Angela Merkel trifft sich erneut mit den Ministerpräsidenten, um über die Corona-Strategie im Herbst zu beraten.Bild: dpa / Michael Kappeler
Deutschland
10.08.2021, 07:5310.08.2021, 14:21
Mehr Schwung für die Impfungen, ein baldiges
Ende kostenloser Tests für alle, mögliche neue Warnkriterien für die
Corona-Lage: Vor den Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit
den Ministerpräsidenten an diesem Dienstag rücken mehrere konkrete
Ansatzpunkte für den Kurs gegen eine vierte große Infektionswelle im
Herbst und Winter in den Blick. Dabei haben sich Bund und Länder bereits auf erste Maßnahmen geeinigt, wie die "Bild" berichtet.
Demnach sollen Geimpfte und Genesene von Testauflagen und Quarantäne-Regelungen bei einer Rückreise aus Hochinzidenzgebieten ausgenommen werden. Dazu müssen Ungeimpfte für alle Veranstaltungen mit strengeren Testpflichten rechnen. Ob Schnell- oder PCR-Test steht dem Bericht zufolge noch nicht fest. Die Gratis-Schnelltest sollen ab Oktober wegfallen, die Maskenpflicht wird verlängert und auch Hygienekonzepte bleiben Pflicht.
Gastgewerbe und Handel forderten Bund
und Länder dazu auf, einen erneuten harten Lockdown mit Schließungen
auf breiter Front abzuwenden. Diskutiert wurde weiterhin darüber,
mögliche neue Beschränkungen vor allem auf Ungeimpfte zu beschränken.
Die Bundesregierung bekräftigte, es gehe um "den besten Weg", mit
den steigenden Infektionszahlen umzugehen. Es solle alles getan
werden, um eine Situation wie Ende vergangenen und Anfang dieses
Jahres zu vermeiden, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin
Ulrike Demmer am Montag in Berlin mit Blick auf den monatelangen
Lockdown. Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000
Einwohner in sieben Tagen stieg laut Robert Koch-Institut (RKI) nun
weiter auf bundesweit 23,1 – am Vortag waren es noch 22,6 gewesen,
vor einer Woche 17,8. Es gibt aber regionale Unterschiede. Die Spanne
bei der Sieben-Tage-Inzidenz reicht von 6,5 in Thüringen bis 54,8 in
Hamburg.
Konkret zeichneten sich für die Beratungen mehrere Schwerpunkte
ab:
Impfen
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte am Montag nach
einer Präsidiumssitzung: "Wir müssen mehr Menschen überzeugen, sich
impfen zu lassen. Denn für uns ist eines klar: Geimpfte haben
Vorteile. Und jemand, der geimpft ist, darf keine Nachteile haben,
weil andere Menschen aus verschiedenen Gründen keine Lust haben, sich
impfen zu lassen." Dabei kommen die Impfungen weiter voran – derzeit
aber vor allem mit vorgesehenen Zweitimpfungen. Gesundheitsminister
Jens Spahn (CDU) appellierte: "Jede Impfung zählt!" Vollständig
geimpft sind nun knapp 45,6 Millionen Menschen oder 54,8 Prozent
aller Einwohner.
Testen
Durchaus als ein Extra-Anstoß für mehr Impfungen trifft
ein Ende der kostenlosen Schnelltests für alle auf breite Zustimmung.
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte dem
"Tagesspiegel" (Montag): "Ich halte es ausdrücklich für richtig, dass
Ungeimpfte ab dem Herbst ihre Tests selbst bezahlen müssen. Bis dahin
hatte jeder die Möglichkeit, sich kostenfrei impfen zu lassen." Der
baden-württembergische Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne)
sagte "Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten" (Montag): "Auf
Dauer wird die öffentliche Hand die Tests nicht finanzieren können."
Es gebe ja ein kostenfreies Impfangebot für alle.
