generalsekretär betonte.
Robin Alexander warf jedoch ein, ja, Scholz habe betont, alles aufklären zu wollen, was auch glaubwürdig geklungen habe – aber als dann durch die Recherchen die mehreren Treffen ans Licht gekommen seien, seien vermehrt Zweifel aufgekommen. Man könne sich jetzt fragen, ob Scholz einen politischen Fehler gemacht habe, so Alexander, oder doch noch etwas aufkomme, weswegen er die Treffen verschwiegen hätte.
Das wollte Klingbeil so nicht stehen lassen. Er fragte nach, wo Treffen verschwiegen worden wären. Alexander verwies daraufhin auf einen Linken-Politiker, der in einem Einspielfilm zuvor bei der Befragung von Olaf Scholz im Bundestag zu sehen war. Mit seiner anschließenden Aussage löste Klingbeil in der Runde leichtes Unverständnis aus: "Warum glaubt man denn einem Linken-Abgeordneten, der über eine Finanzausschusssitzung berichtet, jetzt erst einmal mehr als dem Bundesfinanzminister?", wollte Klingbeil wissen. Alexander reagierte überrascht: "Wie? Glauben Sie, dass das, was er sagt, nicht stimmt?" Er hätte Scholz ja immerhin zitiert.
"Er stellt in den Raum, dass Olaf Scholz gelogen hat", hielt Klingbeil fest, denn Scholz hätte nie gesagt, dass es diese Treffen nicht gegeben habe. "Fakt ist, es war nicht Olaf Scholz, der diese Entscheidung herbeigeführt hat", stellte Klingbeil klar. Mehr könne er zu den Vorgängen in Hamburg nicht sagen, denn er sei für die SPD auf Bundesebene zuständig und auch kein Hamburger.
Robin Alexander betonte allerdings auch, dass Scholz nicht verantwortlich sei, wenn es tatsächlich um behördliche Fehlentscheidungen gehe. Doch Klingbeil könne ja wohl nicht abstreiten, dass der SPD und Scholz das Ganze an zwei Fronten schade: An der Gerechtigkeitsfront und wenn es darum geht, was man gutes Regieren nennt. Doch Klingbeil ließ sich darauf nicht ein, betonte nur immer wieder, dass Scholz sein volles Vertrauen genieße.
(jei)