CDU-Chefin und Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat im ZDF-Sommerinterview ihre Wut auf die Demonstranten geäußert, die am Samstag versucht haben, den Reichstag in Berlin zu stürmen.
In dem letzten ZDF-Sommerinterview der Saison, das die Journalistin Shakuntala Banerjee führte, setzte Kramp-Karrenbauer außerdem Spitzen gegen den Noch-Koalitionspartner SPD. Kramp-Karrenbauer, die schon im Februar ihren Rückzug von der CDU-Spitze angekündigt hatte, sprach außerdem bemerkenswert kühl und distanziert über die drei Kandidaten auf ihre Nachfolge auf dem CDU-Chefposten.
Corona-Demos: "Demonstrationsrecht ist missbraucht worden"
Sie sei wütend, "dass es gelungen ist, solche Bilder zu produzieren", sagte Kramp-Karrenbauer zu den Corona-Demos in Berlin. Wörtlich sagte die CDU-Chefin weiter:
"Ich bin wütend, weil hier ein demokratisches Recht, ein Demonstrationsrecht, und das Unbehagen vieler Menschen jetzt auch in der Coronakrise, missbraucht worden ist für Nazipropaganda."
Mit Blick auf die zeitgleich stattgefunden Protesten in Belarus gegen den autoritären Machthaber Alexander Lukaschenko ergänzte die CDU-Chefin:
"Und das in einer Zeit, wo in der Nachbarschaft zu Europa, in Belarus, Menschen unter Einsatz ihres Lebens für ein Demonstrationsrecht auf die Straße gehen. Das treibt mich um, das macht mich wütend."
Das, sagte Kramp-Karrenbauer, müsse auch die CDU insgesamt deutlich machen.
Kritik an Corona-Maßnahmen sei "selbstverständlich", sagte Kramp-Karrenbauer, das gehöre zur Demokratie. Man diskutiere über die Maßnahmen auch mit Bürgerinnen und Bürgern. Sie ergänzte aber:
"Wenn man sich überlegt, welche Zumutungen da angeblich im Raum stehen – das Tragen einer Maske, dass man Hände wäscht, dass man Abstand hält, dass man nicht in anonymen Menschenmassen unterwegs ist. Und wenn man sieht, dass dagegen die Frage steht, ob man Menschenleben rettet, ob man die Wirtschaft vor dem totalen Zusammenbruch rettet, finde ich nach wie vor, das ist zumutbar."
Zum Schluss des Interviews sagte sie, es gehe darum, die eigene Freiheit einzuschränken, um Unternehmen und Arbeitsplätze etwa in der Gastronomie zu retten und es älteren und kranken Menschen zu ermöglichen, sich frei zu bewegen.
Sie schloss mit diesem Satz:
"Und ich erwarte von jedem verantwortlichen Staatsbürger und ich glaube, dass kann man auch erwarten, dass man in dieser Abwägung seiner eigenen Freiheit gegen die Bedürfnisse der anderen auch zu verantwortbaren Entscheidungen kommt."
Die CDU-Chefin richtete außerdem einen deutlichen Appell an Kritiker der Corona-Maßnahmen, Abstand zu Rechtsextremen zu halten:
"Trotzdem muss sich jeder überlegen, ob es seine Kritik, ob berechtigt oder nicht, wert ist und es rechtfertigt, dass man mit Nazis versucht, den Reichstag zu stürmen"
Annegret Kramp-Karrenbauer ist noch bis (voraussichtlich) Dezember CDU-Chefin. Dann soll ihr Nachfolger auf einem Parteitag gewählt werden.foto: zdf / Torsten Silz
Ein bisschen Wahlkampf gegen die SPD
An zwei Stellen des Interviews stichelte Kramp-Karrenbauer gegen die SPD. Es hörte sich ein bisschen an, als wärme sich die Noch-Chefin der CDU für den Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 auf.
Auf die Frage von Moderatorin Banerjee, wer eigentlich die CDU führe – jetzt, da Kramp-Karrenbauer schon ihren Abschied angekündigt hat und die drei Nachfolgekandidaten Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen in der "Warteschleife" hingen –, sagte sie:
"Wenn sie unter Führung verstehen, dass jemand ex cathedra aus dem Parteivorstand entscheidet, wer der nächste Kanzlerkandidat wird, das ist nicht mein Verständnis von Führung."