Spahn hatte vorgeschlagen, dass Tests ab Mitte Oktober nicht mehr
gratis zu haben sein sollen – außer für Menschen, die nicht geimpft
werden können oder für die keine allgemeine Impfempfehlung besteht
wie Schwangere oder Minderjährige. FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae
sagte dagegen der dpa: "Die Kostenlosigkeit der Tests möglichst
lange, auch bis in das Jahr 2022 hinein aufrecht zu erhalten, ist gut
angelegtes Geld." Das gelte auch für Genesene und Geimpfte. Sie seien
weitgehend vor Erkrankung geschützt, könnten aber Viren weitertragen.
Schutzmaßnahmen
Weil sagte, viele seien mittlerweile geimpft.
"Vor diesem Hintergrund sind massive Einschränkungen, wie wir sie
beispielsweise noch im Frühjahr hatten, nicht mehr angemessen."
Kretschmann sagte: "Einschränkungen bei Geimpften und Genesenen
werden wir zu großen Teilen aufheben." Für Nichtgeimpfte sei wegen
höheren Ansteckungsrisikos der Zugang zu Veranstaltungen oder
Einrichtungen "weiter an Bedingungen zu knüpfen". Die Maskenpflicht
etwa in Bussen und Bahnen werde aber sicher bestehen bleiben.
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagte der "Süddeutschen Zeitung"
(Montag): "Wichtig ist mir, dass diejenigen, die sich nicht impfen
lassen wollen, auch weiterhin über Tests die Möglichkeit haben, am
öffentlichen Leben teilzunehmen." Spahn hatte deutlich gemacht, dass
dies für "essenzielle Dinge" wie Verkehrsmittel oder Rathausbesuche
möglich bleiben sollte. Etwa für Discos oder Stadien könne er sich
aber auch einen Zutritt nur für Geimpfte oder Genesene vorstellen.
Die Tourismusbranche forderte von Bund und Ländern, eine "Basis
für dauerhafte Öffnungen" zu schaffen, statt schon bei niedrigem
Infektionsgeschehen erneut über Einschränkungen des Reisens und
Ausgehens zu diskutieren. Die in Landesverordnungen aktuell geltenden
Schwellen-Inzidenzwerte, ab denen automatisch Verschärfungen greifen,
müssten "signifikant heraufgesetzt" werden. Der Handelsverband
warnte, die Politik dürfe nicht einfach in den nächsten Lockdown
hineinschlittern. Es gehe um passgenaues und wohldosiertes Handeln.
Corona-Kriterien
Die Sieben-Tage-Inzidenz war in der Pandemie
bisher Grundlage für viele Corona-Einschränkungen, etwa im Rahmen der
Ende Juni ausgelaufenen Bundesnotbremse. Künftig sollen daneben wohl
mehr Werte stärker einbezogen werden – wie in der politischen Debatte
etwa zu belasteten Intensivstationen vielfach schon der Fall.
CDU-Chef Armin Laschet schlug nach dpa-Informationen im CDU-Präsidium
vor, die Krankenhausbelegung, die Zahl der Intensivpatienten und den
Impffortschritt stärker in der Regulierung zu berücksichtigen.
Laschet befürwortete es demnach auch, dass der Bundestag die
vorerst bis September bestehende "epidemische Lage von nationaler
Tragweite" verlängert – damit in Landes-Corona-Verordnungen
Sicherheitsmaßnahmen wie die Maskenpflicht, die Kontaktnachverfolgung
oder die Pflicht zur Einhaltung von Hygienekonzepten weiter
vorgesehen werden könnten. Eine Verlängerung dieser Sonderlage hatte
auch Scholz schon angeregt. Der Vorsitzende des
Bundestags-Gesundheitsausschusses, Erwin Rüddel (CDU), forderte in
der "Bild"-Zeitung: "Es muss die Botschaft kommen, dass es keine
automatischen Lockdowns mehr geben wird – auch keine nur für
Ungeimpfte."
(vdv/dpa)
Matthias Miersch sitzt seit 2005 für die SPD im Bundestag. Parteiintern wird er seit vielen Jahren geschätzt, der ganz breiten Öffentlichkeit war er eher kein Begriff. Das änderte sich am 7. Oktober 2024: Miersch soll Nachfolger von Kevin Kühnert als SPD-Generalsekretär werden.