Herbert Reul: Der CDU-Politiker ist Innenminister von NRW und äußert sich über die parallelen Strukturen innerhalb der Clans.Bild: screenshot zdf
Deutschland
Vor Kurzem wurde bekannt, dass die CSU stärker gegen kriminelle Clans vorgehen will und die Polizisten besser vor Übergriffen schützen möchte. Die Mindeststrafmaße sollen demnach bei tätlichen Angriffen und bei Widerstand deutlich heraufgesetzt werden.
Im Gespräch mit Markus Lanz versuchten Politiker Herbert Reul (CDU) und Journalist Olaf Sundermeyer am Dienstagabend Licht ins Dunkel der Clan-Kriminalität zu bringen. Dabei fanden die beiden deutliche Worte für die derzeitige Situation in Deutschland. Schnell war man sich einig, dass sich die Politik von Anfang an nicht um die Clan-Strukturen gekümmert hätte. Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot äußerte sich zudem besonders über die Situation in Moria.
Die Gäste: In der Gesprächsrunde wurde besonders über die Clan-Kriminalität diskutiert.Bild: screenshot zdf
Direkt zu Beginn der Diskussion über Clan-Kriminalität stellte Journalist Olaf Sundermeyer klar: "Wir haben Parallelgesellschaften." Es seien Fehler in der Vergangenheit passiert, mit denen man nun umgehen müsse. Dabei sprach er auch über einen Messerangriff, der sich in Cottbus ereignet habe. "Die Bevölkerung vor Ort sagt, die Zustände wollen wir nicht akzeptieren, auch wenn es kein Massenphänomen ist. Die Menschen fühlen sich bedroht. Man muss damit umgehen, dass das Gefühl der Überfremdung auch politische Zustände verändert", so Sundermeyer.
Olaf Sundermeyer: Der Journalist ist Experte für Innere Sicherheit.Bild: screenshot zdf
Reuls vernichtendes Fazit: "Die Politik hat sich davor gedrückt"
Herbert Reul, Innenminister von NRW, räumte ein: "Die Fälle passieren immer wieder." Markus Lanz forderte, die Probleme bei der Integration klar zu benennen. Der Politiker antwortete prompt mit einer bitteren Erklärung: "Es ist insgesamt schwer, weil man sich scheut, die Wahrheit auszusprechen. Man wird dann in Kisten gepackt. Bei den Clans wurde Jahrzehnte nichts gemacht." Daraufhin erklärte er auch gleich, warum:
"Die meisten bei der Polizei hätten schon früher was gemacht. Die Politik hat sich davor gedrückt. Man hat es nicht gemacht, weil man den Vorwurf der Stigmatisierung und der Ausländerfeindlichkeit bekommt. Man hat sich nicht getraut, das Problem zu benennen."
Herbert Reul: Der Innenminister gab Versäumnisse in der Politik zu.Bild: screenshot zdf
Mit Blick auf Menschen, bei denen die Integration nicht funktioniert habe, legte Reul nach:
"Wir haben uns nicht gekümmert, keine Perspektiven geboten. Die haben sich aber auch nicht dazu bereit erklärt, mitzuspielen. Bei uns gilt in Deutschland nicht das Recht der Familie, sondern das Recht des Staates. Wir haben viel zu lange gewartet, das zu erklären."
Olaf Sundermeyer: Er klärte über die Entstehung von Parallelgesellschaften auf.Bild: screenshot zdf
Sundermeyer pflichtete bei: "Die Politik wollte das Problem wegen der Stigmatisierung über Jahrzehnte hinweg nicht benennen. In diesem Vakuum wachsen kriminelle Strukturen." Dann berichtete er von einem Besuch in einer Flüchtlingsunterkunft im Oderbruch. Die Menschen würden sich dort von Berlin angezogen fühlen, weil sie in der Hauptstadt ihre arabische Kultur finden. Dazu stellte er klar: "Wenn ich diese Leute in einem Zustand lasse, in dem Kriminalität wunderbar gedeiht, dann wächst eine Parallelgesellschaft. Wir müssen da genau hinschauen, in Berlin, in NRW, im Ruhrgebiet." Reul betonte zudem:
"Wenn wir schaffen, dass die Regeln eingehalten werden, dann wäre es viel einfacher. Die Familien-Clans meinen, sie haben recht, haben sie aber nicht, weil sie nicht die Gesetze bestimmen."