Ein klarer Seitenhieb auf die SPD: Deren Vorsitzende Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hatten schon Anfang August und damit überraschend früh Finanzminister Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten präsentiert.
Später kritisierte sie auch politische Pläne der Sozialdemokraten. Auf die Frage, ob nach hoher Neuverschuldung im Kampf gegen die Corona-Krise nach der Pandemie die Schuldenbremse wieder zurückkomme, sagte Kramp-Karrenbauer: "Ja, die kommt zurück." Und dann:
"Das hängt davon ab, ob wir weiter auf einem guten Kurs bleiben oder eben den Fehler machen, klassische linke Politik zu machen mit Steuererhöhungen und Schuldenvergemeinschaftung in Europa.
Steuererhöhungen für Menschen mit besonders hohen Einkommen hatte SPD-Kanzlerkandidat Scholz in einem am Samstag erschienenen Interview mit der "Rheinischen Post" gefordert.
Die Rückfrage Banerjees, ob sie es schmerze, dass ausgerechnet der Sozialdemokrat Scholz schon gesagt habe, dass 2022 wieder die Schuldendisziplin zurückkehre, konterte Kramp-Karrenbauer so:
"Das hat eher mit seinen Ambitionen für das nächste Wahljahr zu tun."
Die CDU sei "immer für solides Wirtschaften eingestanden". Und sie ergänzte: "Wir sind das Original und da brauchen wir auch keine Kopie".
Annegret Kramp-Karrenbauer war von 2011 bis 2018 Ministerpräsidentin des Saarlandes.foto: zdf / Torsten Silz
Auf Distanz zu Laschet, Merz und Röttgen – mit einer Spitze gegen das ZDF
Auf Fragen zu ihren möglichen Nachfolgern auf dem CDU-Chefposten gab Kramp-Karrenbauer bemerkenswert kühle, distanzierte Antworten.
Zum Wahlkampf zwischen Laschet, Merz und Röttgen sagte sie:
"Am Ende hat jeder Kandidat die Verantwortung, dass aus diesem Wettbewerb nicht ein ruinöser Wettbewerb wird."
Und, wenig später:
"Jeder muss sich überlegen, dass er damit auch ein Beispiel setzt. Ob er geeignet ist, höhere Führungsverantwortung zu übernehmen."
Kramp-Karrenbauer richtete außerdem einen kaum versteckten Appell in Richtung der drei Kandidaten, gemeinsam an der Parteispitze zu arbeiten, anstatt gegeneinander anzutreten. Was sie als "Stimmung in der Partei" höre, sei, dass jeder der Kandidaten seine positive Seite habe und dass es gut wäre, wenn sie "in einem Team zusammenarbeiten".
Ihren Appell zur Harmonie würzte Kramp-Karrenbauer dann aber mit einer bitteren Note. Sie ergänzte wörtlich:
"Das ist der Wunsch der Partei. Aber es liegt an den Kandidaten selbst, ob sie sich darauf einlassen. Und bisher habe ich zu mindestens noch keine Signale, dass das der Fall wäre."
Kramp-Karrenbauer machte außerdem erneut deutlich, dass sie sich eine Frau als Kandidatin für den Parteivorsitz wünsche. Berichte, sie habe Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit der Bitte um eine Kandidatur kontaktiert, seien zwar "frei erfunden".
Aber eine Frau als Kandidatin könnte laut Kramp-Karrenbauer deutlich machen, dass die CDU nach fast 14 Jahren unter Angela Merkel als Parteichefin keinen "Rollback" mache "in Richtung einer reinen Männerpartei."
Sie ergänzte:
"Und sie könnte deutlich machen, dass die CDU mehr Frauen in der Führung hat, zumindest mehr Frauen, als das ZDF in seinen Führungspositionen."
ZDF-Journalistin Banerjee ging auf diese Spitze Kramp-Karrenbauers gegen ihren Arbeitgeber nicht ein.
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