Nur noch 15 Kilometer vom Haus entfernen? Manche Länder kennen die Regel bereits – und auch noch strenger als das.Bild: imago images / MiS
Deutschland
Die beiden Polizisten versperren
demonstrativ den Weg. Sie sind nicht unfreundlich, aber sie fragen
die Joggerin dennoch bestimmt, was sie hier tue. Turnschuhe,
Sportsachen und eben das Joggen an sich hätten ein Hinweis sein
können. Was die beiden Pariser Ordnungshüter aber eigentlich sehen
wollen, ist eine selbst ausgefüllte Bescheinigung. Denn weiter als
einen Kilometer darf sich die Joggerin nicht von ihrer Wohnung
entfernen.
Name, Adresse und Geburtsdatum stehen auf dem Formular. Auch die
Uhrzeit, wann sie das Haus verlassen hat, und schließlich der Grund für
dieses Verhalten. In diesem Fall hat die Joggerin angekreuzt: "Kurze
Ausflüge, innerhalb einer Stunde täglich und in einem maximalen
Radius von einem Kilometer um die Wohnung, die mit körperlicher
Aktivität zusammenhängen ..."
Was Deutschland droht, kennt Frankreich schon
Was in Deutschland nun für Aufregung sorgt, ist in anderen
Ländern in Europa teils schon seit Frühjahr eine Waffe im Kampf gegen
Corona: Bewegungseinschränkungen. In Hotspots sollen sich die
Menschen hierzulande nun ohne triftigen Grund nicht mehr als 15
Kilometer von ihrem Wohnort entfernen dürfen. In anderen Ländern
waren diese Einschränkungen oft sogar noch viel strenger.
So galt bereits im Frühjahr in Frankreich: Wer spazieren gehen
oder Sport machen will, darf dies eben nur eine Stunde pro Tag im
Radius eines Kilometers. Parks oder Strände waren damals jedoch
geschlossen. Jogger auf engen Pariser Fußwegen wurden schnell zu
Hassobjekten. Besonders schwierig war die Situation aber für Menschen
mit Kindern oder die Bewohner der grauen Vorstädte mit ihren
Betonburgen.
Ausgangssperre: Am Triumphbogen in Paris kontrolliert die Polizei im Dezember Personen, ob sie regulär draußen unterwegs sind.Bild: ap / Francois Mori
Jeder Gang vor die Tür musste in Frankreich einen triftigen Grund
haben – nachgewiesen durch ein ausgefülltes Formular. Wer sich nicht
daran hielt, musste eine Geldstrafe zahlen. Ganz zu Beginn war
"spazieren gehen" übrigens nichts als Grund gelistet – wehe dem, der
in seinen Sportsachen zu langsam unterwegs war.
Schnell stapelte sich das Papier – später gab es dann zur
Erleichterung vieler auch eine Handyversion. In Frankreich änderten
sich die Regeln seitdem Frühjahr immer wieder. Im Herbst kam der
ungeliebte Kilometer noch einmal zurück, zwischendurch galten auch
Mal Beschränkungen auf 100 oder 20 Kilometer.
Die kleinen Marotten eines Bewegungsradius
Was anfangs noch besonders streng kontrolliert wurde, wurde
später nur noch sporadisch überprüft. Aktuell gilt eine abendliche
Ausgangssperre. Was die Bewegungseinschränkungen gebracht haben,
lässt sich im Nachhinein schwer sagen. Fakt ist, dass die Corona-Lage
sich gebessert hat. Gleichzeitig waren in Frankreich aber auch Geschäfte und im
Frühjahr Schulen geschlossen.
Auch in Spanien sind Millionen Menschen in ihrer
Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Reisen zwischen den autonomen
Gemeinschaften, die in etwa Bundesländern in Deutschland entsprechen,
sind nur aus triftigem Grund erlaubt, wie etwa um zur Arbeit oder zum
Arzt zu kommen. Touristische Ausflüge gehören definitiv nicht dazu.
In Katalonien mit der Touristenmetropole Barcelona dürfen die
Menschen bis zum 17. Januar nicht einmal ihre Heimatgemeinde verlassen, es sei denn aus wichtigem Grund.
Ein Besuch der zehnjährigen Sophie, die in der Nähe von Barcelona
lebt, bei ihrer Freundin im Nachbarort ist deshalb nicht mehr
erlaubt. Bleibt nur ein Videochat, aber der ist lange nicht so
lustig, wie zusammen das elterliche Haus auf den Kopf zu stellen.
"Langweilig, da kann man nur reden", ärgert sich das Mädchen. Auch so
banale Dinge wie die Abholung einer über das Internet gekauften
gebrauchten Waschmaschine im übernächsten Ort fällt ins Wasser.
Für einige Länder nicht die härteste Maßnahme
Großer Unmut in der Bevölkerung über die Einschränkungen ist
dennoch nicht zu spüren. Die Menschen in Spanien haben während der
ersten Corona-Welle im Frühjahr schon viel Schlimmeres durchgemacht.
Wochenlang durfte man nur zu Einkäufen, zum Arzt oder zur Arbeit aus
dem Haus, die Schulen waren geschlossen, Kindern war der Aufenthalt
im Freien ganz verboten. Auch in Frankreich hielt sich der Ärger über
die Einschränkungen in Grenzen. Das Land war von Anfang an hart von
der Pandemie getroffen und zählt weit mehr als 65.000 Tote.
Die Griechen kann ein 15-Kilometer-Radius ebenfalls nicht
schocken – schon längst gelten härtere Maßnahmen als in Deutschland.
Dort ist es den Menschen während des Lockdowns verboten, ohne
triftigen Grund die Region zu verlassen, in der sie wohnen. Wer zur
Arbeit, zum Arzt, einkaufen oder joggen will, muss zudem eine
entsprechende Nachricht an den Zivilschutz schicken, die oft auch von
der Polizei kontrolliert wird.
Bewegungseinschränkungen gelten auch in zahlreichen anderen
europäischen Ländern wie Slowenien, Kroatien, Litauen oder Italien.
Oftmals kann das Verwirrung stiften, Regeln ändern sich immer wieder – manchmal wirken die Kilometervorgaben willkürlich. Immer wieder
gibt es auch Tricks, mit denen die Menschen die Verbote umgehen
wollen. So wird sich in Litauen etwa in sozialen Netzwerken über die
Kontrollposten der Polizei ausgetauscht. Und in Frankreich gab es den
Tipp, doch einfach mehrere Formulare dabei zu haben – mit
unterschiedlichen Adressen drauf.
(vdv/dpa)
Politische Krisen, finanzielle Sorgen, gesellschaftliche Spannungen – die Liste der Herausforderungen scheint nicht zu enden. Und jetzt noch eine Regierungskrise in Frankreich. Wie stark trifft das Europa und damit uns alle?