
In Várpalota wächst die deutsch-ungarische Mega-Fabrik für Munition.Bild: Google Earth / CNES / Airbus
International
Radaraufnahmen zeigen, wie massiv die Waffenproduktion in der EU ausgebaut wird und wie sehr sich die Verteidigungsindustrie seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine verändert hat.
12.08.2025, 18:0312.08.2025, 18:03
Der Ukraine-Krieg bringt andere Länder in Zugzwang: Europa erlebt einen historischen Aufrüstungsboom – und Satellitendaten belegen jetzt, wie groß er wirklich ist. Wo vor wenigen Jahren noch Felder oder verlassene Industrieflächen lagen, entstehen heute riesige Munitions- und Raketenfabriken.
Laut einer aktuellen Analyse breiten sich die Bauprojekte auf mehr als sieben Millionen Quadratmetern aus – dreimal so schnell wie zu Friedenszeiten.
Angetrieben wird der Boom durch milliardenschwere staatliche Zuschüsse und den Druck, sowohl die Ukraine weiter zu beliefern als auch eigene Waffenlager wieder zu füllen.
"Das sind tiefgreifende strukturelle Veränderungen, die die Verteidigungsindustrie mittel- bis langfristig transformieren werden", sagt William Alberque, früherer Direktor für Rüstungskontrolle bei der Nato der "Financial Times" (FT), die für die Analyse verantwortlich war.
Laut EU-Kommission wurden allein im Rahmen des "ReArm Europe"-Programms Investitionszusagen in Höhe von 800 Milliarden Euro für Sicherheit und Verteidigung angesammelt – ein Paradigmenwechsel in der Strukturförderung des Sektors. Das alles zeigt sich auch auf Bildern aus dem All.

Verteidigungsminister Boris Pistorius beim Besuch eines Übungsplatzes der Bundeswehr. Bild: imago images / Steinsiek.ch
Satellitenbilder zeigen Wandel seit Beginn des Ukraine-Kriegs
Für ihre Untersuchung nutzte die "FT" mehr als 1000 Durchflüge der ESA-Radarsatelliten Sentinel-1. Sie erfassten Veränderungen an 150 Standorten in 37 Unternehmen, die mit der Herstellung von Munition und Raketen verbunden sind – zwei entscheidende Engpässe bei der Unterstützung der Ukraine.
Der Analyse zufolge zeigte etwa ein Drittel dieser Standorte deutliche Bau- oder Erweiterungsarbeiten. Die Fläche der erfassten Veränderungen stieg von 790.000 Quadratmetern (2020–2021) auf 2,8 Millionen Quadratmeter (2024–2025). Die Aufnahmen belegen Aushubarbeiten, neu errichtete Gebäude, frisch angelegte Straßen – kurz: Fabriken im Eiltempo.
Europa rüstet auf: von Feldern zu Mega-Fabriken
Eines der größten Projekte: eine neue Munitions- und Sprengstoffanlage im ungarischen Várpalota, gebaut vom deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall gemeinsam mit der staatlichen ungarischen N7 Holding. Noch 2022 war dort fast nur Brachland. Heute steht die erste Fabrikhalle, die seit Juli 2024 30-Millimeter-Munition für den Schützenpanzer KF41 Lynx produziert.

Zum Vergleich mit dem Bild oben: So sah die Munitions- und Sprengstoffanlage in Várpalota 2022 aus.Bild: Google Earth / © CNES / Airbus
Künftig sollen dort auch 155-Millimeter-Artilleriegranaten und Munition für den Leopard-2-Panzer hergestellt werden. "Wir können uns zu den angeblichen Umrissen unserer Produktionsanlagen auf Satellitenbildern aus Sicherheitsgründen nicht äußern", sagte allerdings Rheinmetall-Sprecher Patrick Rohmann der "FT".
Der Konzern meldete vor wenigen Tagen neue Halbjahresrekorde bei Umsatz und Gewinn: Die starke Ausweitung der Produktionskapazitäten zahlt sich laut Unternehmensführung "operativ und finanziell" aus.
EU-Milliardenprogramm beschleunigt Ausbau
In Deutschland erweitert unterdessen der Raketenbauer MBDA sein Werk in Schrobenhausen – unterstützt durch zehn Millionen Euro ASAP-Mittel und einen milliardenschweren Nato-Auftrag für Patriot-Raketen.

Bauarbeiten in Schrobenhausen: Satellitenaufnahme des Werks von MBDA (2025).Bild: Google Earth / CNES / Airbus

2021 war bei demselben Gebiet ein Wald.Bild: Google Earth / CNES / Airbus
Besonders schnell wuchsen laut "FT" Standorte, die von der EU-Initiative "Act in Support of Ammunition Production" (ASAP) profitieren. Das 500-Millionen-Euro-Programm soll gezielt Engpässe bei Munition und Raketen beseitigen. Laut "FT" waren an 20 geförderten Standorten massive Erweiterungen sichtbar, darunter komplette Neubauten und Straßen.
14 weitere Standorte legten kleiner zu, etwa durch neue Parkplätze. Firmen ohne ASAP-Förderung wuchsen deutlich langsamer.
EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius erklärte, die europäische Jahresproduktion von Munition sei seit Beginn des Ukraine-Kriegs im Jahr 2022 von 300.000 auf etwa zwei Millionen Stück bis Ende 2025 gestiegen. Rheinmetall allein will die Kapazität für 155-Millimeter-Granaten von 70.000 Stück (2022) auf 1,1 Millionen (2027) ausbauen.
Laut "Behörden Spiegel" ist parallel das neue Entwicklungsprojekt Marte angelaufen, an dem insgesamt 51 Unternehmen und elf EU-Staaten plus Norwegen beteiligt sind – mit dem Ziel, ein gemeinsames Kampfpanzersystem zu schaffen.
Allerdings, so betonen Fachleute, werde die tatsächliche Auslastung voraussichtlich unter der maximal möglichen Kapazität bleiben. Viele Firmen hätten ihre Expansionspläne schon vor dem Start von ASAP im Jahr 2023 vorbereitet.
Verteidigung gegen Russland: Engpässe bei Schlüsselkomponenten
Trotz der Bauoffensive warnen Experten vor kritischen Lücken – insbesondere bei Triebwerken für Langstreckenraketen und beim Sprengstoff.
Fabian Hoffmann von der Universität Oslo sieht Raketen als entscheidend für eine glaubwürdige Abschreckung gegen Russland: "Weil wir Russlands Mobilisierungstempo nicht mithalten können, müssen wir unsere Produktionskapazität drastisch ausbauen", sagte er zu "FT".
Die EU plant bereits ein neues Verteidigungsprogramm im Wert von 1,5 Milliarden Euro, das die ASAP-Logik auf weitere Waffenkategorien ausweiten soll – von Artillerie über Flugabwehr bis zu Drohnen.
Julia Klöckner und die Frage der Neutralität: Wegen ihres Vorstoßes zum CSD steht die Bundestagspräsidentin in der Kritik.
Julia Klöckner ist eine der prägendsten weiblichen Personen in der CDU der vergangenen Jahre. Bekannt wurde sie vor allem für ihre Tätigkeit als Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft von 2018 bis 2021 unter Kanzlerin Angela Merkel.