Das Problem mit den Parallelgesellschaften
Die Clans seien in den 80er-Jahren in Deutschland entstanden. Die Politik wollte es nicht wahrhaben und habe sich nicht darum gekümmert, sagte Reul. Sundermeyer machte klar, dass es die dritte Generation von Einwanderern sei, die sämtliche Rechte und Pflichten eines deutschen Staatsbürgers genieße. Dennoch würden sie sagen: "Es ist euer Land." Dies sei der Kern des Problems, weil sie sich nicht als Teil der deutschen Gesellschaft sehen würden. Politikwissenschaftlerin Guérot warf ein, dass wir das Problem nicht als Deutsche lösen könnten. Es sei die Frage, ob wir Parallelgesellschaften zulassen. Doch für Reul war klar:
"Wenn sie hierbleiben wollen, müssen sie sich an die Regeln halten. Bei der dritten Generation kann man nicht einfach sagen: 'Geh wieder!'"
Markus Lanz: Der Moderator diskutierte kritisch über den Begriff der Clans mit. Bild: screenshot zdf
Es sei ärgerlich, dass wir junge Menschen nicht aus den Strukturen rausbekommen, meinte der Politiker weiter. Der Grund: "Die Familie ist dort alles. Das Gegenangebot ist nicht gut genug. Präventionsprogramme sind eine schwere, mühsame Arbeit." Sundermeyer betonte: "Es ist eine geschlossene Parallelgesellschaft. Dort heißt es: Wir haben unsere eigene Rechtssprechung, unsere eigenen Regeln. Danach leben wir. Wenn es uns nicht gelingt, diese Parallelgesellschaften aufzubrechen, dann wird es schwierig." Lanz meinte dazu, dass es nicht so sei, dass jede arabische Großfamilie mit einem Clan gleichzusetzen sei. Sundermeyer entgegnete daraufhin:
"Die meisten Mitglieder tragen das mit. Sie akzeptieren das, haben häufig keine Wahl. Der familiäre Druck ist groß. Aber auch viele andere akzeptieren die Basis."
Herbert Reu versuchtem Lösungsansätze aufzuzeigen. Bild: screenshot zdf
Reul zeichnete einen möglichen Weg auf, wie die Strukturen aufgebrochen werden könnten. Man müsse an mehreren Stellen anfangen, den jungen Leuten attraktivere Wege zu zeigen. Dabei müsse sich auch insbesondere um die Frauen gekümmert werden, auch wenn das schwer sei. Sie hätten allerdings ein hohes Interesse daran, für ihre Kinder eine sichere Welt zu schaffen. Dennoch sei noch etwas anderes unumgänglich. "Wir müssen auch an die Bosse kommen", so der CDU-Politiker.
Warum Europa in Moria versagt hat
In der Sendung ging es neben der Clan-Kriminalität auch um die dramatische Situation in Moria. Politikwissenschaftlerin Guérot erklärte dazu: "Wir gucken seit Jahren weg. Das hat viel mit dem Syrienkrieg zu tun. Wir diskutieren seit Jahren, wer in Europa entscheidet." CDU-Politiker Reul fügte hinzu: "Die Frage, wer ist schuld daran, ist zu einfach. Wir haben es seit vielen Jahren nicht mehr hingekriegt, dass wir uns verständigen."
Ulrike Guérot: Die Politikwissenschaftlerin sprach über die kritische Lage in Moria. Bild: screenshot zdf
Lanz betonte, dass auch in der deutschen Politik umstritten sei, wie man mit den Geflüchteten verfahren solle. Darauf würde es laut Reul nur eine Antwort geben:
"Wir haben viel zu lange weggeguckt. So ein Problem kriegt kein Staat allein gelöst. Die Europäer müssen sich darauf verständigen, wie sie es systematisch gelöst bekommen."
Für die Politikwissenschaftlerin Guérot war klar: "Wir müssen das Asylrecht ernst nehmen, legale Fluchtwege schaffen." Ihre Idee sei übrigens, neue Städte zu schaffen: "Das ist die Art und Weise, wie das heutige Amerika entstanden ist. Auch bei uns sind Städte wie Neu-Münster ein typisches geschichtliches Motto. Wenn Leute gewandert sind, wurden neue Städte gegründet. Das ist die Geschichte. Wäre das nicht besser, als wenn wir Lager machen?"
(iger)
Die Küche ist ihr Revier. Hier zaubern sie Brot, Eintöpfe und Torten. Mit einer Schürze schützen sie ihre schönen Kleider; das Haar ist kunstvoll frisiert.